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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Viertes Buch, drittes Capitel.
Bey einer solchen Gelegenheit trug es sich zu, daß sie
von dem jungen Alcibiades überraschet, und in der
Stellung der Danae des Acrisius, welche sie eben vor-
stellte, allzureizend befunden wurde, als daß einem ge-
ringern als Alcibiades auch nur der Anblik so vieler
Schönheiten erlaubt seyn sollte. Auf der andern Seite
wurde die junge Danae von der Figur, den Manie-
ren, dem Stand und den Reichtümern dieses liebens-
würdigen Verführers so sehr eingenommen, daß er kei-
ne grosse Mühe hatte, sie zu bereden sich in seinen
Schuz zu begeben. Er brachte sie also in das Haus
der Aspasia, welches zn gleicher Zeit eine Academie
der schönsten Geister von Athen, und eine Frauenzim-
mer-Schule war, worinn junge Mädchen von den
vorzüglichsten Gaben, unter der Aufsicht einer so voll-
kommen Meisterin, eine Erziehung erhielten, welche sie
zu der Bestimmung geschikt machen sollte, die Grossen
und die Weisen der Republik in ihren Ruhestunden zu
ergözen. Danae machte sich diese Gelegenheit sowol
zu Nuze, daß sie die Gunst, und endlich selbst die Ver-
traulichkeit der Aspasia erhielt, welche, weit über die
Niederträchtigkeit gemeiner Seelen erhaben, sich mit so
vielem Vergnügen in dieser jungen Person wieder her-
vorgebracht sah, daß sie dadurch zu der Vermuthung An-
laß gab, deren wir bereits Erwähnung gethan haben. Jn-
zwischen genoß Alcibiades allein der Früchte einer Er-
ziehung, wodurch die natürlichen Gaben seiner jun-
gen Freundin zu einer Vollkommenheit entwikelt wur-
den, die ihr den Nahmen der zweyten Aspasia erwarb;

und
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Viertes Buch, drittes Capitel.
Bey einer ſolchen Gelegenheit trug es ſich zu, daß ſie
von dem jungen Alcibiades uͤberraſchet, und in der
Stellung der Danae des Acriſius, welche ſie eben vor-
ſtellte, allzureizend befunden wurde, als daß einem ge-
ringern als Alcibiades auch nur der Anblik ſo vieler
Schoͤnheiten erlaubt ſeyn ſollte. Auf der andern Seite
wurde die junge Danae von der Figur, den Manie-
ren, dem Stand und den Reichtuͤmern dieſes liebens-
wuͤrdigen Verfuͤhrers ſo ſehr eingenommen, daß er kei-
ne groſſe Muͤhe hatte, ſie zu bereden ſich in ſeinen
Schuz zu begeben. Er brachte ſie alſo in das Haus
der Aſpaſia, welches zn gleicher Zeit eine Academie
der ſchoͤnſten Geiſter von Athen, und eine Frauenzim-
mer-Schule war, worinn junge Maͤdchen von den
vorzuͤglichſten Gaben, unter der Aufſicht einer ſo voll-
kommen Meiſterin, eine Erziehung erhielten, welche ſie
zu der Beſtimmung geſchikt machen ſollte, die Groſſen
und die Weiſen der Republik in ihren Ruheſtunden zu
ergoͤzen. Danae machte ſich dieſe Gelegenheit ſowol
zu Nuze, daß ſie die Gunſt, und endlich ſelbſt die Ver-
traulichkeit der Aſpaſia erhielt, welche, weit uͤber die
Niedertraͤchtigkeit gemeiner Seelen erhaben, ſich mit ſo
vielem Vergnuͤgen in dieſer jungen Perſon wieder her-
vorgebracht ſah, daß ſie dadurch zu der Vermuthung An-
laß gab, deren wir bereits Erwaͤhnung gethan haben. Jn-
zwiſchen genoß Alcibiades allein der Fruͤchte einer Er-
ziehung, wodurch die natuͤrlichen Gaben ſeiner jun-
gen Freundin zu einer Vollkommenheit entwikelt wur-
den, die ihr den Nahmen der zweyten Aſpaſia erwarb;

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[147/0169] Viertes Buch, drittes Capitel. Bey einer ſolchen Gelegenheit trug es ſich zu, daß ſie von dem jungen Alcibiades uͤberraſchet, und in der Stellung der Danae des Acriſius, welche ſie eben vor- ſtellte, allzureizend befunden wurde, als daß einem ge- ringern als Alcibiades auch nur der Anblik ſo vieler Schoͤnheiten erlaubt ſeyn ſollte. Auf der andern Seite wurde die junge Danae von der Figur, den Manie- ren, dem Stand und den Reichtuͤmern dieſes liebens- wuͤrdigen Verfuͤhrers ſo ſehr eingenommen, daß er kei- ne groſſe Muͤhe hatte, ſie zu bereden ſich in ſeinen Schuz zu begeben. Er brachte ſie alſo in das Haus der Aſpaſia, welches zn gleicher Zeit eine Academie der ſchoͤnſten Geiſter von Athen, und eine Frauenzim- mer-Schule war, worinn junge Maͤdchen von den vorzuͤglichſten Gaben, unter der Aufſicht einer ſo voll- kommen Meiſterin, eine Erziehung erhielten, welche ſie zu der Beſtimmung geſchikt machen ſollte, die Groſſen und die Weiſen der Republik in ihren Ruheſtunden zu ergoͤzen. Danae machte ſich dieſe Gelegenheit ſowol zu Nuze, daß ſie die Gunſt, und endlich ſelbſt die Ver- traulichkeit der Aſpaſia erhielt, welche, weit uͤber die Niedertraͤchtigkeit gemeiner Seelen erhaben, ſich mit ſo vielem Vergnuͤgen in dieſer jungen Perſon wieder her- vorgebracht ſah, daß ſie dadurch zu der Vermuthung An- laß gab, deren wir bereits Erwaͤhnung gethan haben. Jn- zwiſchen genoß Alcibiades allein der Fruͤchte einer Er- ziehung, wodurch die natuͤrlichen Gaben ſeiner jun- gen Freundin zu einer Vollkommenheit entwikelt wur- den, die ihr den Nahmen der zweyten Aſpaſia erwarb; und K 2

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/169>, abgerufen am 28.03.2024.