Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
wahr ist, daß derjenige der Beste ist, der die
besten Eigenschaften mit den wenigsten Fehlern
hat,] denjenigen nenne, der unter allen nach
dem natürlichen Lauf Gebohrnen, in ähnlichen
Umständen, und alles zusammen genommen/ tu-
gendhafter gewesen wäre, als Agathon.

Es ist möglich, daß irgend ein junger Tau-
genichts, wenn er siehet, daß ein Agathon den
reizenden Verführungen der Liebe und einer Da-
nae endlich unterliegt, eben den Gebrauch davon
machen kann, welchen der junge Chärea beym
Terenz von einem Gemählde machte, welches ei-
ne von den Schelmereyen des Vater Jupiters
vorstellte, - - und daß er, wenn er mit herzli-
cher Freude gelesen haben wird, daß ein so vor-
treflicher Mann habe fallen können, zu sich selbst
sagen mag: Ego homuncio hoc non facerem?
ego vero illud faciam ac lubens.

Es ist eben so möglich, daß ein übelgesinnter
oder ruchloser Mensch, den Discurs des Sophi-

sten
* 5

Vorbericht.
wahr iſt, daß derjenige der Beſte iſt, der die
beſten Eigenſchaften mit den wenigſten Fehlern
hat,] denjenigen nenne, der unter allen nach
dem natuͤrlichen Lauf Gebohrnen, in aͤhnlichen
Umſtaͤnden, und alles zuſammen genommen/ tu-
gendhafter geweſen waͤre, als Agathon.

Es iſt moͤglich, daß irgend ein junger Tau-
genichts, wenn er ſiehet, daß ein Agathon den
reizenden Verfuͤhrungen der Liebe und einer Da-
nae endlich unterliegt, eben den Gebrauch davon
machen kann, welchen der junge Chaͤrea beym
Terenz von einem Gemaͤhlde machte, welches ei-
ne von den Schelmereyen des Vater Jupiters
vorſtellte, ‒ ‒ und daß er, wenn er mit herzli-
cher Freude geleſen haben wird, daß ein ſo vor-
treflicher Mann habe fallen koͤnnen, zu ſich ſelbſt
ſagen mag: Ego homuncio hoc non facerem?
ego vero illud faciam ac lubens.

Es iſt eben ſo moͤglich, daß ein uͤbelgeſinnter
oder ruchloſer Menſch, den Diſcurs des Sophi-

ſten
* 5
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface" n="1">
        <p><pb facs="#f0016"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorbericht.</hi></hi></fw><lb/>
wahr i&#x017F;t, daß derjenige der Be&#x017F;te i&#x017F;t, der die<lb/>
be&#x017F;ten Eigen&#x017F;chaften mit den wenig&#x017F;ten Fehlern<lb/>
hat,] denjenigen nenne, der unter allen nach<lb/>
dem natu&#x0364;rlichen Lauf Gebohrnen, in a&#x0364;hnlichen<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nden, und alles zu&#x017F;ammen genommen/ tu-<lb/>
gendhafter gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, als Agathon.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t mo&#x0364;glich, daß irgend ein junger Tau-<lb/>
genichts, wenn er &#x017F;iehet, daß ein Agathon den<lb/>
reizenden Verfu&#x0364;hrungen der Liebe und einer Da-<lb/>
nae endlich unterliegt, eben den Gebrauch davon<lb/>
machen kann, welchen der junge Cha&#x0364;rea beym<lb/>
Terenz von einem Gema&#x0364;hlde machte, welches ei-<lb/>
ne von den Schelmereyen des Vater Jupiters<lb/>
vor&#x017F;tellte, &#x2012; &#x2012; und daß er, wenn er mit herzli-<lb/>
cher Freude gele&#x017F;en haben wird, daß ein &#x017F;o vor-<lb/>
treflicher Mann habe fallen ko&#x0364;nnen, zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;agen mag: <hi rendition="#aq">Ego homuncio hoc non facerem?<lb/>
ego vero illud faciam ac lubens.</hi></p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t eben &#x017F;o mo&#x0364;glich, daß ein u&#x0364;belge&#x017F;innter<lb/>
oder ruchlo&#x017F;er Men&#x017F;ch, den Di&#x017F;curs des Sophi-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">* 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ten</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0016] Vorbericht. wahr iſt, daß derjenige der Beſte iſt, der die beſten Eigenſchaften mit den wenigſten Fehlern hat,] denjenigen nenne, der unter allen nach dem natuͤrlichen Lauf Gebohrnen, in aͤhnlichen Umſtaͤnden, und alles zuſammen genommen/ tu- gendhafter geweſen waͤre, als Agathon. Es iſt moͤglich, daß irgend ein junger Tau- genichts, wenn er ſiehet, daß ein Agathon den reizenden Verfuͤhrungen der Liebe und einer Da- nae endlich unterliegt, eben den Gebrauch davon machen kann, welchen der junge Chaͤrea beym Terenz von einem Gemaͤhlde machte, welches ei- ne von den Schelmereyen des Vater Jupiters vorſtellte, ‒ ‒ und daß er, wenn er mit herzli- cher Freude geleſen haben wird, daß ein ſo vor- treflicher Mann habe fallen koͤnnen, zu ſich ſelbſt ſagen mag: Ego homuncio hoc non facerem? ego vero illud faciam ac lubens. Es iſt eben ſo moͤglich, daß ein uͤbelgeſinnter oder ruchloſer Menſch, den Diſcurs des Sophi- ſten * 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/16
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/16>, abgerufen am 21.11.2024.