Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.Drittes Buch, drittes Capitel. tigung zu bewahren; daß, sage ich, jene dichtrische Le-bensart zu dieser sich eben so verhält, wie die Lebens- art des wildesten Sogdianers zu jener? Wenn es an- genehmer ist in einer bequemen Hütte zu wohnen als in einem holen Baum, so ist es noch angenehmer in ei- nem geraumigen Hause zu wohnen, das mit den aus- gesuchtesten und wollüstigsten Bequemlichkeiten versehen, und, wohin man die Augen wendet, mit Bildern des Vergnügens ausgeziert ist; und wenn eine mit Bändern und Blumen geschmükte Phyllis reizender ist als eine schmuzige und zottichte Wilde, muß nicht eine von un- sern Schönen, deren natürliche Reizungen durch einen wohlausgesonnenen und schimmernden Puz erhoben wer- den, um eben so viel besser gefallen als eine Phyllis? Drittes Capitel. Die Geisterlehre eines ächten Materialisten. Wir haben die Natur gefragt, Callias, worinn die erhab-
Drittes Buch, drittes Capitel. tigung zu bewahren; daß, ſage ich, jene dichtriſche Le-bensart zu dieſer ſich eben ſo verhaͤlt, wie die Lebens- art des wildeſten Sogdianers zu jener? Wenn es an- genehmer iſt in einer bequemen Huͤtte zu wohnen als in einem holen Baum, ſo iſt es noch angenehmer in ei- nem geraumigen Hauſe zu wohnen, das mit den aus- geſuchteſten und wolluͤſtigſten Bequemlichkeiten verſehen, und, wohin man die Augen wendet, mit Bildern des Vergnuͤgens ausgeziert iſt; und wenn eine mit Baͤndern und Blumen geſchmuͤkte Phyllis reizender iſt als eine ſchmuzige und zottichte Wilde, muß nicht eine von un- ſern Schoͤnen, deren natuͤrliche Reizungen durch einen wohlausgeſonnenen und ſchimmernden Puz erhoben wer- den, um eben ſo viel beſſer gefallen als eine Phyllis? Drittes Capitel. Die Geiſterlehre eines aͤchten Materialiſten. Wir haben die Natur gefragt, Callias, worinn die erhab-
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Drittes Buch, drittes Capitel.
tigung zu bewahren; daß, ſage ich, jene dichtriſche Le-
bensart zu dieſer ſich eben ſo verhaͤlt, wie die Lebens-
art des wildeſten Sogdianers zu jener? Wenn es an-
genehmer iſt in einer bequemen Huͤtte zu wohnen als
in einem holen Baum, ſo iſt es noch angenehmer in ei-
nem geraumigen Hauſe zu wohnen, das mit den aus-
geſuchteſten und wolluͤſtigſten Bequemlichkeiten verſehen,
und, wohin man die Augen wendet, mit Bildern des
Vergnuͤgens ausgeziert iſt; und wenn eine mit Baͤndern
und Blumen geſchmuͤkte Phyllis reizender iſt als eine
ſchmuzige und zottichte Wilde, muß nicht eine von un-
ſern Schoͤnen, deren natuͤrliche Reizungen durch einen
wohlausgeſonnenen und ſchimmernden Puz erhoben wer-
den, um eben ſo viel beſſer gefallen als eine Phyllis?
Drittes Capitel.
Die Geiſterlehre eines aͤchten
Materialiſten.
Wir haben die Natur gefragt, Callias, worinn die
Gluͤkſeligkeit beſtehe, die ſie uns zugedacht habe, und
wir haben ihre Antwort. Ein ſchmerzenfreyes Leben, die
angenehmſte Befriedigung unſrer natuͤrlichen Beduͤrfniſſe,
und der abwechslende Genuß aller Arten von Vergnuͤgen,
womit die Einbildungskraft, der Wiz und die Kuͤnſte un-
ſern Sinnen zu ſchmeicheln faͤhig ſind. ‒‒ Dieſes iſt
alles was der Menſch fodern kann, nnd wenn es eine
erhab-
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