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Wiegmann, Rudolf: Grundzüge der Lehre von der Perspektive. Düsseldorf, 1846.

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Bestimmung
der Grösse des Mondes und der Sonne.

Wenn der Mond oder die Sonne im Bilde erscheint,
so ist der Maler nicht selten in Verlegenheit rücksichtlich der
Grösse, die er dem Gestirn geben soll. Dass diese Grösse
nicht ganz willkürlich ist, fühlt er sehr wohl; desshalb wird
er durch Abnehmen oder Zusetzen seinem Gefühle zu genügen
suchen. Dass dabei aber meistens ein sehr unrichtiges Resultat
erscheinen muss, bedarf keines weitern Nachweises.

Um eine sichere und einfache Regel zur richtigen Grössen-
angabe des Mondes oder der Sonne zu gewinnen, müssen wir
uns der Eigenschaft ähnlicher Dreiecke erinnern: dass die
gleichnamigen Seiten unter einander in demselben Verhältniss
der Länge stehen. Daraus folgt nun für eine perspektivische
Zeichnung -- (welche so weit vom Auge entfernt gedacht wer-
den muss, als die Distanz beträgt) -- dass der Durchmesser
des Mondes auf der Zeichnung in demselben Verhältniss zu der
Hauptdistanz stehen muss, in welchem der Durchmesser des
wirklichen Mondes zu dessen Entfernung von der Erde steht.
Oder: dass der Durchmesser des Mondes auf der Zeichnung
zum Durchmesser des wirklichen Mondes in demselben Ver-
hältniss steht, welches zwischen der Hauptdistanz und der
Mondweite von der Erde obwaltet.

Da nun die Entfernung des Mondes von der Erde 80,000
Meilen, dessen Durchmesser aber 782 Meilen beträgt, so
wird sein Durchmesser immer ungefähr der Distanz sein
müssen.

Da die Sonne 34,000,000 Meilen von der Erde entfernt
ist, ihr Durchmesser aber 320,000 Meilen misst, so ist der
Bruch, welcher das Verhältniss des Durchmessers zur Distanz
ausdrückt (), noch etwas kleiner, als der für den Mond
gefundene.

Daraus ergiebt sich nun die Regel, dass der Durchmesser
des Mondes oder der Sonne auf einer Zeichnung immer unge-



Bestimmung
der Grösse des Mondes und der Sonne.

Wenn der Mond oder die Sonne im Bilde erscheint,
so ist der Maler nicht selten in Verlegenheit rücksichtlich der
Grösse, die er dem Gestirn geben soll. Dass diese Grösse
nicht ganz willkürlich ist, fühlt er sehr wohl; desshalb wird
er durch Abnehmen oder Zusetzen seinem Gefühle zu genügen
suchen. Dass dabei aber meistens ein sehr unrichtiges Resultat
erscheinen muss, bedarf keines weitern Nachweises.

Um eine sichere und einfache Regel zur richtigen Grössen-
angabe des Mondes oder der Sonne zu gewinnen, müssen wir
uns der Eigenschaft ähnlicher Dreiecke erinnern: dass die
gleichnamigen Seiten unter einander in demselben Verhältniss
der Länge stehen. Daraus folgt nun für eine perspektivische
Zeichnung — (welche so weit vom Auge entfernt gedacht wer-
den muss, als die Distanz beträgt) — dass der Durchmesser
des Mondes auf der Zeichnung in demselben Verhältniss zu der
Hauptdistanz stehen muss, in welchem der Durchmesser des
wirklichen Mondes zu dessen Entfernung von der Erde steht.
Oder: dass der Durchmesser des Mondes auf der Zeichnung
zum Durchmesser des wirklichen Mondes in demselben Ver-
hältniss steht, welches zwischen der Hauptdistanz und der
Mondweite von der Erde obwaltet.

Da nun die Entfernung des Mondes von der Erde 80,000
Meilen, dessen Durchmesser aber 782 Meilen beträgt, so
wird sein Durchmesser immer ungefähr der Distanz sein
müssen.

Da die Sonne 34,000,000 Meilen von der Erde entfernt
ist, ihr Durchmesser aber 320,000 Meilen misst, so ist der
Bruch, welcher das Verhältniss des Durchmessers zur Distanz
ausdrückt (), noch etwas kleiner, als der für den Mond
gefundene.

Daraus ergiebt sich nun die Regel, dass der Durchmesser
des Mondes oder der Sonne auf einer Zeichnung immer unge-

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[53/0057] Bestimmung der Grösse des Mondes und der Sonne. Wenn der Mond oder die Sonne im Bilde erscheint, so ist der Maler nicht selten in Verlegenheit rücksichtlich der Grösse, die er dem Gestirn geben soll. Dass diese Grösse nicht ganz willkürlich ist, fühlt er sehr wohl; desshalb wird er durch Abnehmen oder Zusetzen seinem Gefühle zu genügen suchen. Dass dabei aber meistens ein sehr unrichtiges Resultat erscheinen muss, bedarf keines weitern Nachweises. Um eine sichere und einfache Regel zur richtigen Grössen- angabe des Mondes oder der Sonne zu gewinnen, müssen wir uns der Eigenschaft ähnlicher Dreiecke erinnern: dass die gleichnamigen Seiten unter einander in demselben Verhältniss der Länge stehen. Daraus folgt nun für eine perspektivische Zeichnung — (welche so weit vom Auge entfernt gedacht wer- den muss, als die Distanz beträgt) — dass der Durchmesser des Mondes auf der Zeichnung in demselben Verhältniss zu der Hauptdistanz stehen muss, in welchem der Durchmesser des wirklichen Mondes zu dessen Entfernung von der Erde steht. Oder: dass der Durchmesser des Mondes auf der Zeichnung zum Durchmesser des wirklichen Mondes in demselben Ver- hältniss steht, welches zwischen der Hauptdistanz und der Mondweite von der Erde obwaltet. Da nun die Entfernung des Mondes von der Erde 80,000 Meilen, dessen Durchmesser aber 782 Meilen beträgt, so wird sein Durchmesser immer ungefähr [FORMEL] der Distanz sein müssen. Da die Sonne 34,000,000 Meilen von der Erde entfernt ist, ihr Durchmesser aber 320,000 Meilen misst, so ist der Bruch, welcher das Verhältniss des Durchmessers zur Distanz ausdrückt ([FORMEL]), noch etwas kleiner, als der für den Mond gefundene. Daraus ergiebt sich nun die Regel, dass der Durchmesser des Mondes oder der Sonne auf einer Zeichnung immer unge-

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Zitationshilfe: Wiegmann, Rudolf: Grundzüge der Lehre von der Perspektive. Düsseldorf, 1846, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wiegmann_perspektive_1846/57>, abgerufen am 05.05.2024.