Begriff der Perspektive.
Die Perspektive giebt die Anleitung auf einer Tafel, deren
Gestalt und Lage bekannt, Gegenstände von beliebiger Form
und in jeder geforderten Stellung und Beleuchtung so ab-
zubilden, wie sie dem an einem bestimmten Orte befind-
lichen Auge erscheinen würden.
Denkt man sich zwischen dem Auge und dem nachzu-
bildenden Gegenstande eine durchsichtige Glastafel aufge-
stellt, so erscheint auf dieser ein Bild, wie es auf einer
undurchsichtigen Tafel, welche an die Stelle der Glastafel
gedacht wird, nach den Regeln der Perspektive gezeichnet
werden soll. Demnach wird jede von dem Auge nach einem
Gegenstande gedachte gerade Linie durch denjenigen Punkt
des perspektivischen Bildes gehen, welcher dem getroffenen
Punkte des Gegenstandes entspricht.
Alle vermittelst des Gesichtssinns wahrgenommenen Bil-
der von äusseren Gegenständen — selbst das unendlich feine
Abbild, welches sich von denselben auf der Netzhaut des
Auges erzeugt — entstehen nach den Gesetzen der Per-
spektive. Deshalb ist diese Wissenschaft ganz besonders
wichtig, ja unerlässlich für den Maler, dessen Kunst ja
eben in der richtigen Darstellung natürlicher Gegenstände
das einzige Mittel zur Mittheilung und Veranschaulichung
ihrer Schöpfungen besitzt. Ein dem Künstler inwohnendes
Gefühl für Perspektive oder die durch vieles Zeichnen nach
der Natur erlangte Uebung führen nur zu annäherungsweise
richtigen Resultaten, an denen im günstigsten Falle nur der
Laie keinen Anstoss nimmt, vermögen aber niemals die
sichern Konstruktionen nach mathematisch begründeten Regeln
zu ersetzen.
Die Tafel, welche das perspektivische Bild aufnehmen
soll, kann nun jede beliebige Form, als: eine auswärts oder
einwärts, kugel-, kegel- oder walzenförmig gebogene Fläche,
eben so jede beliebige Neigung gegen den Beschauer haben,
und es wird sich dennoch das Bild eines Gegenstandes so
darauf darstellen lassen, wie dieser dem an einem gewissen
Punkte befindlichen Auge erscheint. Wir wollen uns aber
im Folgenden an den in der Malerei gewöhnlichen Fall
halten, dass diese Tafel eine ebene Fläche, und zwar in
senkrechter Stellung vor dem Auge, sei.
Aus der doppelten Anforderung, welche an abgebildete
Gegenstände zu stellen ist, nämlich, dass sie in ihren Um-
rissen, der Gestalt und Grösse nach richtig gezeichnet
seien, und auch dass die Beleuchtung (Schattirung) der-
selben den in der jedesmaligen Aufgabe enthaltenen Be-
dingungen entspreche, ergiebt sich die Eintheilung der
Perspektive in zwei besonders abzuhandelnde Theile, die
Linear-Perspektive und die Schatten-Perspektive.
Erster Theil.
Die Linear-Perspektive.
Zur Vermeidung möglicher Undeutlichkeiten in den öfter
wiederkehrenden Kunstausdrücken mögen die Erklärungen der-
selben hier vorab Platz finden:
Augenstrahl, Gesichtsstrahl, nennt man die gerade Linie
zwischen dem Auge und einem Punkte des darzustellenden Ge-
genstandes.
Sehwinkel heisst der Winkel, welcher durch zwei Augen-
strahlen im Auge gebildet wird.
Augenpunkt oder Gesichtspunkt heisst der Ort, in welchem
sich das Auge befindet.
Hauptstrahl wird diejenige gerade Linie genannt, welche
vom Auge auf die Tafel senkrecht trifft.
Der Hauptpunkt (von Vielen unrichtig Augenpunkt genannt)
ist der Punkt, in welchem der Hauptstrahl die Tafel trifft.
Die Tafel, Projektionsebene, ist die begränzte Fläche,
auf welcher das Bild dargestellt werden soll. Diese nach allen
Seiten in’s Unendliche ausgedehnt gedachte Fläche heisst die
Ebene des Bildes (Bildebene).
Hauptdistanz oder Abstand des Auges heisst die Entfer-
nung, welche der Hauptstrahl zwischen dem Auge des Beschauers
und der Tafel bezeichnet.
Der Horizont ist die wagerechte Linie, welche durch den
Hauptpunkt geht.
Die Hauptlothrechte der Tafel ist die senkrechte Linie,
welche durch den Hauptpunkt geht, also den Horizont recht-
winklicht durchschneidet.
Distanzpunkte nennt man die auf dem Horizonte oder auf
der Hauptlothrechten in einer der Hauptdistanz gleichen Entfer-
nung von dem Hauptpunkte aufgetragenen Punkte.
Der verschwindende Grund heisst die Ebene, welche sich
von der Basis der Tafel bis zum Horizonte in unendlicher
Weite horizontal erstreckt und auf welcher die Gegenstände
sich befinden.
Verschwindungslinien heissen solche Linien, in welchen
parallel laufende Ebenen sich zu vereinigen scheinen. Der Ho-
rizont ist z. B. die Verschwindungslinie aller horizontalen Ebenen.
Verschwindungspunkte sind solche Punkte in den Verschwin-
dungslinien, in welchen verschwindende Linien, die unter sich
parallel sind, sich vereinigen. Der Hauptpunkt ist z. B. der
Verschwindungspunkt für alle auf der Tafel senkrecht stehen-
den Linien; die Distanzpunkte im Horizont sind die Verschwin-
dungspunkte für alle horizontalen Linien, welche unter einem
halben rechten Winkel gegen die Tafel geneigt sind.
Hauptpunkt und Distanzpunkte ausgenommen heissen alle
andern möglicherweise vorkommenden Verschwindungspunkte
Accidentalpunkte oder zufällige Verschwindungspunkte.
Linien oder Ebenen in gerader Ansicht, Frontallinien oder
Fronlalebenen heissen alle diejenigen, welche parallel mit der
Tafel sind. Alle anderen heissen verschwindende Linien oder
Ebenen.
Tiefe heisst die Ausdehnung einer verschwindenden Ebene
in der Richtung vom Auge gegen den Horizont.
Abstufung nennt man das stufenweise Abnehmen der Grösse
der Gegenstände bei zunehmender Entfernung vom Auge.
Ein gerader oder Frontal-Maassstab ist eine mit der Tafel
parallele gerade Linie, welche in gleiche Theile getheilt ist.
Ein perspectivischer Maassstab ist eine auf dem ver-
schwindenden Grunde gegen den Horizont gezogene gerade
Linie, welche in perspektivisch abnehmende Theile, die aber
geometrisch gleiche vorstellen, eingetheilt ist.
Erfahrungssätze.
Alle Gegenstände scheinen in dem Maasse an Grösse zu
verlieren, in welchem sie sich weiter von uns entfernen.
Jeder Gegenstand ist nur auf eine gewisse Entfernung
sichtbar, über welche hinaus er dem Gesichtssinn verschwindet.
Ein Gegenstand verschwindet in grösserer oder geringerer
Entfernung, je nachdem er selbst grösser oder kleiner ist.
Parallellinien weithin verlängert, scheinen sich einander zu
nähern und an ihrem Ende in einen Punkt zu vereinigen, z. B.
Alleen, Strassen u. dgl.
Eine horizontale Ebene in der Höhe des Auges erscheint
als eine wagerechte gerade Linie. Eine solche Ebene unterhalb
des Auges scheint sich nach dem Horizont hin zu heben, z. B.
das Meer. Eine horizontale Ebene oberhalb des Auges scheint
mit dem entfernteren Ende dagegen sich zu senken, z. B. die
Decke eines Zimmers.
Alle diese Erscheinungen erklären sich aus der oben er-
wähnten Abnahme der Grössen sowohl der Gegenstände als
auch der Zwischenräume, die sie trennen, bei zunehmender
Entfernung vom Auge.
Eine in gleiche Theile getheilte gerade Linie, frontal gese-
hen, zeigt immer gleiche Theile, wie klein diese durch die Ent-
fernung auch werden. Eine solche verschwindende Linie wird
dem Auge scheinbar ungleiche Theile zeigen, und zwar so, dass
die entfernteren die kleineren, die näheren die grösseren sind.
Parallellinien, frontal gesehen, erscheinen auch perspekti-
visch parallel.
Die perspektivische Zeichnung einer mit der Tafel paral-
lelen ebenen Figur ist dem Original ähnlich, z. B. ein frontal
gesehenes Quadrat bleibt auch perspektivisch ein Quadrat, wel-
ches jedoch nach Maassgabe der Entfernung mehr oder weniger
verkleinert erscheint.
Sind solche Figuren nicht mit der Tafel parallel, so wird
die perspektivische Zeichnung dieselben mehr oder weniger ver-
schoben darstellen.
Augenpunkt und Hauptpunkt.
Auf einem Bilde lässt sich ein Gegenstand nur aus einem
einzigen Gesichtspunkte und in einer einzigen Lage darstellen.
Um eine Ansicht in der Natur oder ein Gemälde zu be-
trachten, stellt man sich unwillkürlich mitten davor, d. h. so,
dass der Hauptstrahl senkrecht auf die Mitte des Horizonts
trifft. Man wählt eine solche Entfernung, dass man mit Leich-
tigkeit und ohne den Kopf wenden zu müssen, das Bild über-
sehen kann.
Daher muss Alles, was auf einer Tafel dargestellt werden
soll, sich einem einzigen Gesichtspunkte unterordnen. Der
Hauptpunkt muss in die Mitte des Horizonts gesetzt werden.
Die Hauptdistanz.
Diese ist in der Regel willkürlich, und nur in den Fäl-
len gegeben, da ein Bild von einem bestimmten Orte aus gese-
hen werden soll, z. B. bei Dioramen u. dgl. Es ist rathsam,
die Hauptdistanz eher zu gross, als zu klein anzunehmen, da
ein Bild, dem eine grosse Distanz zum Grunde liegt, in der
Nähe nicht so entstellt und verzogen erscheint, wie eins mit
einer kleinen Distanz aus grösserer Entfernung. Das kleinste
Maass der Hauptdistanz sei die Diagonale des Bildes; die beste
aber ist die Länge und Höhe des Bildes zusammengenommen.
Der Maler bestimmt sehr selten die Distanz direkt, son-
dern er giebt den Halbirungslinien oder den Schenkeln eines
rechten Winkels ihre Neigung nach dem Augenmaass. Dadurch
ist dann indirekt die Hauptdistanz bestimmt, indem der so an-
gegebene Winkel nur für eine bestimmte Distanz ein rechter
ist. Soll dann noch ein anderer rechtwinklichter Gegenstand auf
demselben Bilde dargestellt werden, so ist es erforderlich, zu-
vor aus dem nach dem Augenmaass gezeichneten rechten Winkel
(oder dessen Hälfte) die diesem entsprechende Distanz zu
suchen und sie dem andern zum Grunde zu legen.
Im Folgenden werden wir ein sehr einfaches Verfahren
zur Auffindung der Distanz in jeder freien Zeichnung ken-
nen lernen.
Der Horizont
ist in jedem Bilde diejenige Linie, welche zuerst zu bestim-
men ist. Sie giebt allen darzustellenden Linien und Körpern
erst eine bestimmte Lage. In ihr verschwinden alle horizon-
talen Linien und Ebenen, begrenzen sich Meer und Himmel.
Da der Hauptpunkt in der Mitte des Horizonts liegt und
der Hauptstrahl vom Augenpunkt senkrecht auf die Tafel in den
Hauptpunkt geht, so folgt, dass der Augenpunkt in derselben
Höhe mit dem Horizont liegt.
Für Bilder, welche hoch gehängt werden sollen, wird also
ein niedriger Horizont zu wählen sein; ja manchmal ist es
nöthig, den Horizont ganz unterhalb des Bildes fallen zu las-
sen. Bei tief hängenden Bildern ist dagegen ein hoher Hori-
zont anzunehmen.
Linear-Abstufungen der Höhen und Breiten.
Alle Höhen und Breiten in der Frontalansicht bleiben un-
verändert, wenn sie dieselbe Tiefe, d. h. denselben Abstand vom
Auge behalten und bei unveränderter Entfernung von der Basis
der Tafel oder dem Horizont auf derselben Ebene bleiben. Ein
blosses seitwärts Weiterrücken in der Horizontalen bleibt ohne
Einwirkung auf ihre Grösse. Steigen gewisse Höhen und Breiten
der Frontalansicht in eine andere Ebene hinauf oder hinab,
so kommen sie nur so viel höher oder tiefer zu stehen, als der
Abstand dieser Ebenen vom Grunde beträgt. Fig. I. a.
Aufgabe 1.
Es soll zu der verschwindenden Linie AB,
deren Verschwindungspunkt in P ist, auf derselben horizonta-
len Ebene durch E eine Parallele gezogen werden. Fig. I. b.
Auflösung. Man ziehe von E eine Linie nach dem Ver-
schwindungspunkte P der gegebenen Linie AB.
Folgerung. Da AB parallel mit EP ist, so sind auch
alle zwischen beiden denkbaren horizontalen Linien (CB, ik,
mn und EA) von gleicher Länge.
Aufgabe 2.
Es soll in der Vertikalebene durch F eine
Parallele mit AB gezogen werden.
Auflösung. Man ziehe die Linie FP.
Folgerung. Da FG parallel mit AB, so sind alle zwi-
schen beiden möglichen senkrechten Linien von gleicher Länge,
z. B, AF = no = ke = BG.
Aufgabe 3.
Fig. II. Eine bestimmte Höhe, z. B. die einer
menschlichen Figur, sei in AB gegeben, man soll in C eine
gleiche angeben.
Auflösung. Man ziehe die Horizontale CK, von K die
Verticale KL und von L wieder eine Horizontale Lc bis zum
Durchschnitt der von A in einen beliebigen Verschwindungs-
punkt N im Horizont gezogenen Linie AN. Dann ziehe man
auch von B eine Linie BN in denselben Verschwindungspunkt,
errichte in c eine Senkrechte ce, so wird diese mit AB gleiche
Höhe haben. Die Höhe ce giebt das Maass der Figur CE.
Aufgabe 4.
Es soll in H eine Figur von gleicher Grösse
mit AB gezeichnet werden.
Auflösung. Man ziehe von H die Horizontale Hh bis zu
der verschwindenden Linie AN. In h errichte man die Senk-
rechte hi, so ist die zwischen den Parallelen AN und BN
enthaltene Höhe hi die gesuchte Grösse der Figur HI, denn
iI ist parallel mit hH, ebenso iB mit hA, also müssen alle
zwischen denselben gezogenen Senkrechten von gleicher
Länge sein.
Aufgabe 5.
Es soll die Grösse einer auf einer über
dem Horizont befindlichen Ebene in F stehenden Figur gesucht
werden.
Auflösung. Man ziehe die Horizontale Ff, die Senkrechte
fm und dann wieder die Horizontale mf′, so wird die zwi-
schen den Parallelen AN und BN enthaltene Senkrechte f′g′
das gesuchte Maass der Figur in F sein.
Folgerung. Da jede im Horizonte verschwindende Linie
auch parallel mit demselben ist, so behält jede Grösse, wel-
chen Ort sie auf der verschwindenden Ebene auch einnehmen
mag, immer dasselbe Verhältniss zu dem senkrechten Abstande
des Horizonts von ihrem Fusspunkte. Befindet sich demnach
1) eine Figur mit ihrem Scheitel gerade in der Höhe des
Horizonts, so wird dieses auch bei allen anderen gleich gros-
sen stattfinden, die auf derselben Ebene stehen. Fig. II. x.
2) Bleibt eine Figur um einen gewissen Theil ihrer Grösse
unter dem Horizonte, Fig. II. y.
3) ragt sie um einen bestimmten Theil derselben über den
Horizont hinaus, so findet das Eine wie das Andere bei allen
übrigen gleich grossen Figuren auf derselben Ebene statt, die-
selben mögen auf dem verschwindenden Grunde stehen, wo es
auch sei. Fig. II. z.
Bei y bleiben die Scheitel aller Figuren ⅓ des Abstandes
ihrer Fusspunkte vom Horizonte entfernt.
Bei z ragen alle Figuren ¼ ihrer Grösse über den Hori-
zont hinaus.
Unzugängliche Verschwindungspunkte.
Das vorhin angewendete Verfahren, Parallelen zu einer
gegebenen Linie zu ziehen, war sehr einfach, da der Verschwin-
dungspunkt noch innerhalb der Tafel lag. Befindet sich ein
solcher aber ausserhalb der Tafel, was nicht allein sehr oft
vorkommen kann, sondern bei der von uns angenommenen
Hauptdistanz bei weitem am häufigsten vorkommen muss, dann
wird das Verfahren, Parallelen zu ziehen, etwas umständlicher.
Es ist dann erforderlich, den eigentlichen ausserhalb der Tafel
liegenden Verschwindungspunkt durch einen innerhalb derselben
liegenden zu ersetzen. Dieses Verfahren gründet sich auf die
Eigenschaft ähnlicher Dreiecke, dass, wenn solche eine gleich-
namige Seite parallel haben, auch die beiden andern parallel
sind, und ferner: dass alle gleichnamigen Seiten zu einander
in einem und demselben Verhältniss der Länge stehen, so dass,
wenn z. B. die Eine die halbe Länge der gleichnamigen im
andern Dreieck hat, dieses bei den übrigen ebenso der Fall
ist. Aus diesem Grunde suchen wir uns ein ganz innerhalb
der Tafel fallendes kleines Dreieck zu verschaffen, welches dem
grossen, dessen einer Winkel ausserhalb der Tafel liegt, ähnlich
ist. Alle daran vorkommenden Winkel und Grössenverhält-
nisse der Seiten werden dann auch den gleichnamigen Win-
keln und Grössenverhältnissen der gleichnamigen Seiten des
grossen undarstellbaren Dreiecks gleich sein. Das Verfahren
selbst soll durch folgende Aufgaben erläutert werden:
Aufgabe 6.
Es soll der rechtwinklichte Körper GHBAE
richtig gezeichnet werden. Die Oberkanten AB und AE sind
als richtig und gegeben zu betrachten, eben so die senkrechte
Kante AG. Es soll nun durch C eine Parallele zu AB gezo-
gen werden.
Auflösung. Da der Verschwindungspunkt von AB augen-
scheinlich ausserhalb der Tafel liegt, so muss er ersetzt wer-
den. Dieses geschieht auf folgende Weise:
Man verbinde A mit dem Hauptpunkte P, bestimme in
AP beliebig einen Punkt a, der jedoch so liegen muss, dass
eine durch denselben gezogene Parallele mit AB den Horizont
noch innerhalb der Tafel — etwa in f trifft. Dann ziehe man
von C nach P und von a eine Senkrechte ag. Wo diese die
Linie CP schneidet, ist der Punkt c, von welchem eine gerade
Linie nach f gezogen, die Richtung der gesuchten Parallele CI
giebt. Man ziehe nur durch C eine geometrische Parallele mit
cf, und CI ist perspektivisch parallel mit AB.
Dasselbe Verfahren findet statt, wenn durch C eine Paral-
lele mit AE gezogen werden soll. Ebenso, wenn durch G
Parallelen mit AB und AE gefordert werden, nur mit dem
Unterschiede, dass hier die kleinen Hülfsdreiecke unterhalb des
Horizonts zu konstruiren sind.
Folgerung. Da AC von AG der ebensovielste Theil ist,
als BI von BH, so lassen sich für den Fall, dass AE eine
gewisse Anzahl Male genau in AG enthalten sein und dass ein
Theilpunkt in den Horizont fallen sollte, auch auf folgende
Weise Parallelen zeichnen. Fig. III.
KL und KN sind gegeben. Man theile KL in die ver-
langte Anzahl gleicher Theile, doch so, dass ein Theilpunkt in
den Horizont fällt. Da nun zwischen K und dem Horizont
drei Theile enthalten sind, so theile man auch die Senkrechte
zwischen N und dem Horizonte in drei gleiche Theile und trage
einen solchen so oft auf der unbestimmt langen Linie NM
herunter, als Theile in der Linie KL enthalten sind. Verbindet
man dann die entsprechenden Theilpunkte 1 und 1′, 2 und 2′
u. s. w., so werden alle diese Verbindungslinien untereinander
und mit NK parallel sein. Auf diese Weise ergiebt sich auch
die Länge der Linie NM.
Linear-Abstufung der Tiefen.
Es wird oft erfordert, eine verschwindende Linie in eine
vorgeschriebene Anzahl gleicher oder nach einem bestimmten
Verhältniss ungleicher Theile zu theilen, um eine Reihe Säu-
len, Fenster oder dergl. darzustellen. Zu diesem Zweck kön-
nen verschiedene Verfahrungsweisen führen. Es sollen hier
einige mitgetheilt werden, unter denen die dem besondern Falle
vorzugsweise angemessene auszuwählen ist.
Aufgabe 7.
Fig. IV.
Das Parallelogramm ABEC soll durch eine Senkrechte in
zwei gleiche Theile getheilt werden.
Auflösung. Man ziehe die Diagonalen AE und BC und
durch deren gemeinschaftlichen Durchschnittspunkt die Linie
gh, so ist dieses die verlangte Theilungslinie.
Folgerung. Wenn gefordert würde, an ein gegebenes Pa-
rallelogramm LIKM ein gleiches NLMO anzusetzen, so
könnte man das Erstere als die Hälfte des noch unbekannten
Parallelogramms NIKO betrachten, dessen Diagonale IO durch
die Mitte m von LM ginge, welche letztere desshalb das grosse
Viereck in zwei gleiche Theile theilte. Man wird also das
gewünschte gleiche Parallelogramm erhalten, wenn man durch
die Mitte von LM die Linie Im zieht, und diese bis zum
Durchschnitt der verschwindenden Linie KP verlängert. Durch
diesen Durchschnittspunkt O ziehe man die Parallele ON.
Sollen noch mehrere solcher gleichen Purallelogramme auf
der verschwindenden Ebene IPK an einander gezeichnet wer-
den, so ziehe man durch die Mitte m von LM nach dem Ver-
schwindungspunkte der Ebene P, welche Linie durch die Mitten
aller zu zeichnenden Parallelogramme gehen wird. Mit Be-
nutzung dieser Mitten verfahre man, wie vorhin, und sehe jede
zuletzt erhaltene Figur für die gegebene an.
Aufgabe 8.
Das Rechteck RSTQ ist gegeben; es wird
gefordert, dass in derselben Ebene ein jenem gleiches Rechteck
gezeichnet werde, welches indess von dem erstern durch den
gegebenen Zwischenraum UT getrennt ist. Fig. IV.
Auflösung. Man verlängere die verschwindenden Seiten
QU und RS bis in deren Verschwindungspunkt P, errichte
in U die Senkrechte UV, ziehe die Diagonalen des Trennungs-
rechtecks TUVS und ziehe durch deren gemeinschaftlichen
Durchschnittspunkt die Linie RX. Errichtet man nun in X
die Senkrechte XW, so ist UVWX das geforderte Rechteck.
Anmerkung. Alle auf Fig. IV. erläuterten Konstruktionen
können sowohl in der vertikalen als in der horizontalen Ebene
vollzogen werden.
Aufgabe 9.
Die verschwindende Linie AB in zwei
gleiche Theile zu theilen. Fig. V.
Auflösung. Man ziehe durch A eine Horizontale, trage
auf dieser von A aus zwei gleiche, willkürlich grosse Längen
AD und DC auf, ziehe von C durch B eine gerade Linie
CH bis in den Horizont und eine andere von D in den Ver-
schwindungspunkt H der erstern, so wird diese in G durch
die Mitte von AB gehen.
Aufgabe 10.
Die Linie IM soll in sieben gleiche
Theile getheilt werden.
Auflösung. Man verlängere die Senkrechte LM bis N in
der durch I gezogenen Horizontalen IN; theile diese letztere in
sieben (geometr.) gleiche Theile und ziehe von jedem Theilpunkte
nach O, dem Verschwindungspunkte der Linie NM. Diese Linien
werden die Gegebene IM in die geforderten sieben perspekti-
visch gleiche Theile theilen.
Aufgabe 11.
Die Linie AB in fünf gleiche Theile
zu theilen. Fig. VI.
(Geeignet für einen niedrigen Horizont.).
Auflösung. Man ziehe von B die Horizontale BF,
theile diese in die geforderte Anzahl geometrisch gleicher Theile
und ziehe von E aus gerade Linien durch die Theilpunkte,
welche verlängert die verlangte Theilung auf AB geben.
2
Aufgabe 12.
Die Linie GH in sechs gleiche Theile
zu theilen, Fig. VI.
Auflösung. Man ziehe die Diagonale IH; theile GI
in die geforderten sechs geometrisch gleiche Theile, und ziehe
von jedem dieser Theilpunkte in den Verschwindungspunkt P
der Linie GH. In den Durchschnittspunkten dieser Linien mit
der Diagonale IH errichte man Senkrechte, welche GH treffen,
so werden dieselben die letztere in der gewünschten Weise
theilen.
Perspektivischer Maassstab
von Gérard Desargues.
Für manche Aufgaben ist es wünschenswerth, den ver-
schwindenden Grund in Streifen von gleicher Tiefe (nach Er-
fordern auch in gleiche Quadrate) zu theilen. Das einfachste
Verfahren, bei der Annahme, dass die Hauptdistanz gleich der
doppelten Länge der Tafel ist, ist folgendes: Fig. VII.
Man theile die Höhe von der Basis der Tafel bis zum
Horizont durch eine Horizontale in zwei gleiche Theile: dann
ist die Tiefe des vordern gleich der Distanz. Theilt man
dieselbe Höhe zwischen der Basis der Tafel und dem Horizont
in drei gleiche Theile, und zieht durch den obern Theilpunkt
eine Horizontale, so bezeichnet diese, von der Basis ab gerech-
net, eine Tiefe, die der zweifachen Distanz gleich ist. Durch
die Theilung derselben Höhe in vier gleiche Theile, erhält man
durch den obern Theilpunkt eine Tiefe, welche der dreifachen
Distanz gleich ist, u. s. w.
Die Probe lässt sich nach Anleitung der Fig. IV machen.
Verfahren
rechte Winkel in horizontaler Ebene perspektivisch
zu zeichnen und zu halbiren.
Bei weitem die meisten Gegenstände, welche auf Gemälden
vorkommen und die genaue Anwendung der Perspektive erheischen,
sind rechtwinklichte, z. B. Gebäude und deren Theile, Posta-
mente, Treppen, Parkettirungen, Tische u. s. w. Die Zeich-
nung des rechten Winkels wird daher eine häufig vorkommende
Aufgabe sein.
Wir wissen aus Erfahrung, dass ein horizontal liegender
rechter Winkel, z. B. das Kranzgesimse eines Gebäudes, je
nach unserm Standpunkte vor demselben, sich mehr oder weni-
ger stumpf zeigt, und dass die Schenkel desselben mehr oder
weniger geneigt und verkürzt erscheinen, je nachdem wir uns
demselben näher oder ferner stellen oder uns links oder rechts
bewegen. Um nun sowohl rechte Winkel in jeder verlangten
Lage in der horizontalen Ebene für eine bestimmte Distanz zu
zeichnen, als auch um für jeden willkürlich gezeichneten rechten
Winkel diejenige Distanz auffinden zu können, für welche er
ein rechter ist, müssen wir folgende drei Fälle hinsichtlich
seiner Lage zur Tafel unterscheiden und besonders betrachten:
Erster Fall.
Ein rechtwinklichter Gegenstand liegt in gerader Ansicht
oder frontal.
Alsdann ist der eine Schenkel des rechten Winkels parallel
mit dem Horizont und der andre geht nach dem Hauptpunkt.
Es wird also die eine Seite des Gegenstandes parallel mit der
Tafel und die andere senkrecht darauf sein.
Befindet sich ein Quadrat in dieser Lage, so geht dessen
eine Diagonale nach dem einen, und die andere nach dem an-
dern Distanzpunkte.
Folgerung. Vermittelst der Diagonalen kann man dem
einen Schenkel des rechten Winkels genau die Länge des an-
dern geben.
Zweiter Fall.
Ein rechtwinklichter Körper wird übereck gesehen und die
beiden Seiten desselben sind unter einem halben rechten Winkel
gegen die Tafel geneigt.
2*
In diesem Falle laufen die Schenkel des rechten Winkels
nach den Distanzpunkten, die eine Diagonale ist horizontal und
die andre geht nach dem Hauptpunkte.
Hier haben demnach die Schenkel diejenige Lage, welche
die Diagonalen im ersten Falle hatten, und die Diagonalen des
rechten Winkels im zweiten Falle entsprechen den Schenkeln
desselben im ersten; kurz, was hier Seite ist, war dort Diago-
nale und umgekehrt.
Dritter Fall.
Ein rechtwinklichter Gegenstand zeigt sich in schräger
oder zufälliger Ansicht und die Schenkel des rechten Winkels
sind weder parallel mit der Tafel, noch stehen sie senkrecht
darauf, noch gehen sie nach den Distanzpunkten. Sie können
demnach unendlich viele verschiedene Lagen haben.
Unter diese drei Fälle ist jeder rechte Winkel, dessen
Zeichnung verlangt werden könnte, zu bringen. Es sollen nun
die Regeln mitgetheilt werden, nach denen zu verfahren ist.
Der rechte Winkel im ersten Fall.
Aufgabe 13.
An die horizontale Linie AB soll in
der horizontalen Ebene eine andere Linie gelegt werden, welche
mit der ersten bei B einen rechten Winkel bildet. Fig. VIII.
Auflösung. Man ziehe von B die Linie BC nach dem
Hauptpunkte P, so ist der Winkel ABC ein rechter (ein aus-
springender.)
Aufgabe 14.
An die Horizontale AB soll bei A
eine Linie unter einem rechten Winkel gelegt werden.
Auflösung. Man ziehe von A die Linie AP nach dem
Hauptpunkte und verlängere diese über A hinaus bis E, so ist
der Winkel EAB ein rechter (ein einspringender.)
Aufgabe 15.
Die rechten Winkel bei A und B zu
halbiren.
Auflösung. Man ziehe aus den Scheitelpunkten der Win-
kel A und B nach dem Distanzpunkte D die Linien AD und
BD und verlängere diese über A und B hinaus, so sind dieses
die Halbirungslinien der genannten rechten Winkel, oder Dia-
gonalen (eines Quadrats).
Anmerkung. Die Diagonalen, welche diejenigen, welche
nach dem einen Distanzpunkte D gehen, rechtwinklicht durch-
schneiden, gehen in den andern Distanzpunkt D′.
Aufgabe 16.
Den Schenkel BP des rechten Winkels
ABC dem gegebenen andern Schenkel AB gleich zu machen.
Auflösung. Man ziehe von A nach dem Distanzpunkte
D′ so wird, weil diese Linie eine Diagonale, BC gleich AB sein.
Folgerung. Mit Hülfe der Diagonalen kann man recht-
winklichten Körpern gleiche und parallele Ausladungen geben.
Aufgabe 17.
Der rechtwinklichte Körper KGFH ist
gegeben, man soll eine Platte darauf zeichnen, welche an allen
vier Seiten um das Maass rF ausladet.
Auflösung. Man ziehe von H und G nach dem einen
Distanzpunkte D und verlängere die erstere über H hinaus,
ferner ziehe man von dem andern Distanzpunkte D′ nach F
und verlängere auch diese über F hinaus. Sodann ziehe man
durch den gegebenen Punkt r aus dem Hauptpunkte P eine
Parallele ws mit GF. Von dem Durchschnittspunkte s dieser
Parallele mit der Diagonale Fs ziehe man su parallel mit
FH. Ferner ziehe man von u eine Parallele mit GF und von
w eine mit FH. Nun ist ein Rechteck gezeichnet, dessen Seiten
parallel mit denen des gegebenen Prismas sind, und dessen
Winkel mit ihren Scheitelpunkten in den Diagonalen liegen.
Giebt man dieser Ebene nun noch die Dicke st und legt durch
t die Parallelen lx und tv und zieht die Senkrechten uv und wx,
so ist die Aufgabe gelöst.
Der rechte Winkel im zweiten Falle.
Aufgabe 18.
A sei der Scheitelpunkt eines rechten
Winkels, man soll dessen beide Schenkel zeichnen. Fig. IX.
Auflösung. Man ziehe von A nach den Distanzpunkten D
und D′ die Linien AD und AD′.
Aufgabe 19.
Man soll an AC bei C einen einsprin
genden rechten Winkel zeichnen.
Auflösung. Man ziehe DC und verlängere diese über
C hinaus.
Anmerkung. Der rechte Winkel bei A wird halbirt
durch die Verlängerung der Linie, welche von A nach dem
Hauptpunkte P geht (Diagonale), — der in C durch die der
Diagonale CP und der in E durch die der Diagonale EP. Alle
diese drei Diagonalen sind perspektivische Parallelen.
Die Diagonalen, welche die rechten Winkel bei B und F
halbiren, sind die Horizontalen KB und FG. (Vergl. S. 20 oben.)
Folgerung. Vermittelst der Diagonalen kann man auch
hier, wie im ersten Fall, die Länge des einen Schenkels der
gegebenen Länge des andern gleich machen. So ist z. B. BA
gleich AC, weil die Horizontale BC durch beide Endpunkte der
Schenkel geht.
Der rechte Winkel im dritten Falle.
Aufgabe 20.
Man soll an eine Linie AB, welche
weder horizontal ist, noch senkrecht auf die Tafel steht (d. h.
in den Hauptpunkt geht), noch unter einem halben rechten
Winkel gegen die Tafel geneigt ist (d. h. nach einem Distanz-
punkte läuft), sondern welche eine von diesen Richtungen ver-
schiedene hat, bei A einen rechten Winkel zeichnen. Die Distanz
ist bekannt. Fig. X.
Auflösung. Man verlängere AB bis in den Horizont,
trage die Hauptdistanz PD von P aus auf die Hauptlothrechte
und ziehe von dem Verschwindungspunkte F des Schenkels AB
eine gerade Linie nach D, lege an FD bei D einen rechten
Winkel FDF′ und ziehe den Schenkel DF′ bis zum Horizont.
Der Durchschnittspunkt F′ ist der Verschwindungspunkt der
Linie AC, welche mit AB einen rechten Winkel bildet.
Anmerkung. F und F′ sind die Verschwindungspunkte
der Schenkel aller rechten Winkel, welche mit BAC gleiche
(parallele) Lage haben, also auch für den Schenkel CG des
einspringenden Rechten ACG, und für den Schenkel GH des
ausspringenden CGH.
Aufgabe 21.
Durch A eine Diagonale zu ziehen. Fig. X.
Auflösung. Man theile den rechten Winkel bei D in
zwei gleiche Theile und verlängere die Theilungslinie bis in
den Horizont. Dieser Durchschnittspunkt E ist der Verschwin-
dungspunkt aller Linien, welche die rechten Winkel, deren
Schenkel mit BA und AC parallel sind, halbiren. Die Diago-
nale durch A ist also EI, die durch C ist EK und die durch
G ist EL. Die Ausladungen werden zwischen diesen Diagonalen
nach Analogie der Fig. IX gezeichnet.
Anmerkung. Die andern Diagonalen, welche mit den
hier angegebenen IE, KE und LE rechte Winkel bilden, lassen
sich nach demselben Verfahren darstellen, die Zeichnung der-
selben wird jedoch im Folgenden besonders gelehrt werden.
Verfahren
zu einem gegebenen rechten Winkel die Hauptdistanz
aufzufinden.
Da der Maler in der Regel die Hauptdistanz nicht vor
Beginn des Zeichnens angiebt, sondern die rechten Winkel nach
dem Augenmaasse zeichnet, es aber gleichwohl unerlässlich ist,
dass jeder in einem und demselben Bilde vorkommende rechte
Winkel einer einzigen Hauptdistanz entspreche, so ist es
nothwendig, ein Verfahren kennen zu lernen, aus einem gege-
benen perspektivischen rechten Winkel diejenige Distanz abzu-
leiten, für welche allein er ein rechter ist, um auch den übrigen
im Bilde vorkommenden rechten Winkeln die so erhaltene
Distanz zum Grunde legen zu können.
1. Bei einem rechten Winkel im ersten Falle ziehe man eine
Diagonale. Die Entfernung des Punktes, in welchem diese den
Horziont schneidet, vom Hauptpunkte ist die Distanz.
2. Bei einem rechten Winkel im zweiten Falle verlängere
man einen der Schenkel. Der Abstand des Durchschnittspunkts
der Verlängerung in dem Horizonte vom Hauptpunkte bezeichnet
die Hauptdistanz.
3. Bei einem rechten Winkel im dritten Falle verlängere
man beide Schenkel bis zum Horizonte, wodurch die zufälligen
Verschwindungspunkte F und F′ bestimmt werden. Ueber der
Linie FF′ als Durchmesser beschreibe man einen Halbkreis,
errichte im Hauptpunkte P die Hauptlothrechte, und die Ent-
fernung des Punktes D, in welchem sie den Halbkreis schneidet,
vom Hauptpunkte P ist die Distanz, für welche der gegebene
Winkel BAC ein rechter ist.
Anmerkung. Im Allgemeinen kann man annehmen, dass
die Ansicht von Bauwerken, sowohl des Innern als Aeussern,
im ersten Fall, d. h. die Frontalansicht, vorzugsweise den
Eindruck der Ruhe und Grossartigkeit macht. Wir finden sie
von Raphael und andern grossen Historienmalern am hänfigsten
angewandt. Uebrigens kann jede Art der Ansicht nach Um-
ständen ihre eigenthümliche Schönheit haben, wie z. B. sogar
Sääle im zweiten oder dritten Fall dargestellt, in der Theater-
dekorationskunst von ausnehmender Wirkung sein können.
Zeichnung rechter Winkel
vermittelst der verjüngten Distanz.
Der grössern Deutlichkeit halber waren die vorhergehen-
den Aufgaben so eingerichtet, dass alle Verschwindungspunkte,
deren man benöthigt war, sich innerhalb der Tafel fanden.
Da aber mehrere derselben mit den Distanzpunkten zusammen-
fielen und andere nicht weit davon lagen, so folgt daraus, dass
dieselben bei einer Distanz, wie wir sie früher als vortheilhaft
für die Wirkung eines Bildes festgesetzt haben, mehr oder
weniger ausserhalb der Tafel liegen werden. Wollten wir nun
die bisher gegebenen Konstruktionen im Grossen ausführen, so
würden wir allerlei umständliche Vorrichtungen und äusserst
lange Lineale und grosse Instrumente nöthig haben, um die
Verschwindungspunkte festhalten und die verschwindenden Li-
nien ziehen zu können. Daraus entstände dann unfehlbar eine
Unbequemlichkeit, welche uns die Ausübung der Perspektive
und die Anwendung derselben auf Gegenstände der Malerei
sehr verleiden würde.
Glücklicherweise haben wir im Vorhergehenden ein Ver-
fahren, unzugängliche Verschwindungspunkte zu ersetzen, kennen
gelernt. Dieses wollen wir uns ins Gedächtniss zurückrufen
und vermittelst desselben folgende Aufgaben auflösen.
Erster Fall.
Aufgabe 22.
Es ist die frontale Seite AB eines
gleichseitigen rechtwinklichten Thurms ABL gegeben, man soll
der verschwindenden Seite BC (deren Verschwindungspunkt
natürlich hier der Hauptpunkt ist) dieselbe Tiefe geben, so dass
die Grundfläche des Thurms ein Quadrat wird. Von der Di-
stanz ist nur ⅓ = P\frac{D}{3} auf dem Horizont darstellbar. Fig. XII.
Auflösung. Erstes Verfahren. Man bedarf dazu einer
Diagonale durch A. Um diese zu erhalten, ziehe man von dem
Punkte, durch welchen die Diagonale gehen soll (also hier von
A) eine gerade Linie AP nach dem Hauptpunkte, theile diese
in so viel gleiche Theile, als der Nenner des Bruchs sagt,
welcher die Distanz angiebt (also hier in drei), ziehe von dem
dem Hauptpunkte am nächsten befindlichen Theilpunkte 1 nach \frac{D′}{3}
und damit eine geometrisch Parallele AC durch A, so ist dieses
die gesuchte Diagonale, welche die rechten Winkel bei A und C
halbirt und dem Schenkel BC die Länge von AB giebt.
Anmerkung. Die andere Diagonale kann entweder nach
vollendeter Zeichnung des Quadrats ABCE durch die Ecken E
und B gezogen oder auch ursprünglich und nach Analogie der Dia-
gonale AC gesucht werden. Der gemeinschaftliche Durchschnitts-
punkt der sich gegenseitig halbirenden Diagonalen bezeichnet die
Mitte des Quadrats.
Anderes Verfahren. Fig. XII. Um die verschwin-
dende Seite MN der frontalen NO gleich zu machen, theile
man die letztere in so viel gleiche Theile, als der Nenner des
die Distanz bezeichnenden Bruchs angiebt (also hier in drei)
und ziehe von dem dem fraglichen rechten Winkel zunächst
befindlichen Theilpunkte die Gerade 1\frac{D}{3}, so wird der Durch-
schnittspunkt M in der Verschwindenden NP die geforderte
Länge bezeichnen.
Drittes Verfahren. Fig. XII. Man kann auch ein per-
spektivisches Quadrat über der gegebenen Seite RS zeichnen,
wenn man dieselbe (für ⅓ der Distanz) in drei gleiche Theile
theilt, die Verschwindenden RP und SP zieht und von dem
Theilpunkt 1′ eine Linie nach \frac{D′}{3} zieht. Der Durchschnitts-
punkt T ist eine Ecke des geforderten Quadrats. Eine Hori-
zontale TQ durch T vollendet die Aufgabe.
Zweiter Fall.
Aufgabe 23.
Man soll ein rechtwinklichtes übereck
gesehenes Gebäude zeichnen, dessen Grundfläche ein Quadrat
ist und dessen vordere lothrechte Kante in B endigt. Fig. XIII.
Es ist ¼ der Distanz bekannt.
Auflösung. Man verbinde B mit dem Hauptpunkt P,
theile die Linie BP in vier gleiche Theile, ziehe von dem Theil-
punkt 1 die Linien 1\frac{D}{4} und 1\frac{D′}{4} und mit diesen parallel BA
und BC. Soll die Linie BA maassgebend für BC sein, so
ziehe man von A eine Horizontale, welche die Linie BC gleich
der Linie BA machen wird. Dann wird auch AC durch BP
genau in der Mitte geschnitten.
Anmerkung. Wollte man diesem quadratischen Gebäude
ein pyramidales Dach geben, so würde in E die senkrechte
Axe HE der Pyramide zu errichten sein.
Dritter Fall.
Aufgabe 24.
Man soll ein rechtwinklichtes Gebäude
in zufälliger Lage zeichnen, von welchem die eine Oberkante
KI (Fig. XIII) gegeben ist. Die Distanz ist dieselbe, wie sie
in der vorigen Aufgabe angenommen war.
Auflösung. Man verbinde I mit P, theile diese Linie
IP in 8 gleiche Theile, ziehe von dem Theilpunkte 1, welcher
dem Hauptpunkte am nächsten liegt, 1F parallel mit KI. Dann
trage man auf die Hauptlothrechte \frac{D}{8}, d. h. die Hälfte des ge-
gebenen Viertels der Distanz, ziehe von F nach \frac{D}{8}, lege an diese
Linie bei \frac{D}{8} eine andere unter einem rechten Winkel, welche
verlängert den Horizont in F′ trifft. Nun ziehe man 1F′ und
damit parallel IL, welche der gesuchte Schenkel des rechten
Winkels bei I ist.
Anmerkung. Die Linie IP wurde hier in 8 gleiche
Theile getheilt und desshalb auch ⅛ der Distanz auf der Haupt-
lothrechten aufgetragen, weil F bei der Theilung in 4 Theile
ausserhalb der Tafel gelegen wäre. Es kommt natürlich nichts
darauf an, in wie viele Theile die Linien zwischen dem Win-
kelpunkte und dem Hauptpunkte getheilt wird, so bald nur der
Nenner des Bruchs, welcher die Distanz ausdrückt, dieser Anzahl
von Theilen gleich gemacht wird. Und das ist hier geschehen,
da \frac{D}{8} genau halb so lang wie \frac{D}{4} gemacht worden.
Es versteht sich von selbst, dass dieselbe Konstruktion,
welche bisher oberhalb des Horizonts stattgefunden, auch unter-
halb desselben, nur in umgekehrter Lage, ausführbar ist. Man
wählt aber am zweckmässigsten dazu diejenigen Winkel, welche
am weitesten vom Horizont abstehen, damit die Hülfslinien
sich nicht in zu spitzen Winkeln durchschneiden und dadurch
ungenaue Resultate herbeigeführt werden.
Aufgabe 25.
Von der quadratischen Grundfläche einer
Pyramide ist die eine Seite AB gegeben, von der andern Seite
BC ist nur die Richtung, nicht aber die Länge bestimmt, es
soll das Quadrat, und über diesem als der Grundfläche, eine
Pyramide gezeichnet werden. Fig. XIV.
Auflösung. Zuvörderst ist die Distanz, für welche der
willkürlich gezeichnete Winkel ABC ein rechter ist, zu ermit-
teln, und zwar, da dieselbe in ihrem ganzen Betrage auf der
Tafel nicht wird dargestellt werden können, ein bestimmter
Theil — hier ¼ derselben. Zu diesem Zweck verbinde man
den Winkelpunkt B mit dem Hauptpunkte P, theile die Linie
BP in 4 gleiche Theile und ziehe von dem Theilpunkt 1 die
geometrischen Parallelen 1F und 1F′ mit AB und BC, bis zur
Durchschneidung des Horizonts. Ueber der Linie FF′ beschreibe
man einen Halbkreis und errichte in P die Hauptlothrechte
P\frac{D}{4}, deren Länge den vierten Theil der Hauptdistanz darstellt.
Ferner halbire man den rechten Winkel bei \frac{D}{4} und führe
die Theilungslinie \frac{D}{4}M bis zum Horizont herab, ziehe von 1
eine Gerade nach M, so ist 1M die Halbirungslinie des rech-
ten Winkels F 1F′ d. h. eine Diagonale.
Von B ziehe man eine unbestimmt lange Linie BE geo-
metrisch parallel mit 1M, so ist diese die Diagonale des über
der Seite AB zu zeichnenden Quadrats.
Sodann verbinde man den gegebenen Endpunkt A der Seite
AB mit dem Hauptpunkt P, wodurch an der Linie F1 der
Theil a1 abgeschnitten wird, welcher der Parallele AB ent-
spricht.
Von a ziehe man eine Gerade aF′ in den Verschwin-
dungspunkt von 1F′, welche die Diagonale 1M in e schneidet,
und geometrisch parallel damit die Linie AE bis zur Durch-
schneidung der Diagonale BE.
Ferner ziehe man von e die Linie eF in den Verschwin-
dungspunkt der Linie 1F und verlängere sie über e hinaus,
bis sie die Linie 1F′ in c trifft, und geometrisch parallel mit ihr
EC bis zur Durchschneidung der der Richtung nach gegebenen
Linie BC. Nun ist die Figur ABCE ein richtig gezeichnetes
Quadrat.
Zieht man nun auch noch die zweite Diagonale AC, er-
richtet auf dem gemeinschaftlichen Durchschnittspunkte S beider
sich gegenseitig halbirenden Diagonalen die Axe SG und zieht
man von den vier Ecken des Quadrats die Linien AG, BG, CG
und EG, so ist die Aufgabe aufgelöst.
Anmerkung. Es bedarf kaum der Hinweisung, dass die
ursprünglichen Konstruktionen an der kleinen Figur 1aec, deren
Verschwindungspunkte noch innerhalb der Tafel liegen, vorge-
nommen und dann erst nach dem Gesetz der Aehnlichkeit auf
die grössere Figur ABCE übertragen wurden.
Aufgabe 26.
Die Grundfläche ABEE der Pyramide
AGC soll als eine Platte von der Dicke AI dargestellt werden.
Fig. XIV.
Auflösung. Man ziehe von I die Linie IP nach dem
Hauptpunkte, fälle von a die Senkrechte ai bis zur Durchschnei-
dung von IP. Durch i ziehe man die Linie iF und verlängere
diese über i hinaus bis zu der aus der Ecke 1 gefällten Senk-
rechten 1k. Parallel mit KF ziehe man durch I die Linie IK
und die Senkrechte BK.
Sodann ziehe man von k in den Verschwindungspunkt F′
die Linie kl und parallel mit derselben durch K die Linie KL,
und endlich fälle man von C die Senkrechte CL.
Nach dem Obigen ist man im Stande, einfache wie com-
plicirte rechtwinklichte auf der horizontalen Ebene befindliche
Körper in jeder beliebigen Lage und Ansicht perspektivisch
richtig zu zeichnen. Man hat nur auf jeden Schenkel eines
rechten Winkels die betreffenden Regeln anzuwenden, sich die
verjüngte Hülfsfigur zu verschaffen und mit den an dieser ge-
fundenen Linien geometrische Parallelen durch die gleichnamigen
Punkte der Hauptfigur zu ziehen.
Wenn man einen Complex von Gegenständen, die unter
einander in bestimmten Beziehungen stehen, in Perspektive zu
bringen hat, kann man mancherlei Vereinfachungen und Abkür-
zungen dadurch eintreten lassen, dass man gewisse Grund-
konstruktionen nur an einem Gegenstande ursprünglich vollzieht
und diese dann auf die gleichen andern in derselben Reihe
überträgt. Es lässt sich diese Art der Anwendung der perspekti-
vischen Regeln am einleuchtendsten an einem Beispiele darstellen.
Aufgabe 27.
Es soll eine von viereckigen Pfeilern
gebildete offene Halle, und zwar im ersten Falle, in Perspek-
tive gebracht werden. ¼ der Hauptdistanz ist bekannt. Fig. XV.
Auflösung. Nachdem die Pfeileraxen 1, 2, 3 und 4
(nach Fig. V oder VI) richtig gesetzt worden, wird von dem einen
Endpunkte der Axe 3 (nach Fig. XII) eine Diagonale gezogen,
welche die Entfernung (und auch die Kanten) des Pfeilers 5
bestimmt. Der so erhaltene Abstand des Pfeilers 5 von 4
findet auch zwischen 5 und 6 u. s. w. statt.
Sodann giebt man auf der Horizontalen durch den End-
punkt der Axe des vordersten Pfeilers 1 das Profil (die Breite)
desselben mn an, und zwar zu jeder Seite der Axe die Hälfte
der Breite. Durch diese Punkte m und n ziehe man nach dem
Hauptpunkte, so dass man die Parallelen erhält, zwischen wel-
chen die ganze Pfeilerreihe sich befindet.
Ferner zieht man durch denselben Endpunkt der Axe eine
Diagonale, und Horizontalen durch die Durchschnittspunkte der-
selben mit den verschwindenden Parallelen, welche das Quadrat
des Pfeilers vollenden.
In dem Quadrat zieht man auch die andre Diagonale, giebt
auf der Verlängerung der Linie mn das Maass der Ausladung
der Platte no an, zieht durch o eine Verschwindende nach P,
verlängert beide vorhin gezeichneten Diagonalen bis zur Durch-
schneidung dieser Verschwindenden und vollendet das Quadrat
der Platte, giebt der letztern die gewünschte Dicke, und zeichnet
den darauf liegenden Architrav.
Um die verschwindende Linie des Architravs richtig zu
zeichnen, ziehe man von N eine Horizontale NO, von O eine
Senkrechte OQ und von Q wieder eine Horizontale QR bis
zur Durchschneidung der verlängerten Pfeilerkante AN in R.
Durch den Punkt R geht die eine Unterkante ST des Architravs.
Aufgabe 28.
Die Stufen richtig zu zeichnen, auf
welchen die Pfeiler stehen. Fig. XV.
Auflösung. Wenn die frontalen und verschwindenden
Stufen an der vordern Ecke gleichen Abstand eC von der Axe
des vordern Pfeilers haben sollen, so verlängere man die Axe
unbestimmt über K hinaus, zeichne das Profil der Stufen cefgh
in der Ebene der Axe, ziehe die Horizontalen fI und hK, wo-
durch die Höhen CI und IK in der Axe bestimmt werden.
Ferner ziehe man durch die Punkte des Profils e, f, g und h
Linien nach dem Verschwindungspunkte der Seite AB und ver-
längere dieselben rückwärts. Sodann ziehe man die Diagonale
CA und verlängere sie bis zur Durchschneidung der Linie eE
in E, von E ziehe man die Senkrechte EF. Nun ziehe man
von I über F hinaus bis zur Durchschneidung der Verschwin-
denden gG und von G die Senkrechte GH, so sind die Ecken
der Stufen bestimmt. Zuletzt werden noch durch E, F, G und
H die horizontalen Kanten der frontalen Stufenseiten gezogen.
Aufgabe 29.
Den Plattenbelag des Fussbodens zu
zeichnen. Fig. XV.
Auflösung. Zuerst ziehe man aus dem Scheitelpunkt des
einspringenden rechten Winkels r die Diagonale rt, und von
dem des ausspringenden s die Diagonale st. Die Linie sr
theile man in eine ungerade Anzahl perspektivisch gleiche Theile
und ziehe durch jeden dieser Theilpunkte Horizontalen über
den ganzen Fussboden. Ferner ziehe man durch die Durch-
schnittspunkte der Horizontalen und Diagonalen Linien in den
Verschwindungspunkt von sr.
Sollen statt der frontalgesehenen Quadratplatten solche
übereck gelegt werden, so kann man diese mit Hülfe der ersteren
leicht zeichnen, versäume nur nicht in den einspringenden rech-
ten Winkel eine Viertelplatte zu bringen. In der Zeichnung
sind die übereckgelegten Platten von der doppelten Länge der
frontalgelegten.
Folgerung. Wäre die frontale Länge ku der kleinen
Quadratplatten gegeben gewesen, so würde dieses Maass auf
der Horizontalen durch ka abzutragen und durch jeden Theil-
punkt eine Linie in den Verschwindungspunkt von kr zu ziehen
gewesen sein. Durch die Durchschnittspunkte dieser Verschwin-
denden und der Diagonalen rt und st würden dann Horizontalen
über den ganzen Fussboden gezogen werden müssen u. s. w.
Anmerkung. Das auf Taf. XV gegebene Beispiel dient
nicht bloss zur Erläuterung des ersten Falls, sondern auch des
zweiten und dritten, es ist nur der Unterschied nicht ausser
Acht zu lassen, dass in den beiden letzten Fällen die Ver-
schwindungspunkte der Schenkel der rechten Winkel andre
sind, und aus diesem Grunde das Ziehen der Parallelen um-
ständlicher ist.
Methode
das geometrische Maass gegebener Tiefen zu finden.
Alle möglichen Aufgaben dieser Art lassen sich, wie die
Lage des rechten Winkels, auf drei Fälle zurückführen, nämlich
1. Da die zu messende Linie im Hauptpunkte verschwindet,
also senkrecht auf die Tafel steht,
2. Da sie in einem der Distanzpunkte verschwindet, oder
unter einem halben Rechten gegen die Tafel geneigt ist, und
3. Da sie eine zufällige, von jenen beiden Richtungen ver-
schiedene hat.
Erster Fall.
Aufgabe 30.
Das geometrische Maass der auf die
Tafel senkrecht stehenden Linie AB zu finden. Von der Distanz
ist ¼ angegeben. Fig. XVI.
Auflösung. Man ziehe von A eine Linie nach \frac{D}{4}, von
B eine Horizontale BC bis zur Durchschneidung der Linie
A\frac{D}{4}. Dann ist BC der vierte Theil von AB. Ist nun auf
der Basis der Tafel ein geometrischer Maassstab angegeben,
und etwa EG ein Fuss, so erhält man die Länge desselben
auf der Linie CB, wenn man von E und G Linien durch CB
nach einem beliebigen Punkte im Horizont zieht. Dann ist C1
die Länge eines Fusses für CB, und die Anzahl Male, welche
C1 darin enthalten ist, viermal genommen, giebt die Länge
von AB an.
Anmerkung. Ginge die Linie AC nach dem Distanz-
punkte selbst, so würde auch CB die gesuchte Länge selbst
sein (da AC mit AB bei A, und mit CB bei C einen halben
Rechten bildet, wesshalb dann das Dreieck CBA ein recht-
winklichtes gleichschenklichtes ist). Da statt der ganzen Distanz
3
aber nur ein Viertel genommen worden, so kann CB auch
nur ein Viertel von AB sein.
Anderes Verfahren.
Aufgabe 31.
Bei einem rechtwinklichten Gebäude die
Tiefe der verschwindenden Seite HI zu finden. Fig. XVI.
Auflösung. Man errichte in P die Hauptlothrechte und
trage \frac{D}{4} darauf, dann ziehe man von I nach diesem \frac{D}{4} die
Linie I\frac{D}{4}, welche die Linie HL in 1 schneidet. H1 ist ein
Viertel von HI. Trägt man die Länge von H1 noch dreimal
auf L1 ab, so ist H4 die ganze Länge von HI.
Zieht man von H eine Horizontale HM, und von einem
Theilpunkte N des Maassstabes auf der Basis der Tafel durch
H in einen Punkt f im Horizonte, ferner von diesem Punkte f
eine andere Linie nach O, so ist die zwischen beiden enthaltene
Horizontale HM die Maasseinheit für H4.
Zweiter Fall.
Aufgabe 32.
Bei einem rechtwinklichten Gebäude,
welches übereck gesehen wird, die geometrische Länge der
Seite AB zu finden. Von der Distanz ist ¼ angegeben.
Fig. XVII.
Auflösung. Man ziehe von A nach P, durch B die
Horizontale BC, errichte in C eine Senkrechte CH, welche so
lang wie BC ist, und ziehe BH. Dann ist BH die geometri-
sche Länge von AB. Um diese mit dem Maass LM zu
messen, bestimme man dessen Länge auf einer Horizontalen
durch G und messe mit der Grösse GI die Linie BH. So oft
GI darin enthalten, so oft ist auch LM in AB enthalten.
Erläuterung. Das rechtwinklichte gleichschenklichte
Dreieck ACB erscheint in HCB aus seiner horizontalen Lage
in die vertikale gebracht, so dass alle Seiten unverkürzt zu
sehen sind, und mithin die Hypothenuse HB die wahre Länge
von AB darstellt.
Dritter Fall.
Aufgabe 33.
Bei einem rechtwinklichten Gebäude,
dessen Seiten eine zufällige Neigung gegen die Tafel haben, die
geometrische Länge von ON zu bestimmen. Fig. XVII.
Auflösung. Man ziehe von N nach dem Hauptpunkte,
dann von O eine Horizontale bis diese NP in Q trifft. In Q
errichte man eine unbestimmt lange Senkrechte QR. Ferner
ziehe man von O nach dem Hauptpunkte, theile diese Linie in
so viele gleiche Theile, als der Nenner des Bruchs, welcher von
der Distanz bekannt ist, anzeigt, ziehe von dem dem Haupt-
punkte am nächsten befindlichen Theilpunkte 1 eine Parallele
mit NO. Der Durchschnittspunkt derselben mit dem Horizont
ist F. Nun ziehe man von F nach \frac{D}{4}, welches auf der Haupt-
lothrechten aufgetragen ist, und endlich mit dieser eine geo-
metrische Parallele durch O, welche die Senkrechte QR in R
trifft. Dann ist OR die geometrische Länge von ON. Für
diese wird eben so, wie vorhin, das geometrische Maass nach
dem Maassstabe auf der Basis der Tafel bestimmt. Es ist
indess zu bemerken, dass OR in einer Tiefe steht, welche durch
O bestimmt ist.
Erläuterung. Das rechtwinklichte Dreieck OQN er-
scheint in OQR aus seiner horizontalen Lage in die vertikale
aufgerichtet.
Gegen den Horizont geneigte Ebenen.
Da verschwindende Parallelen in der horizontalen Ebene in
einem Punkte des Horizonts ihren Verschwindungspunkt haben, so
folgt daraus, dass verschwindende Parallelen auf Ebenen, welche
gegen den Horizont steigen, ihren Verschwindungspunkt oberhalb,
3*
und Parallelen auf gegen den Horizont abfallenden Ebenen den
ihrigen unterhalb des Horizonts haben müssen.
Parallelen solcher geneigten Linien, die nicht verschwinden,
d. h. deren Projektion auf die horizontale Ebene eine Horizon-
tale ist, sind unter einander geometrisch parallel.
Rücksichtlich der verschwindenden geneigten Linien gilt die
Regel: dass der Verschwindungspunkt ihrer Parallelen in der
Senkrechten liegt, welche durch den Verschwindungspunkt der
Projektion geht, die von der gegebenen Linie auf die hori-
zontale Ebene gemacht ist. Und zwar befindet sich der Ver-
schwindungspunkt der Parallelen oberhalb des Horizonts, wenn
die gegebene Linie gegen diesen steigt, und unterhalb des
Horizonts, wenn sie gegen denselben abfällt.
Ist der Verschwindungspunkt der Projektion der geneigten
Linie auf die horizontale Ebene der Hauptpunkt, so fällt der
Verschwindungspunkt der Parallelen in die Hauptlothrechte.
Aufgabe 34.
Es soll durch den Punkt H eine Paral-
lele mit der geneigten Kante AB einer Rampe gezogen werden.
Fig. XVIII.
Auflösung. Man ziehe durch H die Linie HK geo-
metrisch parallel mit der Gegebenen AB. Denn die Projek-
tionen beider Linien auf die horizontale Ebene, GA und KH,
sind parallel mit dem Horizont.
Aus demselben Grunde sind auch die geneigten Linien EC,
OQ und RS geometrisch parallel mit der Gegebenen AB.
Aufgabe 35.
Es soll durch M eine Parallele mit der
in den Hauptpunkt P verschwindenden Kante BC gezogen wer-
den. Fig. XVIII.
Auflösung. Man ziehe durch M in den Hauptpunkt P
und verlängere diese Linie über M hinaus bis sie die Kante
AB in N trifft; denn die Projektionen beider Linien auf die
horizontale Ebene, Gc und nm, haben ihren gemeinschaftlichen
Verschwindungspunkt in P.
Aus demselben Grunde ist auch die Linie AE perspekti-
visch parallel mit der Gegebenen BC.
Aufgabe 36.
An der geneigten Ebene TVW, deren
Winkel W um die senkrechte Höhe WU über dem Punkte T
und V erhaben ist, sollen durch e und g perspektivische Paral-
lelen mit ab gezogen werden. Fig. XVIII.
Auflösung. Man fälle von a die Senkrechte ad bis auf die
Kante TU, verbinde d mit b, so ist db von ab die Projektion
auf die horizontale Ebene. Die Linie db verlängere man bis
sie den Horizont in f schneidet. Durch f ziehe man eine un-
bestimmt lange Senkrechte und verlängere die Linie ab bis sie
diese in i trifft, dann ist i der Verschwindungspunkt der durch
e und g zu ziehenden perspektivischen Parallelen.
Dasselbe Verfahren findet statt, wenn auf der geneigten
Ebene xYZ durch u und t perspektivische Parallelen mit or
gezogen werden sollen, nur mit dem Unterschiede, dass hier
der Verschwindungspunkt der Parallelen oberhalb des Horizonts
ist, weil sie gegen denselben steigen, während er in der vori-
gen Aufgabe unterhalb des Horizonts lag, da die Parallelen
gegen denselben fielen.
Aufgabe 37.
Auf der Zeichnung Fig. XIX sollen
Figuren von gleicher Grösse mit der Gegebenen ef angegeben
werden, und zwar auf den gegen den Horizont steigenden Ebe-
nen ABC und IGG′ und der gegen denselben abfallenden GKG′.
Auflösung. Man bringe die Grösse ef auf die (aus Auf-
gabe 2) bekannte Art auf die geneigte Ebene IGG′, wo sie in
gk zu stehen kommt. Auf dieser ziehe man gi in den Ver-
schwindungspunkt h dieser Ebene und durch k eine perspekti-
vische Parallele kp. Durch i und p ziehe man ferner per-
spektivische Parallelen iT und pT in den Verschwindungspunkt
dieser abwärts geneigten Ebene, so ist zwischen diesen Paral-
lelen kpT und giT die Grösse von ef für jeden Ort auf den
gedachten beiden Ebenen enthalten, und man kann den Figuren
in l, m, n und o ihre entsprechende Höhe geben.
Rücksichtlich der Figuren auf der geneigten Ebene ABC
ist dasselbe Verfahren anzuwenden. Nachdem die Höhe der ge-
gebenen Figur ef für den Fusspunkt m gefunden, wird die für
diesen sich ergebende Grösse auf die geneigte Linie AB ge-
tragen, wo sie 1a ist. Durch a wird eine perspektivische Paral-
lele mit AB d. h. in den Verschwindungspunkt H der letztern
gezogen, und zwischen beiden Linien finden sich die Grössen
der Figuren für die verschiedenen Orte b, c und d.
Auch die Parallelen mit AB, welche durch C und Y gehen,
sind in den Verschwindungspunkt H zu ziehen.
Gesimse perspektivisch zu zeichnen.
Der geneigten Ebenen bedient man sich auch, um Gesims-
gliederungen, deren Gesammtmasse in solche zusammengefasst
werden können, perspektivisch zu zeichnen.
Aufgabe 38.
Das Profil eines Mauerkropfs mit voll-
ständigem Gebälk ONqrstuvwRQ nebst der Axe SL ist gege-
ben, man soll dessen perspektivische Darstellung im ersten Fall
ausführen. Fig. XIX.
Auflösung. Man gebe die Diagonalen SV und SW durch
den obern Endpunkt der Axe an, ziehe durch alle ein- und aus-
springenden Winkel des Profils Linien nach dem Hauptpunkte
und verlängere diese unbestimmt rückwärts. Dann ziehe man
von W und V die Linien WM und VM in den Punkt M der
Axe, in welchem diese durch die Verlängerung von Nq und st
geschnitten wird. Ferner ziehe man die Horizontale VU bis
an die von dem Hauptpunkte durch O gehende Linie, und Senk-
rechte durch die Punkte, in welchen VM und WM von der
Verschwindenden PQ geschnitten werden; ebenfalls durch die-
enigen, in welchen sie durch die Verschwindenden Pt,
Pw und PR geschnitten werden. Sodann ziehe man aus dem
Punkte L, in welchem die verlängerte VW die Axe schneidet,
durch die Punkte 2 und 3 Linien bis zur Durchschneidung
der Verschwindenden Pv, ferner Horizontalen von unbestimm-
ter Länge durch alle Punkte, in welchen die Linien VM und
3L, von den Verschwindenden durch q, r, s, t, v, w und R
geschnitten werden.
Um die Kante, mit welcher das Gebälk sich an die Mauer
lehnt, richtig zu zeichnen, verfahre man in folgender Weise:
Man ziehe von M und L in der Axe die Horizontalen Mz
und LX bis an die Grenze OQ des Profils, verbinde U mit z.
Von dem Punkte 4 ziehe man die Senkrechte 47; ferner von
P aus die Linie xy und durch y eine Senkrechte y8. Endlich
ziehe man von X durch 5 die Linie X6.
Der Kreis
und einige andere Kurven.
Es giebt verschiedene Methoden den Kreis perspektivisch
zu zeichnen, unter denen jedoch diejenigen, nach welchen der-
selbe aus dem gegebenen Radius abgeleitet wird, für unsern
Gebrauch zu unbequem sind. Auch das Verfahren, die per-
spektivische Zeichnung des Kreises aus der geometrischen abzu-
leiten, muss — wenigstens bei Darstellung der ganzen Figur
— gegen die im Folgenden mitgetheilten Konstruktionen mittelst
eines Quadrats zurückstehen.
Aufgabe 39.
Einen Kreis perspektivisch zu zeichnen,
dessen Durchmesser hk ist. Fig. 20.
Auflösung. Erste Methode. Man ziehe vom Haupt-
punkte P Linien nach h und k und verlängere dieselben über
letztere Punkte unbestimmt hinaus. Dann ziehe man durch die
Mitte v des gegebenen Durchmessers eine Diagonale, welche die
aus dem Hauptpunkte gezogenen Linien in b und d schneidet.
Durch die Horizontalen ba und dc vollende man das perspekti-
vische Quadrat abcd und ziehe auch die andere Diagonale ac
Durch den gemeinschaftlichen Durchschnittspunkt r beider Dia-
gonalen ziehe man nach dem Hauptpunkte und verlängere diese
Linie bis zur Durchschneidung der Seite ab. Dann wird der
dem Quadrat einzuschreibende Kreis die Seiten des erstern in
ehik berühren.
Um noch andere vier Punkte des Kreises zu bestimmen,
theile man die Seite ab des Quadrats in 7 gleiche Theile und
ziehe von den Theilpunkten 1 und 6 die Linien 1f und 6g
nach dem Hauptpunkte; die Durchschnittspunkte derselben mit
den Diagonalen sind Punkte der Kreislinie.
Die geometrische Zeichnung des Quadrats ABCD erläutert
dieses Verfahren.
Anmerkung. Obgleich diese Eintheilung der Seite in 7
gleiche Theile kein absolut genaues Resultat giebt, so gewährt
sie doch in den gewöhnlichen Fällen genügende Richtigkeit.
Es ist indess der Uebelstand damit verknüpft, dass die durch
die Diagonalen bestimmten Punkte zu weit von den Punkten
h und k, wo die Krümmung am schwierigsten zu zeichnen ist,
entfernt sind. Daher ist bei Aufgaben, wo es auf besondere
Genauigkeit ankommt, vorzuziehen
die andere Methode.
Aufgabe 40.
Der Durchmesser rq ist gegeben, es
soll ein Kreis darüber gezeichnet werden. Fig. 20.
Auflösung. Man beschreibe das Quadrat mnol wie bei
der vorigen Aufgabe, theile dasselbe durch die Verschwinden-
den st in zwei gleiche Rechtecke, und ziehe in beiden die Dia-
gonalen tl und ms, ns und to. Sodann theile man die Seite
lo in 10 gleiche Theile und ziehe durch 1 und 9 Linien in
den Hauptpunkt, welche in den Diagonalen Punkte der Kreis-
linie bezeichnen.
Genügen die so erhaltenen 8 Punkte noch nicht, so erhält
man anderweitige 4, wenn man die Diagonalen der beiden Recht-
ecke nmrq und qrlo und Linien von den Theilpunkten 2 und 8
nach dem Hauptpunkte zieht. Die Durchschnittspunkte dieser
Linien sind ebenfalls Punkte der Kreislinie.
Die geometrische Figur MNOL erläutert die Konstruktion.
Anmerkung. Dieses Verfahren ist vorzugsweise geeig-
net zur Zeichnung von Halbkreisen bei Gewölben u. s. w.
Aufgabe 41.
Der perspektivische Kreis eines Bassins
ABME nebst dem Mittelpunkte x ist gegeben, es soll in derselben
Ebene ein konzentrischer Rand von der auf dem verlängerten Ra-
dius Ax angegebenen Breite aA um denselben gezeichnet werden.
Auflösung. Man errichte in A eine Senkrechte, welche
den Horizont berührt, theile diese Senkrechte AH in so viele
gleiche Theile, dass eine Linie von a durch den untersten Theil-
punkt die in x senkrecht stehende genugsam verlängerte Axe
xS noch innerhalb der Tafel trifft. Sodann ziehe man mehrere
andere Radien und verlängere sie unbestimmt, z. B. xC, errichte
in C eine Senkrechte bis an den Horizont, theile diese in eben
so viele gleiche Theile, als bei AH geschehen und ziehe von
S durch den untersten Theilpunkt bis zur Durchschneidung der
Verlängerung von Cx in c, dann ist c ein Punkt des gesuchten
konzentrischen Randes. Auf diese Weise sucht man beliebig
viele Punkte.
Aufgabe 42.
Es soll ein Parallelkreis zu dem gege-
benen ABME, aber in einer tiefern Ebene, gezeichnet werden;
die Tiefe Kk betrage ¼ des Abstandes von K vom Horizonte.
Fig. 21.
Auflösung. Man errichte auf dem gegebenen Kreise
ABME beliebig viele Senkrechte, die den Horizont erreichen,
z. B. L4, M4 u. s. w., theile jede in 4 gleiche Theile und ver-
längere jede um einen ihrer Theile nach unten, so werden die
Endpunkte l, m dieser Verlängerungen Punkte der zu zeichnen-
den Kreislinie angeben.
Aufgabe 43.
Das Gesimse eines runden Thurms zu
zeichnen, dessen Oberkante efg perspektivisch richtig dargestellt
ist. Die Höhe des Gesimses soll ⅙ = ea der Höhe des
Thurms über dem Horizonte und seine Ausladung gleich Ae
sein. S ist der Mittelpunkt. Fig. 22.
Auflösung. Man ziehe von der obern Kante beliebig
viele Senkrechte fF, hH, iI u. s. w. bis zum Horizonte, theile
jede in 6 gleiche Theile, so werden die obersten Theilpunkte
den perspektivischen Halbkreis acdb bestimmen. Ferner ziehe
man durch S eine Senkrechte, welches die Axe ist, von A eine
Linie durch a, welche verlängert die Axe in R trifft. Nun ziehe
man von S aus beliebige Radien SC, SK u. s. w., und verlän-
gere sie unbestimmt, fälle von den Durchschnittspunkten der-
selben in dem obern Kreise e, f, g Senkrechte fc, ik u. s. w.
bis zu dem Halbkreise acdkb und ziehe von R aus gerade
Linien durch die Punkte c, k u. s. w., welche verlängert die
Radien in C, K u. s. w. treffen. Diese Punkte C, K nebst A
und B sind Punkte der Oberkante des Gesimses.
Aufgabe 44.
An einem cylindrischen Thurme soll eine
bestimmte Anzahl von Parallelkreisen, z. B. 6, in gleichen Ent-
fernungen von einander — etwa Steinschichten — angegeben
werden. Die perspektivische Zeichnung des Thurms ist gege-
ben. Fig. 22.
Auflösung. Durch die einander entsprechenden Theil-
punkte in den verschiedenen senkrechten Linien zwischen der
Oberkante des Thurms und dem Horizonte, welche bei Auflösung
der vorhergehenden Aufgabe erhalten wurden, lege man per-
spektivische Halbkreise. Dieselben werden, je näher dem Hori-
zonte, desto weniger gekrümmt sein, und der in den Horizont
fallende ist eine völlig gerade Linie.
Soll der Fuss des Thurms 2 Steinschichten unterhalb des
Horizonts liegen, so trage man auf den verlängerten Senkrechten
eE, fF u. s. w. noch zwei der darauf bezeichneten Theile nach
unten zu ab, und ziehe auch durch diese, wie durch die obern
geschehen, horizontale Halbkreise. Der unterste EFHIG bildet
die Basis des Thurms.
Anmerkung. Die Auflösungen der Aufgaben 43 und 44
beruhen, wie auf den ersten Blick einleuchtet, auf demselben
Prinzip, wie die der Aufgaben 41 und 42.
Aufgabe 45.
Mit dem gegebenen perspektivischen
Halbkreise AIBE soll in derselben Ebene ein Parallelkreis ge-
zeichnet werden, dessen Abstand von dem erstem BF ist. Fig. 23.
Auflösung. Man ziehe von dem Mittelpunkte C eine
Horizontale und von F aus eine Gerade, welche die Horizon-
tale in einem beliebigen Punkte S trifft. Von dem Punkte B
des gegebenen Kreises ziehe man eine Horizontale BH bis zur
Durchschneidung der Linie FS, von H eine Senkrechte HG
bis auf die Horizontale CS und durch G, den Durchschnitts-
punkt beider, eine Verschwindende in den Hauptpunkt, welche
über G unbestimmt zu verlängern ist. Soll nun ein mit irgend
einem des gegebenen Bogens korrespondirender Punkt des zu
zeichnenden Parallelkreises bestimmt werden, z. B. der mit dem
Punkte I korrespondirende, so fälle man von diesem eine Senk-
rechte IR auf den Durchmesser, ziehe von R und I Horizon-
talen und errichte in T wieder eine Senkrechte, welche die
Horizontale durch I in K schneidet. Durch diesen Durch-
schnittspunkt K ziehe man von S aus eine Gerade und verlän-
gere diese, bis sie die Verlängerung des aus C durch I gezogenen
Halbmessers CI in L schneidet. Dieser Durchschnittspunkt L
ist ein Punkt des geforderten Parallelkreises. Durch Wieder-
holung dieser Konstruktion an mehreren Punkten kann man
sich eine zur richtigen Zeichnung des Halbkreises genügende
Anzahl Punkte verschaffen.
Aufgabe 46.
Zu dem gegebenen perspektivischen Halb-
kreise WeU soll ein Parallelbogen von gleichem Halbmesser,
aber in einer andern Ebene, welche von der des gegebenen
Bogens um WV absteht, gezeichnet werden. Fig. 23.
Auflösung. Man ziehe den Durchmesser WU und durch
P und V eine perspektivische Parallele Vk. Will man nun
einen mit irgend einem des gegebenen Halbkreises korrespon-
direnden Punkt des geforderten Parallelbogens bestimmen, z. B.
den mit dem Punkte e korrespondirenden, so fälle man von e
eine Senkrechte, welche den Durchmesser WU in g schneidet,
von g ziehe man eine Horizontale, welche Vk in h trifft, und
in h errichte man eine Senkrechte. Zieht man nun auch durch
e eine Horizontale, so ist der Punkt f, in welchem diese jene
Senkrechte schneidet, ein Punkt des geforderten Parallelbogens.
Diese Konstruktion ist beliebig oft zu wiederholen.
Aufgabe 47.
Auf den Pfeilerkanten cu und At soll
ein Spitzbogen perspektivisch gezeichnet werden. Fig. 24.
Auflösung. Man verlängere die Kante tA bis M und
zeichne die Pfeilerkante Cv, und beschreibe über dieser und
der Kante At einen Spitzbogen ABC in frontaler Ansicht. Die
Oeffnung dieses Bogens der gegebenen Weite cA gleich zu
machen, dient eine Diagonale von a aus gezogen, welche den
Punkt v bestimmt. Von der Spitze B des geometrischen Bogens
ziehe man die Horizontale Bm, durch m ziehe man aus P die
Linie mb, welche die Höhe des perspektivischen Bogens an-
giebt. Die Spitze liegt in der Senkrechten durch den Durch-
schnittspunkt der Diagonalen Au und ct.
Zur Bestimmung zweier anderer Punkte des gewünschten
Bogens, theile man die Weite AC des geometrischen Spitzbogens
in 4 gleiche Theile, ziehe durch G und F Senkrechte, welche
den Bogen in I und H schneiden. Durch diese Punkte ziehe
man eine Horizontale In bis zu der Linie tM, und von P durch
n eine Verschwindende nh. Theilt man nun auch die Weite
des perspektivischen Bogens cA in 4 perspektivisch gleiche
Theile (durch Halbirung der schon gefundenen Hälften ce und
eA) und zieht von den Theilpunkten f und g Senkrechte bis an
die Linie hn, so bezeichnen die Durchschnittspunkte h und i
die beiden mit H und I korrespondirenden Punkte des perspek-
tivischen Bogens.
Durch nochmaliges Halbiren der bereits erhaltenen äusser-
sten Theile der Bogenweite AG und FC, sowie Ag und fc ist
man im Stande noch anderweite zwei Punkte zu bestimmen.
Durch die auf diese Weise gefundenen Punkte c, b und i und
die Endpunkte c und A der Pfeiler ist die perspektivische
Bogenlinie zu legen.
Dasselbe Verfahren findet statt bei der perspektivischen
Zeichnung des geometrisch dargestellten Stichbogens K 1 2 3 L.
Aufgabe 48.
Der vertikale Durchschnitt (Profil) durch
die Mitte einer Kugel GAEFB und durch einen stumpf zuge-
spitzten Cylinder HK ist gegeben; es soll darnach die per-
spektivische Zeichnung für das angegebene Viertel der Distanz
gemacht werden. Fig. 25.
Auflösung. Man ziehe den horizontalen Durchmesser
AB und in gleichem Abstande nach oben und unten, die hori-
zontalen Sehnen EF und GI, beschreibe über jeder dieser drei
Linien als Durchmesser betrachtet, perspectivische Kreise in
horizontaler Lage, so werden diese Kreise in die Oberfläche
der Kugel fallen müssen. Verbindet man nun die am meisten
über den Durchschnitt hinausgreifenden Punkte der perspektivi-
schen Kreise durch eine stetige krumme Linie GQOBN, so
wird diese den Umriss der perspektivisch gezeichneten Kugel
darstellen.
Ein horizontaler Halbkreis über HK giebt die Oberkante
des Cylinders; die Zuspitzung desselben verbirgt sich dem Auge.
Anmerkung. Es ist ein Irrthum, dass der Umriss einer
perspektivisch gezeichneten Kugel immer ein Kreis sei. Für
den Fall, dass der Mittelpunkt der Kugel in den Hauptpunkt
fällt, ist es freilich so; der Umriss der Kugel weicht jedoch
desto mehr von einem Kreise ab, je weiter dieselbe vom Haupt-
punkte (gleichviel ob nach oben oder unten oder seitwärts)
entfernt steht und je kürzer die Distanz ist; und zwar nimmt
er fast die Gestalt einer Ellipse an, deren grosse Axe nach dem
Hauptpunkt gerichtet ist. Es kommt dieses begreiflicherweise
von der Verkürzung her, welche die Figur bei einer mehr oder
weniger schrägen Ansicht erleidet, denn der auf einer Fläche
gezeichnete Kugelumriss muss in der Richtung von PCO um so viel
länger gezogen werden, als derselbe sich bei schräger Ansicht
verkürzt, damit er eine gleiche Ausdehnung mit dem unverkürzt
gesehenen Durchmesser xy (welcher die kleine Axe der Ellipse
ist) zu haben scheine.
Dieses ist in der auf demselben Blatt gezeichneten Figur
noch mehr veranschaulicht. LM sei der Durchmesser der Kugel.
Das Auge in P sieht den Endpunkt L in der Richtung PL,
und den Endpunkt M in der Richtung PM. Denkt man sich
aber eine wirkliche Kugel von diesem Durchmesser, so sieht
das Auge in P deren obersten Punkt in der Richtung Pl und
den untersten in der Richtung Pm, also die ganze Kugel in
einer Ausdehnung von ml, statt des wirklichen Durchmessers
derselben ML.
Bei einer weiten Distanz, und wenn der Standpunkt, aus
welchem das Bild angesehen werden soll, nicht fest bestimmt
ist, thut der Maler am besten, von dieser äussersten Richtigkeit
bei der Darstellung einer Kugel abzusehen; denn diese Rich-
tigkeit führt auch wieder den Uebelstand mit sich, dass die
nach den Regeln der Perspektive ganz exakt gezeichnete Ku-
gel dem Beschauer, welcher sie nicht genau aus dem ange-
nommenen Augenpunkte ansieht, einen anstössigern Anblick ge-
währt, als eine nicht perspektivisch gezeichnete thun würde.
Architektonische Darstellungen, Theaterdekorationen u. dgl. dürf-
ten sich indess nie über die Regeln der Perspektive hinwegsetzen.
Aufgabe 49.
Ein regelmässiges Sechseck, von wel-
chem zwei Seiten parallel mit der Basis der Tafel sind, und
dessen grösster Durchmesser AB gegeben ist, soll perspektivisch
gezeichnet werden. Von der Distanz ist ⅓ angegeben. Fig. 26.
Auflösung. Man zeichne einen perspektivischen Kreis,
dessen Durchmesser die Linie AB ist, theile letztere in 4
gleiche Theile und ziehe durch die Theilpunkte 1 und 3 Linien
nach P, welche bis an die Peripherie des Kreises verlängert
die Punkte E, F und e, f bezeichnen, welche nebst A und B
sämmtliche Ecken der verlangten Figur bestimmen.
Aufgabe 50.
Ein regelmässiges Achteck zu zeichnen,
dessen eine horizontale Seite LM gegeben ist. Fig. 26.
Auflösung. Man theile diese Seite LM in 7 gleiche
Theile, trage 5 derselben auf deren Verlängerung nach jeder
Seite, und zeichne über der so erhaltenen geraden Linie GK
ein Quadrat. Sodann ziehe man beide Diagonalen GI und HK,
ziehe von L und M Linien nach dem Hauptpunkte, und durch
die Durchschnittspunkte dieser Linien mit den Diagonalen die
Horizontalen Nn und Qq; dann bezeichnen die Punkte Q, l,
m, q, n, M, L, N die Ecken der verlangten Figur, welche
durch gerade Linien zu verbinden sind.
Anmerkung. Die geometrischen Figuren sind über den
perspektivischen angegeben.
Die Gewölbe.
Es giebt verschiedene Arten von Gewölben, als: Kugel-
oder Kuppelgewölbe, Tonnengewölbe, Kloster- oder Walmge-
wölbe, Kreuzgewölbe u. s. w. Die gewöhnlich vorkommenden
sind die Kuppel-, Tonnen- und Kreuzgewölbe, letztere als
charakteristische Eigenthümlichkeit der romanischen und alt-
deutschen Bauweise. Die Hellenen der klassischen Zeit, wie die
Aegypter und anderen Orientalen kannten das Gewölbe noch nicht.
Erst die Römer, die es ohne Zweifel von den Hetruskern er-
hielten, wandten es zu vielerlei Zwecken an.
Da die Zeichnung des Kuppelgewölbes nach denselben
Regeln geschieht, wie die der Kugel, so kann dieses hier über-
gangen werden.
Das Tonnengewölbe ist ein Theil — in der Regel die
Hälfte — eines hohlen Cylinders.
Das Kreuzgewölbe entsteht durch die Durchschneidung
zweier Tonnengewölbe. Regelmässig heisst es, wenn die Durch-
schneidung rechtwinklicht erfolgt und die beiden Tonnengewölbe
gleich sind.
Aufgabe 51.
Ueber den Pfeilern AE und BF, deren
Oberkanten parallel sind, soll ein halbkreisförmiges Tonnen-
gewölbe im ersten Fall gezeichnet werden. Fig 27.
Auflösung. Man suche die Mitte C der Linie AB und
beschreibe aus dieser einen Halbkreis; sodann ziehe man von
C nach dem Hauptpunkte die Linie CP; wo diese die Linie
EF schneidet, ist der Mittelpunkt des dem ersten perspektivisch
gleichen Halbkreises über EF.
Aufgabe 52.
Ueber den Pfeilern A, B, C, E, die
ein Quadrat einschliessen, soll ein regelmässiges Kreuzgewölbe
gezeichnet werden. Von der Distanz ist ¼ angegeben. Fig. 28.
Auflösung. Man verlängere die inneren Pfeilerkanten
um die Hälfte ihres Abstandes von einander, also aA und bB
um ½ fg, d. h. bis f und g, und eE und cC um ½ ih, d. h.
bis i und h. Von diesen 4 Punkten ziehe man Linien nach S,
welches in dem gemeinschaftlichen Durchschnittspunkte der bei-
den Diagonalen AQ und BE liegt. Auf diese Weise hat man
eine umgestürzte Pyramide erhalten, deren Grundfläche das
horizontal liegende Quadrat fghi ist und deren Kanten gS, fS,
iS und hS sich in der Spitze S vereinigen. Theilt man nun
den Halbkreis FHIG in 4 gleiche Theile und zieht von H und
I Linien nach dem Hauptpunkte, so werden diese die Kanten
der Pyramide in k, m und l und n schneiden und als Punkte
in den Transversalgräten des Kreuzgewölbes bezeichnen. Der
Durchschnittspunkt o der Diagonalen gi und fh ist auch der
gemeinschaftliche Durchschnittspunkt der Gräte, deren einer
dann von dem Punkte E des linken hintern Pfeilers durch
m, o, l nach dem Punkte B des rechten vordern Pfeilers zu
ziehen ist. Der andere Grat geht von C des rechten hintern
Pfeilers durch n, o, k nach A des linken vordern Pfeilers.
Aufgabe 53.
Es sind auf zwei rechtwinklichten Wän-
den die beiden Halbkreise gleichen Durchmessers AEB und
BHC gegeben, es soll das zwischen denselben befindliche Viertel
eines Kreuzgewölbes gezeichnet werden. Fig. 29.
Auflösung. Man verlängere die senkrechte Kante B
über G hinaus, ziehe von einem beliebigen Punkte E des
Viertelkreises EB eine Horizontale EG bis an die Senkrechte
BG, durch den Durchschnittspunkt G ziehe man von P aus
die Linie GH bis zur Durchschneidung des perspektivischen
Viertelkreises HB. Ferner ziehe man von H eine Horizontale
HF bis an die Verschwindende, welche von P aus durch E
gezogen worden, so ist die Ecke F des Quadrats FHGE ein
Punkt des zu zeichnenden Grats (und zwar hier der gemein-
schaftliche Durchschnittspunkt beider Gräte) da E und H die
Scheitel der Bögen sind. Dasselbe Verfahren mehrmals und für
beliebige Punkte der gegebenen Bögen wiederholt, verschafft die
zur Zeichnung des ganzen Grats erforderlichen festen Punkte
f u. s. w.
Anmerkung. Diese letztere Methode das Kreuzgewölbe
perspektivisch zu zeichnen, ist besonders zweckmässig, wenn
es sich nicht um die Darstellung eines ganzen Kreuzgewölbes
handelt, sondern nur eines Theiles desselben.
Bei allen Auflösungen der im Vorigen mitgetheilten Auf-
gaben ist der Einfachheit halber der rechte Winkel im ersten
Falle angenommen worden. Es versteht sich aber von selbst,
dass die Konstruktionen auch auf den zweiten und dritten Fall
angewandt richtige Resultate geben, dass die Vollziehung dersel-
ben indess wegen der vielen Parallelen, deren Verschwindungs-
punkt meistentheils ausserhalb der Tafel liegt, umständlicher ist.
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In dem Obigen sind nun alle die Regeln mitgetheilt wor-
den, nach welchen die Auflösung der gewöhnlichen Aufgaben
auf eine ungemein leichte und zweckmässige Weise geschieht.
Man wird indess sehr bald gewahr werden, dass jene Methode
in vielen andern Fällen den Zeichner entweder ganz im Stiche
lässt oder doch sehr unbequem werden kann. So z. B. ist sie
zur perspektivischen Zeichnung spitzer und stumpfer Winkel
meistens ungeeignet.
Es ist bei diesem Mangel freilich auch der grosse Vortheil
nicht zu übersehen, dass wir zur Fertigung der perspektivi-
schen Zeichnung weder einen geometrischen Grundriss, noch
einen Aufriss nöthig hatten, sondern, mit äusserst wenigen Aus-
nahmen, die Zeichnung unmittelbar entwerfen konnten. Dieses
ist aber begreiflicherweise nur bei solchen Aufgaben möglich,
wo es sich um Winkel, Formen und Verhältnisse handelt,
welche durch wenige Worte zu unserer innern Anschauung ge-
bracht werden können. Wo dieses nicht mehr angeht, ist eine
geometrische Darstellung des Gegenstandes unerlässlich, und
zwar ein Grundriss und ein Aufriss (letzterer behuf der Höhen).
Das allgemeine Verfahren,
jeden beliebigen Gegenstand nach dessen Grund- und Aufriss
in Perspektive zu bringen, soll an einem Beispiele erläutert
werden.
Aufgabe 54.
Der Grundriss einer Burg G ist gege-
ben, man soll eine perspektivische Ansicht derselben von dem
Gesichtspunkte p′ machen, jedoch so, dass die Burg nicht in die
Mitte der Tafel, sondern grösstentheils rechts vom Hauptpunkte
zu stehen kommt. Die perspektivische Gruppe soll auf Fig. 31
von H bis I sich ausdehnen und der Gesichtspunkt p (Fig. 30)
um DE über dem Grunde erhaben sein.
Auflösung. Man bestimme im Grundrisse den Punkt P′,
welcher in der Zeichnung mit dem Hauptpunkte zusammenfallen
soll, ziehe von p′ eine gerade Linie p′P′. Ferner ziehe man von
den äussersten Punkten des Grundrisses x und y Linien nach p, lege
zwischen dem Grundriss und p′ rechtwinklicht durch P′p′ eine
Gerade AB und zwar in solcher Entfernung von p′, dass das
durch xp′ und yp′ darauf abgeschnittene Stück vw ein be-
stimmter Theil der vorgeschriebenen Ausdehnung HI der Zeich-
nung (Fig. 31) ist — hier die Hälfte.
Nun ist AB als die Ebene der Tafel zu betrachten und
deren direkte Entfernung vom Auge D′p′ ist die Hauptdistanz.
Da indess die perspektivische Zeichnung in der doppelten Grösse
des Bildes gemacht werden soll, welches auf AB gemessen wird,
so ist D′p′ für die perspektivische Zeichnung nur die halbe
Distanz.
Ferner ziehe man von p′ die Gesichtsstrahlen nach allen
sichtbaren Ecken des Grundrisses und bezeichne deren Durch-
schnittspunkte auf AB.
Nun kann man schon alle senkrechten Linien auf der per-
spektivischen Zeichnung angeben. Man bestimme in der Mitte
der Tafel (Fig. 31) den Hauptpunkt, trage rechts und links
von demselben die doppelten Entfernungen der durch die Seh-
strahlen auf der Linie AB bezeichneten Durchschnittspunkte —
und zwar in derselben Ordnung, wie hier — und ziehe Senk-
rechte von unbestimmter Länge durch diese aufgetragenen Punkte.
Die Längen werden sowohl nach Maassgabe ihrer wirk-
lichen Grössen, als auch nach dem Verhältniss ihrer grössern
oder geringern Entfernung vom Auge verschieden sein. Um
den obern und untern Endpunkt jeder Senkrechten zu bestim-
men, verfahre man in folgender Weise:
Man ziehe ausserhalb des Grundrisses die Linie FE parallel
mit P′p′, betrachte diese als die Grundlinie, auf welcher die
Gegenstände stehen. Ferner ziehe man von jeder Ecke und
jedem sonst wichtigen Punkte des Grundrisses eine Senkrechte
hinauf und gebe ihr oberhalb der Basis FE diejenige Höhe,
welche sie an dem Gegenstande nach dem Maasstabe des Grund-
4 *
risses hat. Sodann gebe man die Höhe des Gesichtspunkts p
über der Basis an und ziehe durch diesen den Horizont Pp
parallel mit der Basis. Ferner verlängere man AB über A
hinaus bis C und mache Dp gleich D′p′, so dass bei dem Auf-
riss dieselbe Distanz stattfindet, welche bei dem Grundrisse
angenommen ward. Ferner ziehe man vom obern und untern
Endpunkte jeder Senkrechten des Aufrisses Gesichtsstrahlen nach
p und bemerke deren Durchschnittspunkte auf der Linie CE.
Nachdem auch auf Fig. 31 der Horizont angegeben, trage man
alle Höhen der Linien des Aufrisses, wie sie auf CE sich dar-
stellen, sowohl oberhalb als unterhalb des Horizonts, doppelt
genommen, auf den gleichnamigen Senkrechten der perspekti-
vischen Zeichnung Fig. 31 oberhalb und unterhalb des Hori-
zonts ab. Endlich verbinde man diese Endpunkte nach Anlei-
tung der geometrischen Zeichnung durch gerade oder krumme
Linien und die perspektivische Zeichnung ist vollendet.
Anmerkung. Dieses Verfahren erscheint hier umständ-
licher, als es ist. Denn man hat meistens nur sehr wenige Linien
und Punkte auf diese Weise zu bestimmen, aus welchen man
dann mehrere andere nach den früher mitgetheilten Regeln ab-
leiten kann. So z. B. genügt von einem rechten Winkel ein
einziger Schenkel; der andere ergiebt sich aus der Distanz.
Ferner sind auch Parallellinien, Kreise und Diagonalen auf die
früher angegebene Art zu zeichnen. Auch versteht es sich von
selbst, dass die verschwindenden Seiten des viereckigen Thurms
g in den Hauptpunkt gehen, da die vordere Seite frontal
ist, u. s. w.
Alle Details, Gesimse u. dgl. werden natürlich nach den
früher mitgetheilten Regeln in die Zeichnung eingetragen.
Bestimmung
der Grösse des Mondes und der Sonne.
Wenn der Mond oder die Sonne im Bilde erscheint,
so ist der Maler nicht selten in Verlegenheit rücksichtlich der
Grösse, die er dem Gestirn geben soll. Dass diese Grösse
nicht ganz willkürlich ist, fühlt er sehr wohl; desshalb wird
er durch Abnehmen oder Zusetzen seinem Gefühle zu genügen
suchen. Dass dabei aber meistens ein sehr unrichtiges Resultat
erscheinen muss, bedarf keines weitern Nachweises.
Um eine sichere und einfache Regel zur richtigen Grössen-
angabe des Mondes oder der Sonne zu gewinnen, müssen wir
uns der Eigenschaft ähnlicher Dreiecke erinnern: dass die
gleichnamigen Seiten unter einander in demselben Verhältniss
der Länge stehen. Daraus folgt nun für eine perspektivische
Zeichnung — (welche so weit vom Auge entfernt gedacht wer-
den muss, als die Distanz beträgt) — dass der Durchmesser
des Mondes auf der Zeichnung in demselben Verhältniss zu der
Hauptdistanz stehen muss, in welchem der Durchmesser des
wirklichen Mondes zu dessen Entfernung von der Erde steht.
Oder: dass der Durchmesser des Mondes auf der Zeichnung
zum Durchmesser des wirklichen Mondes in demselben Ver-
hältniss steht, welches zwischen der Hauptdistanz und der
Mondweite von der Erde obwaltet.
Da nun die Entfernung des Mondes von der Erde 80,000
Meilen, dessen Durchmesser aber 782 Meilen beträgt, so
wird sein Durchmesser immer ungefähr \nicefrac{1}{100} der Distanz sein
müssen.
Da die Sonne 34,000,000 Meilen von der Erde entfernt
ist, ihr Durchmesser aber 320,000 Meilen misst, so ist der
Bruch, welcher das Verhältniss des Durchmessers zur Distanz
ausdrückt (\nicefrac{1}{106}), noch etwas kleiner, als der für den Mond
gefundene.
Daraus ergiebt sich nun die Regel, dass der Durchmesser
des Mondes oder der Sonne auf einer Zeichnung immer unge-
fähr den hundertsten Theil der der Zeichnung zum Grunde
liegenden Distanz betragen müsse. Des hellen Lichtes wegen,
welches beiden Himmelskörpern eigen ist, erscheinen sie indess
dem Auge um Einiges grösser, was auch der Maler, zumal da
er mit seinen Farben jenes Licht beiweitem nicht zu erreichen
vermag, zu berücksichtigen hat. Ausserdem ist es gut, für
Gemälde, in denen die Sonne oder der Mond sichtbar ist, eine
nicht zu kurze Distanz zu nehmen, dieselbe sei denn vorge-
schrieben, wie bei Dioramen, Theatervorhängen u. s. w.
Zweiter Theil.
Die Schatten-Perspektive.
Ein Körper ist nur dann sichtbar, wenn er beleuchtet ist.
Diese Beleuchtung rührt entweder von einem direkten Lichte
her (von der Sonne, dem Monde oder einer Kerze) oder von
einem reflektirten, d. h. von einem durch direktes Licht er-
leuchteten andern Gegenstande.
Der Theil des Körpers, welcher vom Lichte nicht ge-
troffen wird, befindet sich im Schatten.
Der eigene Schatten eines Körpers ist derjenige, welcher
auf der dem Lichte abgewandten Seite desselben sich befindet.
Der Schlagschatten entsteht, wenn ein undurchsichtiger
Körper zwischen das Licht und eine von diesem beleuchtete
Fläche tritt. Die Grenzen des Schlagschattens werden von den
Lichtstrahlen gebildet, welche an den Grenzen zwischen dem
beleuchteten Theile und dem eigenen Schatten eines undurch-
sichtigen Körpers vorbeistreifen.
In der Natur giebt es keinen absoluten Schatten, denn
von allen Seiten, aus der erleuchteten Luft und von andern
erleuchteten Gegenständen, strömt reflektirtes Licht, durch
welches die Schatten mehr oder weniger erhellt werden.
Das Licht pflanzt sich nur in gerader Linie fort. Wenn
dasselbe als unendlich weit entfernt zu betrachten ist, wie die
Sonne und der Mond, so sind dessen Strahlen parallel. Ist
die Entfernung des Lichts aber eine endliche, wie bei einer
Kerze der Fall ist, so divergiren die Strahlen desselben nach
allen Seiten.
Der Mittelpunkt des Lichts ist der Verschwindungspunkt
aller von demselben ausgehenden Lichtstrahlen, und der Punkt,
in welchem eine aus dem Mittelpunkte des Lichts auf die
Projektionsebene (welche den Schatten aufnimmt) gefällte
Senkrechte diese Ebene trifft, ist der Verschwindungspunkt der
unter einander und mit jener Ebene parallelen Streif-Schatten.
Dieser Verschwindungspuukt heisst der Fuss des Lichts.
Um die Schatten richtig angeben zu können ist es erfor-
derlich, die Richtung der Lichtstrahlen oder den Ort des leuch-
tenden Körpers zu kennen.
I. Schatten,
welche von einem unendlich entfernten Lichte
verursacht werden.
Rücksichtlich des Standes eines solchen Lichts (der Sonne)
gegen die Ebene der Tafel sind drei Fälle möglich.
1. Die Sonne befindet sich in der ins Unendliche verlän-
gerten Ebene der Tafel,
2. Die Sonne befindet sich jenseits der Ebene der Tafel
oder deren Verlängerung.
3. Sie steht diesseits der Ebene der Tafel, dem Beschauer
im Rücken oder mehr oder weniger seitwärts.
Erster Fall.
Wenn die Sonne sich in der ins Unendliche verlängerten
Ebene der Tafel befindet, und also auf der letztern nicht ihr
Ort selbst, sondern nur die Richtung ihrer Strahlen angegeben
werden kann, so ist die Richtung des Schlagschattens einer
vertikalen Linie auf der horizontalen Ebene oder einer solchen
Geneigten, deren Verschwindungspunkt in der Hauptlothrechten
liegt, parallel mit dem Horizonte. Die Länge des Schattens
wird durch eine geometrische Parallele mit der gegebenen Rich-
tungslinie des Lichts, welche durch den obern Endpunkt der
schattenwerfenden Linie geht, bestimmt.
Aufgabe 55.
Der Schlagschatten der Senkrechten
AB (Axe einer Figur) soll gezeichnet werden; das Licht kommt
in der Richtung RS. Fig. 32.
Auflösung. Man ziehe von B eine Horizontale von
unbestimmter Länge, lege durch A eine Parallele mit RS; wo
diese die Horizontale in C trifft, ist der Endpunkt des Schlag-
schattens.
Der Schlagschatten der Figur ab wird auf dieselbe Weise
gefunden, weil die geneigte Ebene, auf welcher sie steht, ihren
Verschwindungspunkt in der Hauptlothrechten hat.
Aufgabe 56.
Den Schlagschatten der Figur de zu
bestimmen.
Auflösung. Man ziehe von e eine Horizontale bis an
die Grenze der geneigten Ebene, von dieser an ziehe man un-
bestimmt weiter parallel mit MN. Der Punkt f, in welchem
diese Linie von der mit RS parallelen df getroffen wird, be-
zeichnet den Endpunkt des Schlagschattens.
Auf ähnliche Weise wird auch der Schlagschatten der
Figur gi gefunden, nur dass der eine Theil desselben parallel
mit der Böschungsneigung uT ist.
Aufgabe 57.
Den Schlagschatten der Mauer GH zu
zeichnen.
Auflösung. Da die Mauer parallel mit der Ebene der
Tafel ist, so erhält sie auf der vordern Seite sowohl, als auf
der hintern, Streiflicht, so dass sie einen Schlagschatten nur in
der Richtung ihrer Länge und von der Breite ihrer Dicke
werfen kann. Der Schlagschatten der verschwindenden Fläche
bei GH muss also theils auf die gegenüberstehende verschwin-
dende Fläche von derselben Tiefe, theils auf den Boden zwi-
schen diese und die erstere fallen. Den Schatten der Linie
GV erhält man, wenn man von G die Linie GI pararellel mit
RS, und von I nach P zieht. Die letztere bestimmt den ge-
forderten Schatten von GV.
Aufgabe 58.
Den Schlagschatten des Gebäudes FEL
zu zeichnen.
Auflösung. Man suche zuerst den Schatten der senk-
rechten EF, dessen Richtung man findet, wenn man von F
die Horizontale Fx, von x die Senkrechte bis auf den Boden
und von hier die Horizontale bis an die geneigte Ebene zieht;
wenn man ferner von y die Linie yz parallel mit OQ, der
Neigung jener Ebene, und von z wieder eine Horizontale zieht.
Das Ende des Schlagschattens der Senkrechten FE findet man
in jener Richtung, wenn man durch E eine Parallele mit RS
legt, welche die Richtungslinie Fxx′yzK in K schneidet und in
diesem Punkte die Länge des Schattens giebt.
Um den Schatten von EL zu erhalten, ziehe man von
K eine perspektivische Parallele mit derselben d. h. in den
Hauptpunkt.
Um den Schlagschatten des Gebäudes FEL auf der fron-
talen Mauer zu bestimmen, verlängere man die Grenze der
Mauer von U senkrecht hinauf bis W, ziehe von diesem
Punkte eine Parallele mit RS bis auf den Grund. Diese giebt
die Grenze des Schlagschattens auf der Mauer an.
Aufgabe 59.
Den Schlagschatten des obersten Ge-
simses des auf Fig. 32 befindlichen Gebäudes zu zeichnen.
Auflösung. Man verlängere die horizontale Wandlinie
über m bis zu der Vorderkante des Gesimses an der verschwin-
denden Seite, welche von jener in k getroffen wird; durch
k ziehe man die Linie kv parallel mit RS, durch l nach dem Haupt-
punkte, so sind beide Linien die Grenzen des Schlagschattens.
Aufgabe 60.
Den Schlagschatten des Gurtgesimses
auf der dossirten Mauer des untern Geschosses desselben Ge-
bäudes zu finden.
Auflösung. Man fälle von der Ecke s eine Senkrechte;
von dem Punkte w, wo die schräge Mauerkante von jener ge-
troffen wird, ziehe man die Horizontale wn. Von der Ecke
s ziehe man ferner die Linie sq parallel mit RS, welche wn
in q trifft.
Dann verlängere man die horizontale Wandlinie dnrch o
bis sie die verschwindende Kante st in r schneidet; von r
ziehe man rp parallel mit RS, von p die Gerade pu perspekt.
parallel mit st und die Gerade pq. Beide bezeichnen die Grenzen
der Schlagschatten. Von q ziehe man die Horizontale qn, welche
den Schatten der frontalen Seite des Gurts auf der dossirten
Mauer angiebt.
Anmerkung. Die Art, wie die dossirte Mauer und ihre
Kanten, so wie auch die Rampen richtig zu konstruiren sind,
erhellt aus der Zeichnung; 1 2, 3 4 und 5 6 sind nämlich
Diagonalen.
Zweiter Fall.
Wenn die Sonne sich jenseits der Tafel oder deren ver-
längerten Ebene befindet, so muss, um die Schatten konstruiren
zu können, der Ort der Sonne, d. h. die Erhebung derselben
üher den Horizont und deren Abweichung oder Abstand vom
Hauptpunkte angegeben sein.
Aufgabe 61.
Der Schlagschatten einer senkrechten
Linie AB soll gezeichnet werden, wenn die Erhebung der Sonne
ST und deren Abstand vom Hauptpunkte PT ist. Fig. 33.
Auflösung. Man ziehe von dem Fuss T der Sonne
eine Gerade nach B, verlängere dieselbe unbestimmt über B
hinaus und ziehe von S durch A eine Linie SA, welche ver-
längert die erstere in C schneidet. Dann ist CB der gesuchte
Schlagschatten.
Anmerkung. Immer ist der Verschwindungspunkt der
Streifschatten, d. h. solcher Schlagschatten, welche an dem
einen Endpunkte einer schattenwerfenden Linie anfangen, der-
jenige Punkt in der verlängerten Ebene, welche diesen Streif-
schatten aufnimmt, in welchen die von dem Lichte auf dieselbe
gefällte Senkrechte diese trifft. Die Länge des Streifschattens
wird durch die gerade Linie bestimmt, welche von dem Lichte
selbst durch den andern Endpunkt der schattenwerfenden Linie
gezogen und bis zur Durchschneidung des Streifschattens ver-
längert wird. Hier ist CB der Streifschatten, dessen Ver-
schwindungspunkt der Fuss T der Sonne S ist.
Aufgabe 62.
Der Schlagschatten, welchen der vor-
springende Thurm GFE auf die Mauer DGe und den Grund
wirft, soll gezeichnet werden. Fig. 33.
Auflösung. Man ziehe von S die Horizontale Ss bis
zur Durchschneidung der Hauptlothrechten, dann ist s die
senkrechte Projektion der Sonne auf die verlängerte Ebene der
Mauer DGe. Von s ziehe man eine Gerade sG und verlän-
gere dieselbe über G hinaus. Dann ziehe man von S die Linie
SF, deren Verlängerung jene erstere in f schneidet; dieser
Punkt ist das Ende des Streifschattens Gf, oder der Schatten
des Punktes F. Da nun FE parallel mit der Mauer DGe ist,
so muss auch der Schlagschatten jener Kante mit dieser pa-
rallel sein, also von f senkrecht herabgehen.
Dieser Schatten fe wird die Grundlinie der Mauer ey in
demselben Punkte treffen, in welchem die verlängerte Gerade
von T durch E, welche den Streifschatten Ee auf dem Boden
angiebt, dieselbe schneidet.
Aufgabe 63.
Den Schlagschatten der Mauer KHN
und des Thurmes QOR zu zeichnen. Fig. 33.
Auflösung ähnlich der vorigen, nur dass alle Streif-
schatten auf dem horizontalen Grunde sich befinden und also
in T ihren Verschwindungspunkt haben.
Rücksichtlich des Thurmes muss man dessen Standort
uvw kennen, um durch diese Punkte von T aus die Streifschat-
ten ziehen zu können.
Die bisherigen Aufgaben gestatteten die Angabe des Orts
der Sonne selbst auf der Tafel. Es wird aber in den bei wei-
tem am häufigsten vorkommenden Fällen sowohl die Erhebung
der Sonne als deren Abstand vom Hauptpunkte so gross sein,
dass der Punkt S mehr oder weniger weit ausserhalb der Ta-
fel fällt. In diesen Fällen müssen wir uns wieder — wie auch
schon in der Linearperspektive — parallele Seiten ähnlicher
Dreiecke zur Vollziehung der geforderten Konstruktion bedienen
und zu dem Zweck von der Erhebung der Sonne, wie von
ihrem Abstande, einen bestimmten Bruch kennen. Folgende
Aufgabe wird das dabei zu beobachtende Verfahren erläutern.
Aufgabe 64.
Es soll der Schlagschatten gezeichnet
werden, welchen die äussere Kante einer Bogenöffnung NKFA
auf die gegenüberstehende Bogenleibung wirft. \frac{T}{3}\frac{S}{3} ist ⅓
der Erhebung der Sonne über dem Horizonte und P\frac{T}{3} ist ⅓
ihres Abstandes vom Hauptpunkte. Fig. 34.
Auflösung. Man verbinde den Mittelpunkt C des schat-
tenwerfenden Halbkreises mit P, theile CP in 3 gleiche Theile,
beschreibe um den Theilpunkt c, als Mittelpunkt, einen Halb-
kreis nkf, dessen Halbmesser ⅓ des Halbmessers des Bogens
NKF ist. Von den Endpunkten des kleinen Halbkreises ziehe
man Senkrechte bis auf die verlängerten Linien EB und GA,
welche von jenen in b und a getroffen werden.
Nun wird der wirkliche Ort der Sonne zu dem Bogen
MKF in demselben Verhältniss stehen, in welchem der Punkt
\frac{S}{3} zu dem kleinen Hülfsbogen steht.
Soll nun der Schlagschatten z. B. des Bogenanfanges F
gefunden werden, so suche man den diesem entsprechenden Punkt
in dem kleinen Hülfsbogen. Dieser ist der Punkt f, in wel-
chem die Gerade von F zum Hauptpunkte den kleinen Bogen
schneidet. Ferner ziehe man von diesem Durchschnittspunkte
die Linie f\frac{S}{3} und geometr. parallel mit derselben die Linie
FI. Ferner FH parallel mit P\frac{S}{3} und endlich PH, welche
genugsam verlängert FI in I schneidet. Dann ist I der Schlag-
schatten des Punktes F.
Dieses Verfahren kann man für so viele Punkte wieder-
holen, als man zur richtigen Zeichnung des Schattens ILN
nöthig zu haben glaubt.
Da die Kante FA parallel mit der Ebene ME ist, und der
Schatten von F in I gefunden worden, so folgt, dass der
Schatten der Kante FA, so weit er von jener Ebene aufge-
fangen wird, die Senkrechte IO sein muss. Der übrige Theil
des Schlagschattens von FA wird dann durch die Gerade OA
dargestellt, welche als Streifschatten auf der horizontalen Ebene
geometr. parallel mit a\frac{T}{3} sein wird.
Zur Bestimmung des Punktes N lege man die Tangente
n\frac{S}{3} an den Hülfsbogen und parallel mit dieser eine Tangente
an den Bogen MKF, welche diesen in N berührt. In diesem
Punkte wird auch die Schattenlinie ILN den Bogen MNF be-
rühren.
Dritter Fall.
Wenn die Sonne diesseits der Tafel und deren verlänger-
ter Ebene steht, so kann zwar ihr Ort selbst auf der Tafel
nicht enthalten sein, aber es lässt sich doch ein Punkt ange-
ben, welcher bei der Konstruktion der Schatten dieselben Dienste
leistet, nämlich ein Punkt N, welcher die negative Erhebung
der Sonne sowie ihre negative Abweichung bezeichnet, d. h.
welcher so weit unter dem Horizonte steht, als die Sonne
über demselben angenommen wird, und nach der dem Sonnen-
stande entgegengesetzten Seite vom Hauptpunkte abstehend.
Aufgabe 65.
Es soll der Schlagschatten gezeichnet
werden, welchen die Senkrechte AB auf den horizontalen Grund
wirft. PT ist die negative Abweichung und TN die ne-
gative Erhebung der Sonne. Fig. 35.
Auflösung. Man ziehe von B eine Gerade nach T, wel-
ches der Verschwindungspunkt der Streifschatten auf der hori-
zontalen Ebene ist, ziehe dann von A die Linie AN. Der Punkt
C, in welchem die Letztere die Erstere schneidet, ist der End-
punkt des Schlagschattens BC.
Aufgabe 66.
Den Schlagschatten des Parallelopipe-
dums abck zu zeichnen. Fig. 35.
Auflösung. Man ziehe von den Punkten g, l und b ge-
rade Linien nach T, von d eine nach N, welche lT in o
schneidet. Von o ziehe man om perspektivisch parallel mit
ed, deren Schatten sie ist, und op perspektivisch parallel mit
dk, d. h. hier horizontal.
Es versteht sich von selbst, dass die Punkte p und m auch
direkt wären zu finden gewesen, indem man aus k und c ge-
rade Linien nach N gezogen und auf diese Weise die Länge
der Streifschatten gp und bm bestimmt hätte.
Anmerkung. Der Schlagschatten der Senkrechten ED
ist De, (in der Richtung nach T), ef (senkrecht), fh und iF
(beide wieder in T verschwindend.)
Aufgabe 67.
Den Schlagschatten zu zeichnen, wel-
chen das Gesimse tH auf die frontale Mauer des Gebäudes
IHG wirft. Fig. 35.
Auflösung. Man ziehe von einem beliebigen Punkte t
der Unterkante des Gesimses die geraden Linien tT und tN.
Von dem Punkte r, in welchem die erstere die Mauerlinie trifft,
fälle man eine Senkrechte, welche die Linie tN in s schneidet.
Durch diesen Punkt s ziehe man sq parallel mit tH, so bezeich-
net diese die Breite des Schlagschattens.
Aufgabe 68.
Den Schlagschatten zu zeichnen, wel-
cher von dem Körper QWS auf die in den Hauptpunkt ver-
schwindende Mauer geworfen wird. Fig. 35.
Auflösung. Man ziehe von N eine Horizontale bis zur
Hauptlothrechten, beider Durchschnittspunkt n ist der Verschwin-
dungspunkt aller Streifschatten auf Ebenen, welche in den Haupt-
punkt verschwinden. Sodann ziehe man Linien von S, R und
V naeh n; ferner von Q eine Linie nach N, welche Rn in u
schneidet. Durch u ziehe man von P aus uw, und die Senk-
rechte uv, so ist der Schlagschatten bestimmt. Es ist dann uv
der Schatten von QW, uw der von QO, wS der von OS und
vV der von WV.
Anmerkung. Die Zeichnung der Schlagschatten des Ge-
bäudes GHI und der Mauer KL und auf dem verschwindenden
Grunde ist nach dem Vorigen ohne Schwierigkeit auszuführen.
Zur Darstellung des durch den Gesimsvorsprung auf dem Grunde
verursachten Schattens versäume man nicht die Projektion der
schattenwerfenden Linien auf dem Grunde anzugeben, weil da-
durch die Punkte gewonnen werden, von welchen die Richtungs-
linien der Streifschatten nach T zu ziehen sind.
Aufgabe 69.
Es soll der Schatten gezeichnet werden,
welcher von der Kante ABCH einer Bogenöffnung auf deren
innere Leibung und den Grund geworfen wird. Ein Drittel
der negativen Abweichung der Sonne ist \frac{T}{3} und ein Drittel ih-
rer negativen Erhebung \frac{N}{3}. Fig. 36.
Auflösung. Von dem Mittelpunkte K des schattenwer-
fenden Halbkreises BCM ziehe man die Gerade KP, theile die-
selbe in drei gleiche Theile, beschreibe um den Theilpunkt d,
als Mittelpunkt, einen Halbkreis bcm, dessen Radius ⅓ vom
Radius BK ist. Dieser Hülfsbogen hat nun dasselbe Verhält-
niss zu den Punkten \frac{T}{3} und \frac{N}{3}, wie der grosse Halbkreis zu
den Einheiten dieser Brüche. Um nun den Schatten des An-
fangspunktes B des Bogens zu finden, ziehe man die Linie
BP, welche den Hülfsbogen in b schneidet. Man ziehe dann
b\frac{N}{3} und durch B mit dieser parallel BF. Ferner ziehe man P\frac{N}{3}
und mit dieser parallel BE; von dem Punkte E, in welchem
BE die Kante LM schneidet, ziehe man die Linie EP, welche
BF in F schneidet. Dann ist F der Schattenpunkt von B.
Wiederholt man diese Konstruktion bei mehreren Punkten der
Bogenkante (z. B. bei C, welchem c in dem Hülfsbogen ent-
spricht) so erhält man eben so viele Punkte des Schlagschattens
HGF. Der Schatten der senkrechten Kante BA ist theils die
Senkrechte FI, theils die Gerade Al. Letztere muss parallel
sein mit der Linie a\frac{T}{3} und erstere mit AB.
Aufgabe 70.
Es soll der Schlagschatten der Gesims-
kante AB auf der vertikalen Mauer gezeichnet werden. Die
Hälften der negativen Abweichung und Erhebung sind gege-
ben. Fig. 37.
Auflösung. Man ziehe von einem beliebigen Punkte a
der schattenwerfenden Kante AB eine Gerade nach P, ziehe von
der Mitte derselben a′ die Linie a′\frac{T}{2} und parallel mit letzterer
die Linie ab bis zur Berührung der Oberkante der Mauer.
Von b ziehe man eine Senkrechte bc von unbestimmter Länge.
Sodann ziehe man die Gerade a′\frac{N}{2} und parallel mit dieser
5
eine Gerade durch a, welche die Senkrechte bc in c schnei-
det. Die Horizontale durch c giebt die Breite des gesuchten
Schlagschattens an.
Aufgabe 71.
Den Schlagschatten zu bestimmen,
welchen der Stein zWX auf die Mauer wirft. Fig 37.
Auflösung. Man suche die Mitte W′ der Geraden WP
und verfahre, wie bei der vorhergehenden Aufgabe. Zur Darstel-
lung des Schattens der Kante zW verbinde man z mit w, so
ist zww′ die Grenze des geforderten Schattens.
Aufgabe 72.
Es soll der Schlagschatten angegeben
werden, welcher durch den aus der Mauer hervorragenden Stein
dik auf derselben verursacht wird. Fig. 37.
Auflösung. Man verbinde die drei Eckpunkte d, i, f
mit dem Hauptpunkte P, theile jede dieser Linien dP, iP und
fP in zwei gleiche Theile, wodurch die Punkte l, m und n
als Ecken einer dem Parallelogramm dif ähnlichen Figur lmn ge-
funden werden. Sodann ziehe man die Gerade l\frac{T}{2} und parallel
mit dieser durch d die Linie de. Ferner verlängere man hg,
sofern sie noch nicht durch de geschnitten wurde, bis zur
Durchschneidung derselben in e. Von e ziehe man eine Senk-
rechte ed′ von unbestimmter Länge und ziehe von d eine Pa-
rallele mit l\frac{N}{2}, welche ed′ in d′ schneidet. Durch d′ lege man
die Horizontale d′i′. In dem Punkte i′, welcher der Durch-
schnittspunkt der Horizontalen d′i′ mit der Geraden ii′ ist,
welche durch i parallel mit m\frac{N}{2} gezogen worden, errichte man
die unbestimmt lange Senkrechte i′f′. Den Endpunkt f′ der-
selben findet man durch Ziehung der Linie ff′ durch f als
Parallele mit n\frac{N}{2}. Endlich verbinde man h mit d′ und k mit
f′ und der geforderte Schatten ist gefunden.
Anmerkung. Die Zeichnung des von dem Steine Y ge
worfenen Schattens geschieht auf dieselbe Weise. Man ersieht
daraus, dass die Schlagschatten unter einander paralleler Steine,
welche auf einer und derselben Ebene hervorragen, gleichfalls
parallel unter einander sind, wie auch die Ansicht dieser Steine
gemäss ihrer Lage zum Hauptpunkte sein mag.
Aufgabe 73.
Den Schlagschatten in der Mauerblende
OMQR zu finden. Fig. 37.
Auflösung. Man ziehe die Linie OP und aus der Mitte
o derselben die Linie o\frac{T}{2}. Mit dieser Linie o\frac{T}{2} parallel ziehe
man den Streifschatten OU und errichte in U die unbestimmt
lange Senkrechte US. Ferner ziehe man die Gerade MP und
verbinde deren Mitte M′ mit \frac{N}{2} durch eine Gerade. Mit dieser
parallel ziehe man MS, welche die Länge der Senkrechten US
bestimmt. Von S ziehe man die Horizontale SV, welche den
Schlagschatten eines Theils der Kante MQ giebt. Endlich ver-
binde man V mit Q, wodurch der von dem übrigen Theile von
MQ auf der verschwindenden Mauerfläche verursachte Streif-
schatten erhalten wird.
Aufgabe 74.
Der von der Mauerecke ECF auf die
Treppenstufen H, I und L geworfene Schatten soll dargestellt
werden. Fig. 37.
(NB. Die richtige Zeichnung der Stufen, bei denen das
Verhältniss der Höhe zur Breite gewöhnlich wie 1 zu 2 ist,
geschieht am kürzesten, wenn man von den Endpunkten G
und H der obern und untern Kante der untersten Stufe Linien
nach \frac{D}{2} auf der Hauptlothrechten zieht. Zwischen diese beiden
Linien fallen die Höhen und Breiten aller übrigen Stufen.)
Auflösung. Man zeichne auf die bereits oben angegebene
Art den Streifschatten Ev, den senkrechten Schlagschatten vu
5*
und von u aus wieder den unbestimmt langen Streifschatten uq.
Den Endpunkt q desselben bezeichnet die Linie Cq, welche
parallel mit der aus der Mitte c′ von CP gezogenen Linie c′\frac{N}{2}
ist. Von q ziehe man in der Richtung nach dem Hauptpunkte
qr bis an die Grundlinie der zweiten Stufe. Ferner verlängere
man die Senkrechte IK bis o′, ziehe Kp in der Richtung der
Streifschatten. Der Endpunkt p derselben wird durch die Linie
o′p bestimmt, welche parallel mit der aus der Mitte o″ von o′P
gezogenen Linie o″\frac{N}{2} ist. Durch p ziehe man über die ganze
Breite der Stufe die Linie st in der Richtung nach P und verbinde
s mit r und t mit F. Dann stellt die gebrochene Linie Ftsrq
den Schatten der Kante CF, und quvE den der Kante CE dar.
Wir haben bisher die Schlagschatten einfach durch eine
Linie begränzt und ganz davon abgesehen, dass in der Natur
zwischen jedem Schlagschatten und der erleuchteten Fläche ein
Halbschatten sich befindet, welcher desto breiter ist, je grösser
der Durchmesser des leuchtenden Körpers oder der Abstand
des schattenwerfenden Gegenstandes von der Schattengrenze ist.
Wäre der leuchtende Körper ein blosser Punkt, so würde kein
Halbschatten entstehen können.
Aufgabe 75.
Den Schatten und Halbschatten darzu-
stellen, welche das Parallelopipedum EAC auf den Grund wirft.
TS ist die Erhebung und TP der Abstand der Sonne. Ihr
Durchmesser ist ac. Fig. 38.
Auflösung. Man trage den Halbmesser der Sonne zu
beiden Seiten von T ab, so dass be = ac. Nun ziehe man
bB und eB und verlängere beide über B hinaus; ferner ziehe
man bF und eF und verlängere auch diese beiden über F hin-
aus; nun ziehe man TC, bis g verlängert. Sodann ziehe man
die Gerade aD, deren Verlängerung Cg in h schneidet, und
cD, welche verlängert die Linie von T durch C in g trifft.
Die Horizontale hf, die in den Hauptpunkt gehende hi und fB
und iF begrenzen den eigentlichen Schatten des Körpers EAC;
die Horizontale gd, die in den Hauptpunkt verschwindende gk
und dB und kF bezeichnen die Breite des Halbschattens. Es
versteht sich von selbst, dass die Ecken d, g und k abgerundet
erscheinen.
Der Halbschatten an der Mauer KIL ist nach dem Vor-
hergehenden leicht darzustellen.
II. Schatten,
welche von einem in endlicher Entfernung befind-
lichen (künstlichen) Lichte verursacht werden.
Da die Lichtstrahlen eines solchen Lichts nicht parallel
unter einander sind, sondern nach allen Seiten hin divergiren,
so folgt daraus, dass auch die durch dasselbe hervorgebrachten
Schlagschatten desto mehr an Breite zunehmen, je länger sie
werden, vorausgesetzt, dass der schattenwerfende Körper dem
Lichte eine grössere Fläche zukehrt, als dieses selbst ist.
Auch zu der Konstruktion der durch ein künstliches Licht
hervorgebrachten Schlagschatten bedürfen wir derselben beiden
Punkte, welche wir bei der Darstellung der von einem unend-
lich entfernten Lichte verursachten Schatten nöthig hatten, —
nämlich des Mittelpunktes des Lichts und des Fusses dessel-
ben, d. h. desjenigen Punktes, in welchem eine aus dem Lichte
auf die Ebene, welche den Schlagschatten als Streifschatten
auffängt, gefällte Senkrechte diese Ebene trifft.
Aufgabe 76.
In einem durch eine Kerze X erleuch-
teten Zimmer soll der Schatten, welcher durch den Tisch ABC,
auf welchem die Kerze steht, auf die Wand und den Boden
geworfen wird, gezeichnet werden. Fig. 39.
Auflösung. Man suche den Fuss des Lichts auf
dem Boden, indem man die Horizontale bc, die Senkrechten
ca und bx′ und die Horizontale ax′ zieht. Der Durchschnitt x′
der letztern in der senkrechten Verlängerung von Xb ist der
Fuss des Lichtes auf dem Boden. Nun ziehe man von x′
durch die unteren Endpunkte E und F der Senkrechten BE und
CF unbestimmt lange Linien x′e und x′f. Die Punkte e und
f, in welchen diese von der vom Lichte X durch B und C ge-
zogenen Linien XBe und XCf geschnitten werden, bezeichnen
die Schatten der vorderen Tischecken B und C. Zieht man von
e und f die Horizontalen ed und fi und verbindet man e mit
f, so umschliessen diese drei Linien den von der Tischplatte
auf den Boden geworfenen Schlagschatten. Wenn, wie hier es
der Fall ist, die Tischplatte parallel mit dem Boden ist, werden
auch diese Grenzlinien des Schattens (perspektivisch) parallel
mit den Kanten des Tisches sein, deren Schatten sie sind.
Endlich ziehe man die Linie Ad, welche den Streifschatten
darstellt, der von einem Theile der Kante AB herrührt.
Anmerkung. Dieser Streifschatten kann auch selbstän-
dig gefunden werden, wenn man den Fuss des Lichts auf der
Wand sucht, auf welcher der Streifschatten entsteht. (Dieser
Fuss x ist nach dem Vorigen der Durchschnittspunkt der
Horizontalen Xx und der Senkrechten cx, welche in dem
Endpunkte c der von b bis an die Wand gezogenen Horizon-
talen bc errichtet worden.) Die von x über A gezogene Gerade
wird, genugsam verlängert, in d die Grundlinie der Wand
treffen, und den gesuchten Streifschatten geben.
Der hinter dem Tische verborgene andere Streifschatten
wird durch die Linie xi dargestellt, welche über die andere an
die Wand stossende Ecke des Tisches gezogen wurde.
Aufgabe 77.
Die innerhalb der Fensternischen fal-
lenden Schlagschatten zu finden. Fig. 39.
Auflösung. Da der Fuss des Lichts zwischen die bei-
den Fenster fällt, so werden die beiden dem Fusse zunächst
befindlichen durch h und l gehenden Fensterkanten die Schlag-
schatten erzeugen. Man wird diese durch Zeichnung der an
den horizontalen Ueberdeckungen der Nischen entstehenden Streif-
schatten hk und ln am besten bestimmen. Zu dem Zwecke
suche man den Fuss des Lichts auf der verlängerten Ebene
dieser Ueberdeckungen, welches auf folgende Art geschieht:
Man errichte in c und X die unbestimmt langen Senkrechten
cg und Xx″, ziehe die Gerade hl (welche als Richtung der
oberen Mauerkanten der Fensternischen den Hauptpunkt zum
Verschwindungspunkt hat) und ziehe von dem Durchschnitts-
punkte g der Senkrechten cg eine Horizontale, welche die Senk-
rechte Xx″ in x″ schneidet, dann ist x″ der gesuchte Fuss
des Lichts.
Nun ziehe man von x″ die Linien x″hk und x″ln, welche
die Streifschatten geben. Die Senkrechte durch n bestimmt die
Grenze des Schlagschattens auf der beleuchteten Leibung des
hintern Fensters. Dasselbe Verfahren wende man auch in Be-
treff der Schatten auf den Fensterbänken an.
Aufgabe 78.
Die Schlagschatten des Deckengebälks
zu zeichnen. Fig. 39.
Auflösung. Zuerst suche man die Richtung der Streif-
schatten, welche die Balkenkanten MK und SN auf den zwi-
schen den Balken befindlichen Theil der Hinterwand werfen.
Zu dem Zweck suche man den Fuss des Lichts x‴ auf der
Hinterwand. (Diesen findet man, wenn man von x′ eine Linie
in der Richtung nach dem Hauptpunkte zieht, und da, wo sie
die Grundlinie der Hinterwand berührt eine Senkrechte errich-
tet; wenn man ferner auch aus X eine Linie in der Richtung
nach dem Hauptpunkte zieht. Der Punkt x‴, in welchem diese
jene Senkrechte schneidet, ist der gesuchte Fuss des Lichts.)
Von dem Fusse des Lichts x‴ ziehe man durch M und S
Gerade und verlängere sie so weit, bis sie die Horizontale, welche
die Balkendicke bezeichnet, in m und T treffen. Durch m und
T ziehe man aus P die Linien mp und TO, so werden diese
die Breiten der Schlagschatten angeben, welche von den ver-
schwindenden Balken an die zwischen denselben befindliche
Decke geworfen werden.
Da die senkrechte Vorderfläche des dritten horizontalen
Balkens (von vorn an gerechnet) tiefer im Bilde sich befindet,
als das Licht, so ist sie beleuchtet. Die Streifschatten, welche
die verschwindenden Balken auf derselben verursachen, erhält
man einfach durch das Ziehen der Geraden on u. s. w.
Da der zweite horizontale Balken sich diesseits des Lichts
befindet, so muss dessen vordere senkrechte Fläche im Schatten
sein und die Kante HR einen Schlagschatten auf die zwischen
den Balken befindliche Bretterdecke, und Streifschatten auf den
zwischen den Balken liegenden Theil beider verschwindenden
Seitenwände werfen. Wir wollen die Breite der Schlagschatten
wieder vermittelst der Streifschatten bestimmen.
Der Streifschatten HI ist die Verlängerung der Linie,
welche durch H aus dem Fusse des Lichts x auf der Wand
links, und der Streifschatten RQ ist die Verlängerung der Linie,
welche durch R aus dem Fusse des Lichts z auf der Wand
rechts gezogen worden.
Zieht man nun durch I und Q die Horizontale ILOQ, so
giebt diese die Breite des von dem Balken geworfenen Schlag-
schattens an.
Die Gerade rq giebt den hier entstehenden Streifschatten,
welcher auch aus dem Fusse des Lichts z′ durch r hätte ge-
zogen werden können.
Aufgabe 79.
Es soll der Schlagschatten dargestellt
werden, welchen die geöffnete Thür ZV theils auf die Wand,
theils auf den Boden wirft. Fig. 39.
(NB. Um die Thür richtig zu zeichnen, beschreibe man
auf dem Boden den Halbkreis, den ihre Vorderkante beim
Oeffnen beschreibt, und dessen Mittelpunkt unter den Angeln
in V liegt. In diesen Halbkreis wird die Vorderkante 2 der
Thür immer fallen, wie weit sie auch geöffnet sein mag. Die
Dicke bildet die Tangente des Halbkreises. Ist die Richtung
der Thür durch 2V gegeben, so verlängere man diese Linie
bis f′ im Horizont, und ziehe von f′ über 1 nach Z, so ist 1Z
die mit 2V parallele Oberkante der Thür.)
Auflösung. Man ziehe von dem Fusse des Lichts auf
dem Boden die Linie x′2 und verlängere dieselbe bis an die
Wand, wodurch der Punkt W bestimmt wird. In W errichte
man die Senkrechte WY und mache diese so lang, dass sie
von der verlängerten XZ geschnitten wird. Von diesem Durch-
schnittspunkte Y ziehe man Y1 nach der Ecke der Thür, so
ist der geforderte Schlagschatten gefunden.
Aufgabe 80.
Den Schlagschatten zu zeichnen, wel-
chen das über der Thür befindliche Simsbrett an der Wand
verursacht. Fig. 39.
Auflösung. Man ziehe von dem Fusse des Lichts z auf
der betreffenden Wand die Linie zu und verlängere dieselbe,
bis sie die von X über s gezogene Gerade sv in v schneidet.
In v errichte man eine Senkrechte, welche von der aus X über
t gezogenen Geraden in w getroffen wird, von w ziehe man
eine Linie nach P, welche hinter dem Simsbrett verschwindet.
Dann giebt die letztere den Schatten der verschwindenden Ober-
kante, wv den der Kante ts und uv den der Kante su.
Anmerkung. Wenn das Sonnenlicht unter übrigens glei-
chen Umständen nur in grösserer oder geringerer Entfernung
vom Auge die Gegenstände schwächer oder stärker erleuchtet,
von einer Veränderung des Lichtgrades durch die verschiedene
Entfernung der beleuchteten Körper von dem Lichte aber be-
greiflich nicht die Rede sein kann, so steht dagegen bei dem
künstlichen Lichte die Intensität der Beleuchtung in direktem
Verhältniss zu der Entfernung desselben von dem beleuchteten
Gegenstande. Je näher ein leuchtender Körper in endlicher
Entfernung dem beleuchteten Gegenstande, desto heller — je
ferner davon, desto schwächer und verdünnter dessen Licht.
Von der Spiegelung.
Noch bleibt ein dem Maler nicht unwichtiger Gegenstand
zu erledigen — nämlich die von einer Spiegelfläche zurück-
geworfenen Bilder perspektivisch dargestellter Gegenstände rich-
tig zu zeichnen.
Da es in der Malerei in der Regel nur die Oberfläche des
unbewegten Wassers ist, welche zur Zeichnung der Spiegel-
bilder Veranlassung giebt, und die von vertikal stehenden Spie-
geln reflektirten Bilder mit geringer Modifikation nach denselben
Regeln konstruirt werden, so genügt es hier, bloss die auf der
horizontalen Ebene erscheinenden Spiegelungen zu betrachten.
Das dieser Erscheinung zum Grunde liegende Gesetz ist
dieses: dass der Lichtstrahl, welcher auf eine Spiegelfläche
trifft, unter demselben Winkel von derselben reflektirt wird,
unter welchem er auf dieselbe traf. — Fig. 40.
Befindet sich z. B. das Auge in O und sieht auf der Spiegelfläche
AB das Bild von F zurückgeworfen, welches in dem Punkte C ge-
schieht, so ist der Einfallswinkel FCA gleich dem Ausfallswinkel
BCO. Oder es erscheint dem Auge O der Punkt F so weit hinter
der Spiegelfläche, als er in Wirklichkeit vor derselben steht,
so dass es denselben in der Verlängerung von OC in F′ ge-
wahrt. Für den Fall, dass das Auge sich in E befände und
senkrecht auf den Spiegel AB gerichtet wäre, würde es sich
selbst sehen, aber so weit hinter dem Spiegel, als es vor
demselben sich befindet.
Daraus folgt in Bezug auf die horizontale Spiegelebene
die allgemeine Regel: dass, um die Spiegelung eines gegebenen
Punktes zu finden, man von demselben eine Senkrechte bis auf
die Spiegelfläche oder — wenn diese nicht so weit geht —
deren Verlängerung fällt, und diese um ihre eigene Länge nach
unten fortsetzt. Der Endpunkt dieser Verlängerung ist die
Spiegelung des gegebenen Punktes.
Auf diese Regel gründen sich nun die Auflösungen folgender
Aufgaben.
Aufgabe 81.
Auf einem stehenden Wasser soll die
Spiegelung der senkrechten Kante GH gezeichnet werden.
Fig. 40.
Auflösung. Man verlängere diese Kante GH über H
hinaus und mache gH gleich GH, so ist jene die Spiegelung
der letztern.
Aufgabe 82.
Die Spiegelung der beiden Stufen II′
und ML zu finden. Fig. 40.
Auflösung. Die Spiegelung von ML wird nach An-
leitung der vorhergehenden Auflösung gezeichnet. Um aber die
von II′ zu finden, muss man den Punkt suchen, in welchem
die Verlängerung derselben die unter den Stufen fortgesetzt
gedachte Wasserfläche trifft. Dieser Punkt ist derjenige, in
welchem die von L nach P gezogene Gerade (also Horizon-
tale) die Verlängerung der Senkrechten II′ schneidet. Die
Länge von IK unterhalb K senkrecht abgetragen, giebt den
Punkt i als Spiegelung von I. Zieht man nun Horizontalen
durch m und i, so sind die Spiegelbilder beider Stufen gezeich-
net. Verbindet man g mit i, so erhält man auch die Spie-
gelung der Kante GI. Da für GI der Hauptpunkt der Ver-
schwindungspunkt ist, muss er es auch für gi sein.
Anmerkung. Man sieht hierbei, dass die horizontalen
Aufsichten, wie hier die der Stufen und der Ufermauer, sich
niemals im Wasser spiegeln können, ja dass durch deren Da-
zwischentreten die Spiegelbilder weiter zurückgelegener Gegen-
stände nur theilweise hinter den Bildern sichtbar werden, die
von näheren Objekten herrühren, wie z. B. hier der Reflex der
Vorderfläche der obersten Stufe.
Aufgabe 83.
Die Spiegelung der Mauern WVSU zu
zeichnen. Fig. 40.
Auflösung. Man verlängere SU bis u in der Linie LP
und trage die Länge Su senkrecht unter u bis s ab, welcher
Punkt die Spiegelung von S ist. Nachdem man auch die übri-
gen senkrechten Kanten der Mauer unbestimmt herabwärts ver-
längert hat, ziehe man durch s die Horizontale sv, von P nach
s, und über v nach v′, wodurch die verschwindenden Kanten
des Spiegelbildes bestimmt werden.
Anmerkung. Das vom Wasser reflektirte Bild des weiter
entfernten Thurmes w wird auf dieselbe Weise gefunden. Dessen
Vorderseite würde, herabwärts verlängert, in x die verlängert
gedachte Wasserebene berühren; also w′z muss gleich wx ge-
macht werden, wodurch es sich ergiebt, dass der Thurm, der
bedeutend über S hervorragt, ein Spiegelbild auf der Wasser-
fläche erzeugt, welches das der Mauer s noch nicht erreicht.
Aufgabe 84.
Das Spiegelbild der menschlichen Figur
np zu zeichnen. Fig. 40.
Auflösung. Man ziehe von p eine Horizontale bis zu
der Verschwindenden GP, von dem Durchschnittspunkte beider
ziehe man eine Senkrechte bis zu der Verschwindenden LP,
welche in der verlängerten Wasserfläche fortläuft; von diesem
Durchschnittspunkte ziehe man wieder eine Horizontale bis zu
der verlängerten np, dann ist die Länge np′ in der senkrechten
Richtung unterhalb p′ abzutragen, wodurch der Punkt n′, der
den Scheitel des Spiegelbildes der Figur bezeichnet, gefun-
den wird.
Aufgabe 85.
Das Spiegelbild des über die Ufermauer
hervorstehenden Steins bcX zu finden. Fig. 40.
Auflösung. Man ziehe die Senkrechten Xy′ und Yy bis
auf die Wasserfläche, verlängere beide um ihre eigene Grösse
bis X′ und Y′, ziehe von P Linien durch X′ und Y′ und ver-
längere beide, bis sie durch die von a und b gefällten Senk-
rechten in a′ und b′ geschnitten werden. Ferner ziehe man die
Gerade b′a′, ziehe die Senkrechte a′c′ gleich ac, ziehe ferner
durch c′ und b′ Parallelen mit a′b′ und a′c′ und führe von c′
eine Gerade nach P, so ist die Aufgabe aufgelöset.
Aufgabe 86.
Das Spiegelbild der Böschungsfläche
QQ′RR′ zu finden. Fig. 40.
Auflösung. Man verlängere Qr und Qr′ um deren
eigene Grösse bis q und q′. Dann ziehe man qR und q′R′.
Die Steinfugen werden auf ähnliche Art behandelt.
Aufgabe 87.
Die Spiegelung der Bogennische zu zeich-
nen. Fig. 40.
Auflösung. Man suche die Spiegelungen der Mittelpunkte
Z und z, welche nach dem Vorigen in Z′ und z′ gefunden
sind. Aus diesen letztern beschreibe man mit denselben Radien
Halbkreise, mit welchen die oberen beschrieben worden sind.
Anmerkung. Die Schatten der Spiegelbilder werden be-
greiflicherweise eben so, wie deren Umrisse und Theile von den
Gegenständen selbst entnommen. Es bleibt dabei nur die allge-
meine Regel zu beobachten, dass die Schatten nicht so dunkel
und die Lichter nicht so hell gehalten werden dürfen, wie die
Gegenstände sie zeigen, da jede Spiegelfläche, je nach ihrer
geringern oder grössern Reinheit, beide mehr oder weniger
schwächt.