Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Caplan gewesen wäre, wie ihre Mutter meine, und was sie da wolle. Sie wurde verlegen und fing wieder an zu weinen und sagte endlich, sie habe heimlich etwas Weihwasser geholt für ihre kleine Schwester, die erfrorene Hand damit einzureiben. Das fand er keineswegs tadelnswerth, nur daß sie weinte und so zögernd antwortete, schien ihm auffallend. Warum sie denn von Petrick fortgegangen sei, erkundigte er sich nun und fügte hinzu, einen so traurigen Abend, wie den gestrigen, habe er selten gehabt, da er sie nicht gefunden. Du bliebst so lange fort, sagte sie zitternd, und es litt mich nicht bei dem alten schweigsamen Manne in der Nähe des Hauses, aus dem sie die Urte fortgetragen hatten -- ich sah immer den schwarzen Sarg bei Tag und bei Nacht. Das war kaum eine ausreichende Erklärung, aber Ansas nahm sie ohne Bedenken dafür und sprach seine Freude darüber aus, daß er das tobsüchtige Weib nicht mehr angetroffen habe; darauf schwieg sie und hätte doch froh einstimmen müssen, wie er dachte. Sie war überhaupt so eigen und ganz verändert -- gar nicht mehr so munter und beweglich wie früher. Das kommt wohl daher, überlegte Ansas, weil sie die Hochzeit wieder gestört meint; er hatte aber keinen rechten Muth, davon anzufangen. Du wirst doch die Nacht bei uns bleiben? fragte Grita, als sie im Dorf anlangten. Er trat mit ihr in ihrer Mutter Haus. Es brannte Licht in der Caplan gewesen wäre, wie ihre Mutter meine, und was sie da wolle. Sie wurde verlegen und fing wieder an zu weinen und sagte endlich, sie habe heimlich etwas Weihwasser geholt für ihre kleine Schwester, die erfrorene Hand damit einzureiben. Das fand er keineswegs tadelnswerth, nur daß sie weinte und so zögernd antwortete, schien ihm auffallend. Warum sie denn von Petrick fortgegangen sei, erkundigte er sich nun und fügte hinzu, einen so traurigen Abend, wie den gestrigen, habe er selten gehabt, da er sie nicht gefunden. Du bliebst so lange fort, sagte sie zitternd, und es litt mich nicht bei dem alten schweigsamen Manne in der Nähe des Hauses, aus dem sie die Urte fortgetragen hatten — ich sah immer den schwarzen Sarg bei Tag und bei Nacht. Das war kaum eine ausreichende Erklärung, aber Ansas nahm sie ohne Bedenken dafür und sprach seine Freude darüber aus, daß er das tobsüchtige Weib nicht mehr angetroffen habe; darauf schwieg sie und hätte doch froh einstimmen müssen, wie er dachte. Sie war überhaupt so eigen und ganz verändert — gar nicht mehr so munter und beweglich wie früher. Das kommt wohl daher, überlegte Ansas, weil sie die Hochzeit wieder gestört meint; er hatte aber keinen rechten Muth, davon anzufangen. Du wirst doch die Nacht bei uns bleiben? fragte Grita, als sie im Dorf anlangten. Er trat mit ihr in ihrer Mutter Haus. Es brannte Licht in der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0087"/> Caplan gewesen wäre, wie ihre Mutter meine, und was sie da wolle. Sie wurde verlegen und fing wieder an zu weinen und sagte endlich, sie habe heimlich etwas Weihwasser geholt für ihre kleine Schwester, die erfrorene Hand damit einzureiben. Das fand er keineswegs tadelnswerth, nur daß sie weinte und so zögernd antwortete, schien ihm auffallend. Warum sie denn von Petrick fortgegangen sei, erkundigte er sich nun und fügte hinzu, einen so traurigen Abend, wie den gestrigen, habe er selten gehabt, da er sie nicht gefunden. Du bliebst so lange fort, sagte sie zitternd, und es litt mich nicht bei dem alten schweigsamen Manne in der Nähe des Hauses, aus dem sie die Urte fortgetragen hatten — ich sah immer den schwarzen Sarg bei Tag und bei Nacht. Das war kaum eine ausreichende Erklärung, aber Ansas nahm sie ohne Bedenken dafür und sprach seine Freude darüber aus, daß er das tobsüchtige Weib nicht mehr angetroffen habe; darauf schwieg sie und hätte doch froh einstimmen müssen, wie er dachte.</p><lb/> <p>Sie war überhaupt so eigen und ganz verändert — gar nicht mehr so munter und beweglich wie früher. Das kommt wohl daher, überlegte Ansas, weil sie die Hochzeit wieder gestört meint; er hatte aber keinen rechten Muth, davon anzufangen.</p><lb/> <p>Du wirst doch die Nacht bei uns bleiben? fragte Grita, als sie im Dorf anlangten. Er trat mit ihr in ihrer Mutter Haus. Es brannte Licht in der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
Caplan gewesen wäre, wie ihre Mutter meine, und was sie da wolle. Sie wurde verlegen und fing wieder an zu weinen und sagte endlich, sie habe heimlich etwas Weihwasser geholt für ihre kleine Schwester, die erfrorene Hand damit einzureiben. Das fand er keineswegs tadelnswerth, nur daß sie weinte und so zögernd antwortete, schien ihm auffallend. Warum sie denn von Petrick fortgegangen sei, erkundigte er sich nun und fügte hinzu, einen so traurigen Abend, wie den gestrigen, habe er selten gehabt, da er sie nicht gefunden. Du bliebst so lange fort, sagte sie zitternd, und es litt mich nicht bei dem alten schweigsamen Manne in der Nähe des Hauses, aus dem sie die Urte fortgetragen hatten — ich sah immer den schwarzen Sarg bei Tag und bei Nacht. Das war kaum eine ausreichende Erklärung, aber Ansas nahm sie ohne Bedenken dafür und sprach seine Freude darüber aus, daß er das tobsüchtige Weib nicht mehr angetroffen habe; darauf schwieg sie und hätte doch froh einstimmen müssen, wie er dachte.
Sie war überhaupt so eigen und ganz verändert — gar nicht mehr so munter und beweglich wie früher. Das kommt wohl daher, überlegte Ansas, weil sie die Hochzeit wieder gestört meint; er hatte aber keinen rechten Muth, davon anzufangen.
Du wirst doch die Nacht bei uns bleiben? fragte Grita, als sie im Dorf anlangten. Er trat mit ihr in ihrer Mutter Haus. Es brannte Licht in der
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Zitationshilfe: | Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/87>, abgerufen am 16.02.2025. |