Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Komm, sagte sie mild, mir graut nicht mehr, über die Haide zu gehn. -- Kurze Zeit nach diesen Vorfällen wurde in den Amtsstuben und in öffentlichen Blättern viel gesprochen von einer Schmugglerbande, die sich an der Grenze organisirt habe und die Gegend unsicher mache. Die russischen Postenketten wurden verdoppelt, aber es gelang den Waghalsigen, die auch vor dem Kampf mit Waffen nicht zurückschreckten, jedesmal auf ihren schnellen Pferden bedeutende Waarentransporte durchzubringen. An der Spitze sollte ein junger Littauer stehen, der früher Preußischer Soldat gewesen sei, Haus und Hof durch seine Prozeßsucht verloren habe und nun ein abenteuerndes Leben führe. Es fehlte nicht an allerhand romantischen Erzählungen von seinen kühnen Streichen, Ueberraschungen, scharfen Ritten, siegreichen Gefechten. Auch wollte man wissen, daß ihn sein junges Weib überall hin begleite, und daß dasselbe ein goldenes, mit kostbaren Steinen besetztes Kreuz trage, unter denen ein Talisman, der vor jeder Gefahr schütze. Bald wurden littauische Lieder auf sie gemacht und in den Spinnstuben gesungen. Die russische Regierung aber setzte einen großen Preis aus für Den, der die Beiden einfinge. Lange entgingen sie allen Nachstellungen, denn die abergläubischen Grenzsoldaten hielten sich gern in gemessener Entfernung. Endlich wurde das Treiben der Schmuggler so Komm, sagte sie mild, mir graut nicht mehr, über die Haide zu gehn. — Kurze Zeit nach diesen Vorfällen wurde in den Amtsstuben und in öffentlichen Blättern viel gesprochen von einer Schmugglerbande, die sich an der Grenze organisirt habe und die Gegend unsicher mache. Die russischen Postenketten wurden verdoppelt, aber es gelang den Waghalsigen, die auch vor dem Kampf mit Waffen nicht zurückschreckten, jedesmal auf ihren schnellen Pferden bedeutende Waarentransporte durchzubringen. An der Spitze sollte ein junger Littauer stehen, der früher Preußischer Soldat gewesen sei, Haus und Hof durch seine Prozeßsucht verloren habe und nun ein abenteuerndes Leben führe. Es fehlte nicht an allerhand romantischen Erzählungen von seinen kühnen Streichen, Ueberraschungen, scharfen Ritten, siegreichen Gefechten. Auch wollte man wissen, daß ihn sein junges Weib überall hin begleite, und daß dasselbe ein goldenes, mit kostbaren Steinen besetztes Kreuz trage, unter denen ein Talisman, der vor jeder Gefahr schütze. Bald wurden littauische Lieder auf sie gemacht und in den Spinnstuben gesungen. Die russische Regierung aber setzte einen großen Preis aus für Den, der die Beiden einfinge. Lange entgingen sie allen Nachstellungen, denn die abergläubischen Grenzsoldaten hielten sich gern in gemessener Entfernung. Endlich wurde das Treiben der Schmuggler so <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0107"/> Komm, sagte sie mild, mir graut nicht mehr, über die Haide zu gehn. —</p><lb/> </div> <div n="4"> <p>Kurze Zeit nach diesen Vorfällen wurde in den Amtsstuben und in öffentlichen Blättern viel gesprochen von einer Schmugglerbande, die sich an der Grenze organisirt habe und die Gegend unsicher mache. Die russischen Postenketten wurden verdoppelt, aber es gelang den Waghalsigen, die auch vor dem Kampf mit Waffen nicht zurückschreckten, jedesmal auf ihren schnellen Pferden bedeutende Waarentransporte durchzubringen. An der Spitze sollte ein junger Littauer stehen, der früher Preußischer Soldat gewesen sei, Haus und Hof durch seine Prozeßsucht verloren habe und nun ein abenteuerndes Leben führe. Es fehlte nicht an allerhand romantischen Erzählungen von seinen kühnen Streichen, Ueberraschungen, scharfen Ritten, siegreichen Gefechten. Auch wollte man wissen, daß ihn sein junges Weib überall hin begleite, und daß dasselbe ein goldenes, mit kostbaren Steinen besetztes Kreuz trage, unter denen ein Talisman, der vor jeder Gefahr schütze. Bald wurden littauische Lieder auf sie gemacht und in den Spinnstuben gesungen. Die russische Regierung aber setzte einen großen Preis aus für Den, der die Beiden einfinge. Lange entgingen sie allen Nachstellungen, denn die abergläubischen Grenzsoldaten hielten sich gern in gemessener Entfernung.</p><lb/> <p>Endlich wurde das Treiben der Schmuggler so<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
Komm, sagte sie mild, mir graut nicht mehr, über die Haide zu gehn. —
Kurze Zeit nach diesen Vorfällen wurde in den Amtsstuben und in öffentlichen Blättern viel gesprochen von einer Schmugglerbande, die sich an der Grenze organisirt habe und die Gegend unsicher mache. Die russischen Postenketten wurden verdoppelt, aber es gelang den Waghalsigen, die auch vor dem Kampf mit Waffen nicht zurückschreckten, jedesmal auf ihren schnellen Pferden bedeutende Waarentransporte durchzubringen. An der Spitze sollte ein junger Littauer stehen, der früher Preußischer Soldat gewesen sei, Haus und Hof durch seine Prozeßsucht verloren habe und nun ein abenteuerndes Leben führe. Es fehlte nicht an allerhand romantischen Erzählungen von seinen kühnen Streichen, Ueberraschungen, scharfen Ritten, siegreichen Gefechten. Auch wollte man wissen, daß ihn sein junges Weib überall hin begleite, und daß dasselbe ein goldenes, mit kostbaren Steinen besetztes Kreuz trage, unter denen ein Talisman, der vor jeder Gefahr schütze. Bald wurden littauische Lieder auf sie gemacht und in den Spinnstuben gesungen. Die russische Regierung aber setzte einen großen Preis aus für Den, der die Beiden einfinge. Lange entgingen sie allen Nachstellungen, denn die abergläubischen Grenzsoldaten hielten sich gern in gemessener Entfernung.
Endlich wurde das Treiben der Schmuggler so
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Zitationshilfe: | Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/107>, abgerufen am 16.02.2025. |