Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Derwisch sah ihn lächelnd an. -- Ed-
ler Mann! wo sollte ich dich suchen? fragte
er mit gefälliger Freundlichkeit.

Belphegor besann sich und merkte, daß
ihm die Schwärmerey seiner Einbildungs-
kraft den Streich gespielt hatte, ihn einen
solchen Anachronismus begehen zu lassen. --
Nun, so fahre fort! sprach er erröthend. --

Bester Freund, sagte der Derwisch nach
einer Pause, dieser einzige Zug macht dich
mir theuer. -- O hätte ich dich damals
gekannt, hättest du damals mit deinem Feuer
meinen erloschnen Muth wieder anzünden
können, wie glücklich wäre ich gewesen! ich
wäre nicht die Speise eines heimlichen
Grams geworden! -- Doch das Schicksal
half schnell: der Tyrann spannte seine Fol-
ter so stark an, daß alle Erduldung und Ge-
lassenheit zerreissen mußte. Da alle seine
Erfindungskraft im Quälen erschöpft schien,
so gab ihm eine wollüstige Laune den tollen
Gedanken ein, sie nackt sehen zu wollen.
Er gebot ihr, sich auszukleiden, und vor
seinem und etlicher Freunde Angesicht --
wie er es nannte -- a la grecque zu tanzen.
Sie wiedersetzte sich, sie stritt, sie focht: um-

sonst!

Der Derwiſch ſah ihn laͤchelnd an. — Ed-
ler Mann! wo ſollte ich dich ſuchen? fragte
er mit gefaͤlliger Freundlichkeit.

Belphegor beſann ſich und merkte, daß
ihm die Schwaͤrmerey ſeiner Einbildungs-
kraft den Streich geſpielt hatte, ihn einen
ſolchen Anachroniſmus begehen zu laſſen. —
Nun, ſo fahre fort! ſprach er erroͤthend. —

Beſter Freund, ſagte der Derwiſch nach
einer Pauſe, dieſer einzige Zug macht dich
mir theuer. — O haͤtte ich dich damals
gekannt, haͤtteſt du damals mit deinem Feuer
meinen erloſchnen Muth wieder anzuͤnden
koͤnnen, wie gluͤcklich waͤre ich geweſen! ich
waͤre nicht die Speiſe eines heimlichen
Grams geworden! — Doch das Schickſal
half ſchnell: der Tyrann ſpannte ſeine Fol-
ter ſo ſtark an, daß alle Erduldung und Ge-
laſſenheit zerreiſſen mußte. Da alle ſeine
Erfindungskraft im Quaͤlen erſchoͤpft ſchien,
ſo gab ihm eine wolluͤſtige Laune den tollen
Gedanken ein, ſie nackt ſehen zu wollen.
Er gebot ihr, ſich auszukleiden, und vor
ſeinem und etlicher Freunde Angeſicht —
wie er es nannte — à la grecque zu tanzen.
Sie wiederſetzte ſich, ſie ſtritt, ſie focht: um-

ſonſt!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0095" n="89"/>
        <p>Der Derwi&#x017F;ch &#x017F;ah ihn la&#x0364;chelnd an. &#x2014; Ed-<lb/>
ler Mann! wo &#x017F;ollte ich dich &#x017F;uchen? fragte<lb/>
er mit gefa&#x0364;lliger Freundlichkeit.</p><lb/>
        <p>Belphegor be&#x017F;ann &#x017F;ich und merkte, daß<lb/>
ihm die Schwa&#x0364;rmerey &#x017F;einer Einbildungs-<lb/>
kraft den Streich ge&#x017F;pielt hatte, ihn einen<lb/>
&#x017F;olchen Anachroni&#x017F;mus begehen zu la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;<lb/>
Nun, &#x017F;o fahre fort! &#x017F;prach er erro&#x0364;thend. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Be&#x017F;ter Freund, &#x017F;agte der Derwi&#x017F;ch nach<lb/>
einer Pau&#x017F;e, die&#x017F;er einzige Zug macht dich<lb/>
mir theuer. &#x2014; O ha&#x0364;tte ich dich damals<lb/>
gekannt, ha&#x0364;tte&#x017F;t du damals mit deinem Feuer<lb/>
meinen erlo&#x017F;chnen Muth wieder anzu&#x0364;nden<lb/>
ko&#x0364;nnen, wie glu&#x0364;cklich wa&#x0364;re ich gewe&#x017F;en! ich<lb/>
wa&#x0364;re nicht die Spei&#x017F;e eines heimlichen<lb/>
Grams geworden! &#x2014; Doch das Schick&#x017F;al<lb/>
half &#x017F;chnell: der Tyrann &#x017F;pannte &#x017F;eine Fol-<lb/>
ter &#x017F;o &#x017F;tark an, daß alle Erduldung und Ge-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;enheit zerrei&#x017F;&#x017F;en mußte. Da alle &#x017F;eine<lb/>
Erfindungskraft im Qua&#x0364;len er&#x017F;cho&#x0364;pft &#x017F;chien,<lb/>
&#x017F;o gab ihm eine wollu&#x0364;&#x017F;tige Laune den tollen<lb/>
Gedanken ein, &#x017F;ie nackt &#x017F;ehen zu wollen.<lb/>
Er gebot ihr, &#x017F;ich auszukleiden, und vor<lb/>
&#x017F;einem und etlicher Freunde Ange&#x017F;icht &#x2014;<lb/>
wie er es nannte &#x2014; <hi rendition="#aq">à la grecque</hi> zu tanzen.<lb/>
Sie wieder&#x017F;etzte &#x017F;ich, &#x017F;ie &#x017F;tritt, &#x017F;ie focht: um-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;on&#x017F;t!</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0095] Der Derwiſch ſah ihn laͤchelnd an. — Ed- ler Mann! wo ſollte ich dich ſuchen? fragte er mit gefaͤlliger Freundlichkeit. Belphegor beſann ſich und merkte, daß ihm die Schwaͤrmerey ſeiner Einbildungs- kraft den Streich geſpielt hatte, ihn einen ſolchen Anachroniſmus begehen zu laſſen. — Nun, ſo fahre fort! ſprach er erroͤthend. — Beſter Freund, ſagte der Derwiſch nach einer Pauſe, dieſer einzige Zug macht dich mir theuer. — O haͤtte ich dich damals gekannt, haͤtteſt du damals mit deinem Feuer meinen erloſchnen Muth wieder anzuͤnden koͤnnen, wie gluͤcklich waͤre ich geweſen! ich waͤre nicht die Speiſe eines heimlichen Grams geworden! — Doch das Schickſal half ſchnell: der Tyrann ſpannte ſeine Fol- ter ſo ſtark an, daß alle Erduldung und Ge- laſſenheit zerreiſſen mußte. Da alle ſeine Erfindungskraft im Quaͤlen erſchoͤpft ſchien, ſo gab ihm eine wolluͤſtige Laune den tollen Gedanken ein, ſie nackt ſehen zu wollen. Er gebot ihr, ſich auszukleiden, und vor ſeinem und etlicher Freunde Angeſicht — wie er es nannte — à la grecque zu tanzen. Sie wiederſetzte ſich, ſie ſtritt, ſie focht: um- ſonſt!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/95
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/95>, abgerufen am 06.05.2024.