Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

weil er nichts ist. -- O Akante! warum
sollten wir uns nach Hülfe umsehen? Um
noch einmal so lange unter Schlangen, Ei-
dexen, Skorpionen herumzukriechen? Haben
wir nicht Bisse und Stiche genug bekom-
men? -- Laß das verächtliche Geschlecht,
das zum Quälen allzeit, und zur Hülfe nie
bey der Hand ist, laß es! Wir wollen ihn
fluchen und sierben! --

Mit diesen schwarzen Gedanken faßte er
sie halb sinnlos in die Arme; sie weinte, er
fluchte; sie dachte an alle Oerter der Freude
zurück, wo sie jemals in Lust und Entzücken
geschwommen hatte. -- O wie schön, dachte
sie, war es im Serail des großen Fali! wie
schön bey dem Markgrafen von Saloica,
ob ich gleich alle meine Schönheiten dort
einbüßte! wie schön bey Alexander dem sech-
sten! wie schön überhaupt in Europa in den
Armen meiner Geliebten, Belphegors und
Fromals und Stentors und Bavs und
Mävs und Euphranors und andrer schönen
Jünglinge! Ach, die glückliche Zeit ist vor-
über; und hier soll ich nun auf dieser dür-
ren öden Insel ohne Gesang und Klang --
nicht einmal begraben, sondern vermodern

und

weil er nichts iſt. — O Akante! warum
ſollten wir uns nach Huͤlfe umſehen? Um
noch einmal ſo lange unter Schlangen, Ei-
dexen, Skorpionen herumzukriechen? Haben
wir nicht Biſſe und Stiche genug bekom-
men? — Laß das veraͤchtliche Geſchlecht,
das zum Quaͤlen allzeit, und zur Huͤlfe nie
bey der Hand iſt, laß es! Wir wollen ihn
fluchen und ſierben! —

Mit dieſen ſchwarzen Gedanken faßte er
ſie halb ſinnlos in die Arme; ſie weinte, er
fluchte; ſie dachte an alle Oerter der Freude
zuruͤck, wo ſie jemals in Luſt und Entzuͤcken
geſchwommen hatte. — O wie ſchoͤn, dachte
ſie, war es im Serail des großen Fali! wie
ſchoͤn bey dem Markgrafen von Saloica,
ob ich gleich alle meine Schoͤnheiten dort
einbuͤßte! wie ſchoͤn bey Alexander dem ſech-
ſten! wie ſchoͤn uͤberhaupt in Europa in den
Armen meiner Geliebten, Belphegors und
Fromals und Stentors und Bavs und
Maͤvs und Euphranors und andrer ſchoͤnen
Juͤnglinge! Ach, die gluͤckliche Zeit iſt vor-
uͤber; und hier ſoll ich nun auf dieſer duͤr-
ren oͤden Inſel ohne Geſang und Klang —
nicht einmal begraben, ſondern vermodern

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="202"/>
weil er nichts i&#x017F;t. &#x2014; O Akante! warum<lb/>
&#x017F;ollten wir uns nach Hu&#x0364;lfe um&#x017F;ehen? Um<lb/>
noch einmal &#x017F;o lange unter Schlangen, Ei-<lb/>
dexen, Skorpionen herumzukriechen? Haben<lb/>
wir nicht Bi&#x017F;&#x017F;e und Stiche genug bekom-<lb/>
men? &#x2014; Laß das vera&#x0364;chtliche Ge&#x017F;chlecht,<lb/>
das zum Qua&#x0364;len allzeit, und zur Hu&#x0364;lfe nie<lb/>
bey der Hand i&#x017F;t, laß es! Wir wollen ihn<lb/>
fluchen und &#x017F;ierben! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Mit die&#x017F;en &#x017F;chwarzen Gedanken faßte er<lb/>
&#x017F;ie halb &#x017F;innlos in die Arme; &#x017F;ie weinte, er<lb/>
fluchte; &#x017F;ie dachte an alle Oerter der Freude<lb/>
zuru&#x0364;ck, wo &#x017F;ie jemals in Lu&#x017F;t und Entzu&#x0364;cken<lb/>
ge&#x017F;chwommen hatte. &#x2014; O wie &#x017F;cho&#x0364;n, dachte<lb/>
&#x017F;ie, war es im Serail des großen Fali! wie<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n bey dem Markgrafen von Saloica,<lb/>
ob ich gleich alle meine Scho&#x0364;nheiten dort<lb/>
einbu&#x0364;ßte! wie &#x017F;cho&#x0364;n bey Alexander dem &#x017F;ech-<lb/>
&#x017F;ten! wie &#x017F;cho&#x0364;n u&#x0364;berhaupt in Europa in den<lb/>
Armen meiner Geliebten, Belphegors und<lb/>
Fromals und Stentors und Bavs und<lb/>
Ma&#x0364;vs und Euphranors und andrer &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Ju&#x0364;nglinge! Ach, die glu&#x0364;ckliche Zeit i&#x017F;t vor-<lb/>
u&#x0364;ber; und hier &#x017F;oll ich nun auf die&#x017F;er du&#x0364;r-<lb/>
ren o&#x0364;den In&#x017F;el ohne Ge&#x017F;ang und Klang &#x2014;<lb/>
nicht einmal begraben, &#x017F;ondern vermodern<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0208] weil er nichts iſt. — O Akante! warum ſollten wir uns nach Huͤlfe umſehen? Um noch einmal ſo lange unter Schlangen, Ei- dexen, Skorpionen herumzukriechen? Haben wir nicht Biſſe und Stiche genug bekom- men? — Laß das veraͤchtliche Geſchlecht, das zum Quaͤlen allzeit, und zur Huͤlfe nie bey der Hand iſt, laß es! Wir wollen ihn fluchen und ſierben! — Mit dieſen ſchwarzen Gedanken faßte er ſie halb ſinnlos in die Arme; ſie weinte, er fluchte; ſie dachte an alle Oerter der Freude zuruͤck, wo ſie jemals in Luſt und Entzuͤcken geſchwommen hatte. — O wie ſchoͤn, dachte ſie, war es im Serail des großen Fali! wie ſchoͤn bey dem Markgrafen von Saloica, ob ich gleich alle meine Schoͤnheiten dort einbuͤßte! wie ſchoͤn bey Alexander dem ſech- ſten! wie ſchoͤn uͤberhaupt in Europa in den Armen meiner Geliebten, Belphegors und Fromals und Stentors und Bavs und Maͤvs und Euphranors und andrer ſchoͤnen Juͤnglinge! Ach, die gluͤckliche Zeit iſt vor- uͤber; und hier ſoll ich nun auf dieſer duͤr- ren oͤden Inſel ohne Geſang und Klang — nicht einmal begraben, ſondern vermodern und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/208
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/208>, abgerufen am 04.05.2024.