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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Akanten und dem Alten, der in seiner Unter-
redung mit ihnen durch das gräuliche Erd-
beben gestört wurde. Belphegor war nicht
übel zufrieden, daß ihn das Schicksal so ein-
sam, fern von allen Menschen, auf die offne
See hingesetzt hatte, und ward es viel we-
niger, als er sich gegenüber ein großes festes
Land wahrnahm, welches die übrigen, weil
sie nicht so viel Menscheufeindlichkeit besaßen,
doppelt erfreute. Doch auch für ihn mußte
das Vergnügen über seine Einsamkeit nur
von kurzer Dauer seyn, wenn er die Dürf-
tigkeit und Hülflosigkeit betrachtete, worinne
sie sich befanden. Das Erdbeben hatte ih-
nen wohl einen guten Vorrath Brennholz
mitgegeben, aber nicht einen einzigen Frucht-
baum, nicht ein einziges Gewächse, nicht
eine Staude, die nur im mindsten geschickt
gewesen wäre, einen menschlichen Hunger zu
stillen. Fische zu fangen hatten sie keine
Werkzeuge, und eben so wenig Materialien,
sie zu verfertigen; gleichwohl war dieß die
einzige Nahrung, deren sie habhaft werden
konnten. Zum Glücke hatte der Alte auf
seiner Jagd nach goldnen Fischen in jüngern
Jahren die Kunst gelernt, sie bey hellem

Wasser

Akanten und dem Alten, der in ſeiner Unter-
redung mit ihnen durch das graͤuliche Erd-
beben geſtoͤrt wurde. Belphegor war nicht
uͤbel zufrieden, daß ihn das Schickſal ſo ein-
ſam, fern von allen Menſchen, auf die offne
See hingeſetzt hatte, und ward es viel we-
niger, als er ſich gegenuͤber ein großes feſtes
Land wahrnahm, welches die uͤbrigen, weil
ſie nicht ſo viel Menſcheufeindlichkeit beſaßen,
doppelt erfreute. Doch auch fuͤr ihn mußte
das Vergnuͤgen uͤber ſeine Einſamkeit nur
von kurzer Dauer ſeyn, wenn er die Duͤrf-
tigkeit und Huͤlfloſigkeit betrachtete, worinne
ſie ſich befanden. Das Erdbeben hatte ih-
nen wohl einen guten Vorrath Brennholz
mitgegeben, aber nicht einen einzigen Frucht-
baum, nicht ein einziges Gewaͤchſe, nicht
eine Staude, die nur im mindſten geſchickt
geweſen waͤre, einen menſchlichen Hunger zu
ſtillen. Fiſche zu fangen hatten ſie keine
Werkzeuge, und eben ſo wenig Materialien,
ſie zu verfertigen; gleichwohl war dieß die
einzige Nahrung, deren ſie habhaft werden
konnten. Zum Gluͤcke hatte der Alte auf
ſeiner Jagd nach goldnen Fiſchen in juͤngern
Jahren die Kunſt gelernt, ſie bey hellem

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[198/0204] Akanten und dem Alten, der in ſeiner Unter- redung mit ihnen durch das graͤuliche Erd- beben geſtoͤrt wurde. Belphegor war nicht uͤbel zufrieden, daß ihn das Schickſal ſo ein- ſam, fern von allen Menſchen, auf die offne See hingeſetzt hatte, und ward es viel we- niger, als er ſich gegenuͤber ein großes feſtes Land wahrnahm, welches die uͤbrigen, weil ſie nicht ſo viel Menſcheufeindlichkeit beſaßen, doppelt erfreute. Doch auch fuͤr ihn mußte das Vergnuͤgen uͤber ſeine Einſamkeit nur von kurzer Dauer ſeyn, wenn er die Duͤrf- tigkeit und Huͤlfloſigkeit betrachtete, worinne ſie ſich befanden. Das Erdbeben hatte ih- nen wohl einen guten Vorrath Brennholz mitgegeben, aber nicht einen einzigen Frucht- baum, nicht ein einziges Gewaͤchſe, nicht eine Staude, die nur im mindſten geſchickt geweſen waͤre, einen menſchlichen Hunger zu ſtillen. Fiſche zu fangen hatten ſie keine Werkzeuge, und eben ſo wenig Materialien, ſie zu verfertigen; gleichwohl war dieß die einzige Nahrung, deren ſie habhaft werden konnten. Zum Gluͤcke hatte der Alte auf ſeiner Jagd nach goldnen Fiſchen in juͤngern Jahren die Kunſt gelernt, ſie bey hellem Waſſer

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/204>, abgerufen am 04.05.2024.