Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

gnügen gleich, und du vergißt, daß du auf
der Erde bist. --

Nein, da sind wir nicht! Weder bey dem
Pabst Alexander, dem sechsten, noch bey
dem Markgrafen, wo meine Schönheiten
so jämmerlich verwüstet worden sind, weder
bey dem großen Fali, noch bey irgend ei-
nem Herrn, dessen Sklavinn ich gewesen
bin, habe ich eine so entzückende Kostbarkeit
angetroffen, als diese goldnen Vögel oder
diese strahlende Rehe: sie sind über alle Herr-
lichkeiten dieser Welt erhaben, und wir müs-
sen nothwendig in einem Paradiese seyn. --

Wohl! aber wissen möchte ich nur, war-
um die guten Leute in ihrem Paradiese die
Köpfe hängen. -- Sie giengen, um Er-
kundigung darüber einzuziehn, allein da sie
die Sprache nicht verstunden, so erfuhren
sie blos, was sie ihre Augen belehrten, näm-
lich daß die Leute mühsam die goldnen Vö-
gel und Rehe warten und füttern mußten,
und nach aller Wahrscheinlichkeit Lange-
weile
bey diesem Amtsgeschäfte hatten.

Weil ihre Neubegierde auf diese Art nicht
weiter gesättigt werden konnte, so wandten
sie sich auf die andre Seite, wo sich ihnen

neue
M 5

gnuͤgen gleich, und du vergißt, daß du auf
der Erde biſt. —

Nein, da ſind wir nicht! Weder bey dem
Pabſt Alexander, dem ſechſten, noch bey
dem Markgrafen, wo meine Schoͤnheiten
ſo jaͤmmerlich verwuͤſtet worden ſind, weder
bey dem großen Fali, noch bey irgend ei-
nem Herrn, deſſen Sklavinn ich geweſen
bin, habe ich eine ſo entzuͤckende Koſtbarkeit
angetroffen, als dieſe goldnen Voͤgel oder
dieſe ſtrahlende Rehe: ſie ſind uͤber alle Herr-
lichkeiten dieſer Welt erhaben, und wir muͤſ-
ſen nothwendig in einem Paradieſe ſeyn. —

Wohl! aber wiſſen moͤchte ich nur, war-
um die guten Leute in ihrem Paradieſe die
Koͤpfe haͤngen. — Sie giengen, um Er-
kundigung daruͤber einzuziehn, allein da ſie
die Sprache nicht verſtunden, ſo erfuhren
ſie blos, was ſie ihre Augen belehrten, naͤm-
lich daß die Leute muͤhſam die goldnen Voͤ-
gel und Rehe warten und fuͤttern mußten,
und nach aller Wahrſcheinlichkeit Lange-
weile
bey dieſem Amtsgeſchaͤfte hatten.

Weil ihre Neubegierde auf dieſe Art nicht
weiter geſaͤttigt werden konnte, ſo wandten
ſie ſich auf die andre Seite, wo ſich ihnen

neue
M 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0189" n="183"/>
gnu&#x0364;gen gleich, und du vergißt, daß du auf<lb/>
der Erde bi&#x017F;t. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Nein, da &#x017F;ind wir nicht! Weder bey dem<lb/>
Pab&#x017F;t Alexander, dem &#x017F;ech&#x017F;ten, noch bey<lb/>
dem Markgrafen, wo meine Scho&#x0364;nheiten<lb/>
&#x017F;o ja&#x0364;mmerlich verwu&#x0364;&#x017F;tet worden &#x017F;ind, weder<lb/>
bey dem großen Fali, noch bey irgend ei-<lb/>
nem Herrn, de&#x017F;&#x017F;en Sklavinn ich gewe&#x017F;en<lb/>
bin, habe ich eine &#x017F;o entzu&#x0364;ckende Ko&#x017F;tbarkeit<lb/>
angetroffen, als die&#x017F;e goldnen Vo&#x0364;gel oder<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;trahlende Rehe: &#x017F;ie &#x017F;ind u&#x0364;ber alle Herr-<lb/>
lichkeiten die&#x017F;er Welt erhaben, und wir mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en nothwendig in einem Paradie&#x017F;e &#x017F;eyn. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wohl! aber wi&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;chte ich nur, war-<lb/>
um die guten Leute in ihrem Paradie&#x017F;e die<lb/>
Ko&#x0364;pfe ha&#x0364;ngen. &#x2014; Sie giengen, um Er-<lb/>
kundigung daru&#x0364;ber einzuziehn, allein da &#x017F;ie<lb/>
die Sprache nicht ver&#x017F;tunden, &#x017F;o erfuhren<lb/>
&#x017F;ie blos, was &#x017F;ie ihre Augen belehrten, na&#x0364;m-<lb/>
lich daß die Leute mu&#x0364;h&#x017F;am die goldnen Vo&#x0364;-<lb/>
gel und Rehe warten und fu&#x0364;ttern mußten,<lb/>
und nach aller Wahr&#x017F;cheinlichkeit <hi rendition="#fr">Lange-<lb/>
weile</hi> bey die&#x017F;em Amtsge&#x017F;cha&#x0364;fte hatten.</p><lb/>
        <p>Weil ihre Neubegierde auf die&#x017F;e Art nicht<lb/>
weiter ge&#x017F;a&#x0364;ttigt werden konnte, &#x017F;o wandten<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich auf die andre Seite, wo &#x017F;ich ihnen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 5</fw><fw place="bottom" type="catch">neue</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0189] gnuͤgen gleich, und du vergißt, daß du auf der Erde biſt. — Nein, da ſind wir nicht! Weder bey dem Pabſt Alexander, dem ſechſten, noch bey dem Markgrafen, wo meine Schoͤnheiten ſo jaͤmmerlich verwuͤſtet worden ſind, weder bey dem großen Fali, noch bey irgend ei- nem Herrn, deſſen Sklavinn ich geweſen bin, habe ich eine ſo entzuͤckende Koſtbarkeit angetroffen, als dieſe goldnen Voͤgel oder dieſe ſtrahlende Rehe: ſie ſind uͤber alle Herr- lichkeiten dieſer Welt erhaben, und wir muͤſ- ſen nothwendig in einem Paradieſe ſeyn. — Wohl! aber wiſſen moͤchte ich nur, war- um die guten Leute in ihrem Paradieſe die Koͤpfe haͤngen. — Sie giengen, um Er- kundigung daruͤber einzuziehn, allein da ſie die Sprache nicht verſtunden, ſo erfuhren ſie blos, was ſie ihre Augen belehrten, naͤm- lich daß die Leute muͤhſam die goldnen Voͤ- gel und Rehe warten und fuͤttern mußten, und nach aller Wahrſcheinlichkeit Lange- weile bey dieſem Amtsgeſchaͤfte hatten. Weil ihre Neubegierde auf dieſe Art nicht weiter geſaͤttigt werden konnte, ſo wandten ſie ſich auf die andre Seite, wo ſich ihnen neue M 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/189
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/189>, abgerufen am 04.05.2024.