Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

konnten. Das ganze Land war Eine große
Familie, dessen Hausvater der Regent vor-
stellte, der sein sämmtliches Gesinde mit den
Früchten des Landes nährte, keine Auflagen,
keine Taxen erhob, weil es in die glückliche
Situation gekommen war, daß niemand
mehr etwas geben konnte.

Alle Kanäle des Reichthums auf der Ober-
fläche der Erde waren versiegt, oder doch so
bekannt, daß sie ihm keine besondre Freude
machen konnten. Er wollte auch die Einge-
weide des Erdbodens plündern: nur fehlte
es ihm an Leuten, die die Kunst verstunden,
der Erde ihre Schätze abzunehmen. In die-
ser Hinsicht ließ er aus allen Gegenden
Künstler von dieser Art zu sich einladen,
und that ihnen Versprechungen, die jeden
anlocken mußten, sich dafür auszugeben.

Von allen diesen Umständen hatte Bel-
phegors Patron genaue Nachricht, und war
fest entschlossen, sie nicht ungenutzt zu laßen.
So bald seine Geschäfte in Abißinien verrich-
tet waren, begab er sich mit Belphegorn
auf den Weg nach Niemeamaye, in des-
sen Nachbarschaft er vormals schon einen
Handel getrieben und eben bey dieser Gele-

genheit

konnten. Das ganze Land war Eine große
Familie, deſſen Hausvater der Regent vor-
ſtellte, der ſein ſaͤmmtliches Geſinde mit den
Fruͤchten des Landes naͤhrte, keine Auflagen,
keine Taxen erhob, weil es in die gluͤckliche
Situation gekommen war, daß niemand
mehr etwas geben konnte.

Alle Kanaͤle des Reichthums auf der Ober-
flaͤche der Erde waren verſiegt, oder doch ſo
bekannt, daß ſie ihm keine beſondre Freude
machen konnten. Er wollte auch die Einge-
weide des Erdbodens pluͤndern: nur fehlte
es ihm an Leuten, die die Kunſt verſtunden,
der Erde ihre Schaͤtze abzunehmen. In die-
ſer Hinſicht ließ er aus allen Gegenden
Kuͤnſtler von dieſer Art zu ſich einladen,
und that ihnen Verſprechungen, die jeden
anlocken mußten, ſich dafuͤr auszugeben.

Von allen dieſen Umſtaͤnden hatte Bel-
phegors Patron genaue Nachricht, und war
feſt entſchloſſen, ſie nicht ungenutzt zu laßen.
So bald ſeine Geſchaͤfte in Abißinien verrich-
tet waren, begab er ſich mit Belphegorn
auf den Weg nach Niemeamaye, in deſ-
ſen Nachbarſchaft er vormals ſchon einen
Handel getrieben und eben bey dieſer Gele-

genheit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="10"/>
konnten. Das ganze Land war Eine große<lb/>
Familie, de&#x017F;&#x017F;en Hausvater der Regent vor-<lb/>
&#x017F;tellte, der &#x017F;ein &#x017F;a&#x0364;mmtliches Ge&#x017F;inde mit den<lb/>
Fru&#x0364;chten des Landes na&#x0364;hrte, keine Auflagen,<lb/>
keine Taxen erhob, weil es in die glu&#x0364;ckliche<lb/>
Situation gekommen war, daß niemand<lb/>
mehr etwas geben konnte.</p><lb/>
        <p>Alle Kana&#x0364;le des Reichthums auf der Ober-<lb/>
fla&#x0364;che der Erde waren ver&#x017F;iegt, oder doch &#x017F;o<lb/>
bekannt, daß &#x017F;ie ihm keine be&#x017F;ondre Freude<lb/>
machen konnten. Er wollte auch die Einge-<lb/>
weide des Erdbodens plu&#x0364;ndern: nur fehlte<lb/>
es ihm an Leuten, die die Kun&#x017F;t ver&#x017F;tunden,<lb/>
der Erde ihre Scha&#x0364;tze abzunehmen. In die-<lb/>
&#x017F;er Hin&#x017F;icht ließ er aus allen Gegenden<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tler von die&#x017F;er Art zu &#x017F;ich einladen,<lb/>
und that ihnen Ver&#x017F;prechungen, die jeden<lb/>
anlocken mußten, &#x017F;ich dafu&#x0364;r auszugeben.</p><lb/>
        <p>Von allen die&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden hatte Bel-<lb/>
phegors Patron genaue Nachricht, und war<lb/>
fe&#x017F;t ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ie nicht ungenutzt zu laßen.<lb/>
So bald &#x017F;eine Ge&#x017F;cha&#x0364;fte in Abißinien verrich-<lb/>
tet waren, begab er &#x017F;ich mit Belphegorn<lb/>
auf den Weg nach <hi rendition="#fr">Niemeamaye,</hi> in de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Nachbar&#x017F;chaft er vormals &#x017F;chon einen<lb/>
Handel getrieben und eben bey die&#x017F;er Gele-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">genheit</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0016] konnten. Das ganze Land war Eine große Familie, deſſen Hausvater der Regent vor- ſtellte, der ſein ſaͤmmtliches Geſinde mit den Fruͤchten des Landes naͤhrte, keine Auflagen, keine Taxen erhob, weil es in die gluͤckliche Situation gekommen war, daß niemand mehr etwas geben konnte. Alle Kanaͤle des Reichthums auf der Ober- flaͤche der Erde waren verſiegt, oder doch ſo bekannt, daß ſie ihm keine beſondre Freude machen konnten. Er wollte auch die Einge- weide des Erdbodens pluͤndern: nur fehlte es ihm an Leuten, die die Kunſt verſtunden, der Erde ihre Schaͤtze abzunehmen. In die- ſer Hinſicht ließ er aus allen Gegenden Kuͤnſtler von dieſer Art zu ſich einladen, und that ihnen Verſprechungen, die jeden anlocken mußten, ſich dafuͤr auszugeben. Von allen dieſen Umſtaͤnden hatte Bel- phegors Patron genaue Nachricht, und war feſt entſchloſſen, ſie nicht ungenutzt zu laßen. So bald ſeine Geſchaͤfte in Abißinien verrich- tet waren, begab er ſich mit Belphegorn auf den Weg nach Niemeamaye, in deſ- ſen Nachbarſchaft er vormals ſchon einen Handel getrieben und eben bey dieſer Gele- genheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/16
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/16>, abgerufen am 16.04.2024.