konnten. Das ganze Land war Eine große Familie, dessen Hausvater der Regent vor- stellte, der sein sämmtliches Gesinde mit den Früchten des Landes nährte, keine Auflagen, keine Taxen erhob, weil es in die glückliche Situation gekommen war, daß niemand mehr etwas geben konnte.
Alle Kanäle des Reichthums auf der Ober- fläche der Erde waren versiegt, oder doch so bekannt, daß sie ihm keine besondre Freude machen konnten. Er wollte auch die Einge- weide des Erdbodens plündern: nur fehlte es ihm an Leuten, die die Kunst verstunden, der Erde ihre Schätze abzunehmen. In die- ser Hinsicht ließ er aus allen Gegenden Künstler von dieser Art zu sich einladen, und that ihnen Versprechungen, die jeden anlocken mußten, sich dafür auszugeben.
Von allen diesen Umständen hatte Bel- phegors Patron genaue Nachricht, und war fest entschlossen, sie nicht ungenutzt zu laßen. So bald seine Geschäfte in Abißinien verrich- tet waren, begab er sich mit Belphegorn auf den Weg nach Niemeamaye, in des- sen Nachbarschaft er vormals schon einen Handel getrieben und eben bey dieser Gele-
genheit
konnten. Das ganze Land war Eine große Familie, deſſen Hausvater der Regent vor- ſtellte, der ſein ſaͤmmtliches Geſinde mit den Fruͤchten des Landes naͤhrte, keine Auflagen, keine Taxen erhob, weil es in die gluͤckliche Situation gekommen war, daß niemand mehr etwas geben konnte.
Alle Kanaͤle des Reichthums auf der Ober- flaͤche der Erde waren verſiegt, oder doch ſo bekannt, daß ſie ihm keine beſondre Freude machen konnten. Er wollte auch die Einge- weide des Erdbodens pluͤndern: nur fehlte es ihm an Leuten, die die Kunſt verſtunden, der Erde ihre Schaͤtze abzunehmen. In die- ſer Hinſicht ließ er aus allen Gegenden Kuͤnſtler von dieſer Art zu ſich einladen, und that ihnen Verſprechungen, die jeden anlocken mußten, ſich dafuͤr auszugeben.
Von allen dieſen Umſtaͤnden hatte Bel- phegors Patron genaue Nachricht, und war feſt entſchloſſen, ſie nicht ungenutzt zu laßen. So bald ſeine Geſchaͤfte in Abißinien verrich- tet waren, begab er ſich mit Belphegorn auf den Weg nach Niemeamaye, in deſ- ſen Nachbarſchaft er vormals ſchon einen Handel getrieben und eben bey dieſer Gele-
genheit
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[10/0016]
konnten. Das ganze Land war Eine große
Familie, deſſen Hausvater der Regent vor-
ſtellte, der ſein ſaͤmmtliches Geſinde mit den
Fruͤchten des Landes naͤhrte, keine Auflagen,
keine Taxen erhob, weil es in die gluͤckliche
Situation gekommen war, daß niemand
mehr etwas geben konnte.
Alle Kanaͤle des Reichthums auf der Ober-
flaͤche der Erde waren verſiegt, oder doch ſo
bekannt, daß ſie ihm keine beſondre Freude
machen konnten. Er wollte auch die Einge-
weide des Erdbodens pluͤndern: nur fehlte
es ihm an Leuten, die die Kunſt verſtunden,
der Erde ihre Schaͤtze abzunehmen. In die-
ſer Hinſicht ließ er aus allen Gegenden
Kuͤnſtler von dieſer Art zu ſich einladen,
und that ihnen Verſprechungen, die jeden
anlocken mußten, ſich dafuͤr auszugeben.
Von allen dieſen Umſtaͤnden hatte Bel-
phegors Patron genaue Nachricht, und war
feſt entſchloſſen, ſie nicht ungenutzt zu laßen.
So bald ſeine Geſchaͤfte in Abißinien verrich-
tet waren, begab er ſich mit Belphegorn
auf den Weg nach Niemeamaye, in deſ-
ſen Nachbarſchaft er vormals ſchon einen
Handel getrieben und eben bey dieſer Gele-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/16>, abgerufen am 23.11.2024.
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