zog er eine Mauer um sein Land, besetzte sie mit streitbaren Männern, die jedem, der sei- nem Verbote zuwiderhandelte, hundert Ru- thenstreiche auf den bloßen Rücken stehen- des Fußes mittheilen und ihn aus seinen Gränzen verjagen mußten.
Nachdem er durch dergleichen Veranstal- tungen seine Goldbegierde zum Nachtheile der Nachbarn gesättigt hatte, so konnte er es eben so wenig dulden, daß jemand außer ihm in seinem Lande dieses herrliche Metall besaß. Er sann auf Mittel, auch diesen Vorrath, wo nicht ganz, doch zur Hälfte in seinen Schatz zu leiten. Da seine Unter- thanen mit allen ihren Habseligkeiten sein Eigenthum waren, so maßte er sich das Monopolium aller ihrer Bedürfnisse an: von ihm mußten sie selbst die Früchte kau- fen, die sie durch ihren Fleis auf ihrem Grund und Boden gezeugt hatten; sie muß- ten ihm sogar für den Durchgang der Luft durch ihre Lunge einen Zoll bezahlen, bis er endlich alles Gold in seinem Palaste aufge- häuft, und die Einwohner zu einem Lastviehe gemacht hatte, dem er das Futter umsonst gab, weil sie es ihm nicht mehr abkaufen
konn-
A 5
zog er eine Mauer um ſein Land, beſetzte ſie mit ſtreitbaren Maͤnnern, die jedem, der ſei- nem Verbote zuwiderhandelte, hundert Ru- thenſtreiche auf den bloßen Ruͤcken ſtehen- des Fußes mittheilen und ihn aus ſeinen Graͤnzen verjagen mußten.
Nachdem er durch dergleichen Veranſtal- tungen ſeine Goldbegierde zum Nachtheile der Nachbarn geſaͤttigt hatte, ſo konnte er es eben ſo wenig dulden, daß jemand außer ihm in ſeinem Lande dieſes herrliche Metall beſaß. Er ſann auf Mittel, auch dieſen Vorrath, wo nicht ganz, doch zur Haͤlfte in ſeinen Schatz zu leiten. Da ſeine Unter- thanen mit allen ihren Habſeligkeiten ſein Eigenthum waren, ſo maßte er ſich das Monopolium aller ihrer Beduͤrfniſſe an: von ihm mußten ſie ſelbſt die Fruͤchte kau- fen, die ſie durch ihren Fleis auf ihrem Grund und Boden gezeugt hatten; ſie muß- ten ihm ſogar fuͤr den Durchgang der Luft durch ihre Lunge einen Zoll bezahlen, bis er endlich alles Gold in ſeinem Palaſte aufge- haͤuft, und die Einwohner zu einem Laſtviehe gemacht hatte, dem er das Futter umſonſt gab, weil ſie es ihm nicht mehr abkaufen
konn-
A 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0015"n="9"/>
zog er eine Mauer um ſein Land, beſetzte ſie<lb/>
mit ſtreitbaren Maͤnnern, die jedem, der ſei-<lb/>
nem Verbote zuwiderhandelte, hundert Ru-<lb/>
thenſtreiche auf den bloßen Ruͤcken ſtehen-<lb/>
des Fußes mittheilen und ihn aus ſeinen<lb/>
Graͤnzen verjagen mußten.</p><lb/><p>Nachdem er durch dergleichen Veranſtal-<lb/>
tungen ſeine Goldbegierde zum Nachtheile<lb/>
der Nachbarn geſaͤttigt hatte, ſo konnte er<lb/>
es eben ſo wenig dulden, daß jemand außer<lb/><hirendition="#fr">ihm</hi> in ſeinem Lande dieſes herrliche Metall<lb/>
beſaß. Er ſann auf Mittel, auch dieſen<lb/>
Vorrath, wo nicht ganz, doch zur Haͤlfte<lb/>
in ſeinen Schatz zu leiten. Da ſeine Unter-<lb/>
thanen mit allen ihren Habſeligkeiten ſein<lb/>
Eigenthum waren, ſo maßte er ſich das<lb/>
Monopolium aller ihrer Beduͤrfniſſe an:<lb/>
von <hirendition="#fr">ihm</hi> mußten ſie ſelbſt die Fruͤchte kau-<lb/>
fen, die ſie durch ihren Fleis auf ihrem<lb/>
Grund und Boden gezeugt hatten; ſie muß-<lb/>
ten ihm ſogar fuͤr den Durchgang der Luft<lb/>
durch ihre Lunge einen Zoll bezahlen, bis er<lb/>
endlich alles Gold in ſeinem Palaſte aufge-<lb/>
haͤuft, und die Einwohner zu einem Laſtviehe<lb/>
gemacht hatte, dem er das Futter umſonſt<lb/>
gab, weil ſie es ihm nicht mehr abkaufen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">konn-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[9/0015]
zog er eine Mauer um ſein Land, beſetzte ſie
mit ſtreitbaren Maͤnnern, die jedem, der ſei-
nem Verbote zuwiderhandelte, hundert Ru-
thenſtreiche auf den bloßen Ruͤcken ſtehen-
des Fußes mittheilen und ihn aus ſeinen
Graͤnzen verjagen mußten.
Nachdem er durch dergleichen Veranſtal-
tungen ſeine Goldbegierde zum Nachtheile
der Nachbarn geſaͤttigt hatte, ſo konnte er
es eben ſo wenig dulden, daß jemand außer
ihm in ſeinem Lande dieſes herrliche Metall
beſaß. Er ſann auf Mittel, auch dieſen
Vorrath, wo nicht ganz, doch zur Haͤlfte
in ſeinen Schatz zu leiten. Da ſeine Unter-
thanen mit allen ihren Habſeligkeiten ſein
Eigenthum waren, ſo maßte er ſich das
Monopolium aller ihrer Beduͤrfniſſe an:
von ihm mußten ſie ſelbſt die Fruͤchte kau-
fen, die ſie durch ihren Fleis auf ihrem
Grund und Boden gezeugt hatten; ſie muß-
ten ihm ſogar fuͤr den Durchgang der Luft
durch ihre Lunge einen Zoll bezahlen, bis er
endlich alles Gold in ſeinem Palaſte aufge-
haͤuft, und die Einwohner zu einem Laſtviehe
gemacht hatte, dem er das Futter umſonſt
gab, weil ſie es ihm nicht mehr abkaufen
konn-
A 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/15>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.