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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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zog er eine Mauer um sein Land, besetzte sie
mit streitbaren Männern, die jedem, der sei-
nem Verbote zuwiderhandelte, hundert Ru-
thenstreiche auf den bloßen Rücken stehen-
des Fußes mittheilen und ihn aus seinen
Gränzen verjagen mußten.

Nachdem er durch dergleichen Veranstal-
tungen seine Goldbegierde zum Nachtheile
der Nachbarn gesättigt hatte, so konnte er
es eben so wenig dulden, daß jemand außer
ihm in seinem Lande dieses herrliche Metall
besaß. Er sann auf Mittel, auch diesen
Vorrath, wo nicht ganz, doch zur Hälfte
in seinen Schatz zu leiten. Da seine Unter-
thanen mit allen ihren Habseligkeiten sein
Eigenthum waren, so maßte er sich das
Monopolium aller ihrer Bedürfnisse an:
von ihm mußten sie selbst die Früchte kau-
fen, die sie durch ihren Fleis auf ihrem
Grund und Boden gezeugt hatten; sie muß-
ten ihm sogar für den Durchgang der Luft
durch ihre Lunge einen Zoll bezahlen, bis er
endlich alles Gold in seinem Palaste aufge-
häuft, und die Einwohner zu einem Lastviehe
gemacht hatte, dem er das Futter umsonst
gab, weil sie es ihm nicht mehr abkaufen

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A 5

zog er eine Mauer um ſein Land, beſetzte ſie
mit ſtreitbaren Maͤnnern, die jedem, der ſei-
nem Verbote zuwiderhandelte, hundert Ru-
thenſtreiche auf den bloßen Ruͤcken ſtehen-
des Fußes mittheilen und ihn aus ſeinen
Graͤnzen verjagen mußten.

Nachdem er durch dergleichen Veranſtal-
tungen ſeine Goldbegierde zum Nachtheile
der Nachbarn geſaͤttigt hatte, ſo konnte er
es eben ſo wenig dulden, daß jemand außer
ihm in ſeinem Lande dieſes herrliche Metall
beſaß. Er ſann auf Mittel, auch dieſen
Vorrath, wo nicht ganz, doch zur Haͤlfte
in ſeinen Schatz zu leiten. Da ſeine Unter-
thanen mit allen ihren Habſeligkeiten ſein
Eigenthum waren, ſo maßte er ſich das
Monopolium aller ihrer Beduͤrfniſſe an:
von ihm mußten ſie ſelbſt die Fruͤchte kau-
fen, die ſie durch ihren Fleis auf ihrem
Grund und Boden gezeugt hatten; ſie muß-
ten ihm ſogar fuͤr den Durchgang der Luft
durch ihre Lunge einen Zoll bezahlen, bis er
endlich alles Gold in ſeinem Palaſte aufge-
haͤuft, und die Einwohner zu einem Laſtviehe
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gab, weil ſie es ihm nicht mehr abkaufen

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[9/0015] zog er eine Mauer um ſein Land, beſetzte ſie mit ſtreitbaren Maͤnnern, die jedem, der ſei- nem Verbote zuwiderhandelte, hundert Ru- thenſtreiche auf den bloßen Ruͤcken ſtehen- des Fußes mittheilen und ihn aus ſeinen Graͤnzen verjagen mußten. Nachdem er durch dergleichen Veranſtal- tungen ſeine Goldbegierde zum Nachtheile der Nachbarn geſaͤttigt hatte, ſo konnte er es eben ſo wenig dulden, daß jemand außer ihm in ſeinem Lande dieſes herrliche Metall beſaß. Er ſann auf Mittel, auch dieſen Vorrath, wo nicht ganz, doch zur Haͤlfte in ſeinen Schatz zu leiten. Da ſeine Unter- thanen mit allen ihren Habſeligkeiten ſein Eigenthum waren, ſo maßte er ſich das Monopolium aller ihrer Beduͤrfniſſe an: von ihm mußten ſie ſelbſt die Fruͤchte kau- fen, die ſie durch ihren Fleis auf ihrem Grund und Boden gezeugt hatten; ſie muß- ten ihm ſogar fuͤr den Durchgang der Luft durch ihre Lunge einen Zoll bezahlen, bis er endlich alles Gold in ſeinem Palaſte aufge- haͤuft, und die Einwohner zu einem Laſtviehe gemacht hatte, dem er das Futter umſonſt gab, weil ſie es ihm nicht mehr abkaufen konn- A 5

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/15>, abgerufen am 28.03.2024.