vollsten Entzückungen weidete ich mich an dem Gedanken, ein Geschöpf gefunden zu ha- ben, das meine Empfindung ganz ausfüllte: alle, auch die bewundertsten Schönen hatten vor ihr stets ein trauriges Leere darinne zu- rückgelassen, nur sie nahm mein Herz ganz ein; und hätte ich noch eins gehabt, sie hätte es überfüllt: so ganz war ich von ihren Rei- zungen überströmt! Und siehe! plötzlich wirft sie sich in die Arme eines Nebenbuhlers --
"-- dessen kleine Schätze sich weiter auf- "thaten als deine geplünderten! Nicht mehr "als billig! Von dir hatte sie weiter kein "Vergnügen zu hoffen; sie mußte sich also "ihren Mann wieder suchen, der so treuher- "zig, wie du, sein Geld für Blicke und Mi- "nen hingiebt: ist er mit seinen kleinen Schä- "tzen am Ende, so schlägt sie ihn lahm, wie "dich, oder wohl gar ein Paar Beine ent- "zwey.
Soll man es dulden, daß die Häßliche die edelste empfindungsvollste Klasse der Schö- pfung durch ihre Theilnehmung an dem schönsten Geschlechte entweiht?
vollſten Entzuͤckungen weidete ich mich an dem Gedanken, ein Geſchoͤpf gefunden zu ha- ben, das meine Empfindung ganz ausfuͤllte: alle, auch die bewundertſten Schoͤnen hatten vor ihr ſtets ein trauriges Leere darinne zu- ruͤckgelaſſen, nur ſie nahm mein Herz ganz ein; und haͤtte ich noch eins gehabt, ſie haͤtte es uͤberfuͤllt: ſo ganz war ich von ihren Rei- zungen uͤberſtroͤmt! Und ſiehe! ploͤtzlich wirft ſie ſich in die Arme eines Nebenbuhlers —
„— deſſen kleine Schaͤtze ſich weiter auf- „thaten als deine gepluͤnderten! Nicht mehr „als billig! Von dir hatte ſie weiter kein „Vergnuͤgen zu hoffen; ſie mußte ſich alſo „ihren Mann wieder ſuchen, der ſo treuher- „zig, wie du, ſein Geld fuͤr Blicke und Mi- „nen hingiebt: iſt er mit ſeinen kleinen Schaͤ- „tzen am Ende, ſo ſchlaͤgt ſie ihn lahm, wie „dich, oder wohl gar ein Paar Beine ent- „zwey.
Soll man es dulden, daß die Haͤßliche die edelſte empfindungsvollſte Klaſſe der Schoͤ- pfung durch ihre Theilnehmung an dem ſchoͤnſten Geſchlechte entweiht?
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vollſten Entzuͤckungen weidete ich mich an
dem Gedanken, ein Geſchoͤpf gefunden zu ha-
ben, das meine Empfindung ganz ausfuͤllte:
alle, auch die bewundertſten Schoͤnen hatten
vor ihr ſtets ein trauriges Leere darinne zu-
ruͤckgelaſſen, nur ſie nahm mein Herz ganz
ein; und haͤtte ich noch eins gehabt, ſie haͤtte
es uͤberfuͤllt: ſo ganz war ich von ihren Rei-
zungen uͤberſtroͤmt! Und ſiehe! ploͤtzlich wirft
ſie ſich in die Arme eines Nebenbuhlers —
„— deſſen kleine Schaͤtze ſich weiter auf-
„thaten als deine gepluͤnderten! Nicht mehr
„als billig! Von dir hatte ſie weiter kein
„Vergnuͤgen zu hoffen; ſie mußte ſich alſo
„ihren Mann wieder ſuchen, der ſo treuher-
„zig, wie du, ſein Geld fuͤr Blicke und Mi-
„nen hingiebt: iſt er mit ſeinen kleinen Schaͤ-
„tzen am Ende, ſo ſchlaͤgt ſie ihn lahm, wie
„dich, oder wohl gar ein Paar Beine ent-
„zwey.
Soll man es dulden, daß die Haͤßliche die
edelſte empfindungsvollſte Klaſſe der Schoͤ-
pfung durch ihre Theilnehmung an dem
ſchoͤnſten Geſchlechte entweiht?
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/31>, abgerufen am 29.03.2024.
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