Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Bester Fromal! wärst du an meiner Stelle,
du nenntest die Empfindung keine Last --

"Aber zum Henker! wenn sie dir lahme
"Hüften macht --

Nicht mir, nur Akanten habe ich gelebt --

"Wen nennst du da? -- Akanten? Ey,
"da bist du schön aufgefallen.

Kennst du sie? Jst es nicht das schönste En-
gelbild, welchem die Natur die herrlichsten
Merkmale ihrer Meisterhand eingedrückt hat --

"Ja, ja, ein hübsches Mädchen ist es;
"aber so falsch, wie eine Tigerkatze --

Fromal, sie kann es nicht seyn! Sage mir
alles, nur nenne sie nicht falsch! Kaum hatt'
ich sie ein einzigmal erblickt, so war meine
Seele schon ganz in die ihrige gegossen, ihr
Bild schon mit meinen innersten Gedanken so
ganz zusammen gewachsen, daß eine Tren-
nung sie beide vernichten mußte. Jch trank
aus ihren Blicken, von ihren Lippen das
reinste himmlischste Vergnügen. Wochen
lang taumelte ich in einer Berauschung her-
um, Akante hatte den Schlüssel zu meinem

A 5

Beſter Fromal! waͤrſt du an meiner Stelle,
du nennteſt die Empfindung keine Laſt —

„Aber zum Henker! wenn ſie dir lahme
„Huͤften macht —

Nicht mir, nur Akanten habe ich gelebt —

„Wen nennſt du da? — Akanten? Ey,
„da biſt du ſchoͤn aufgefallen.

Kennſt du ſie? Jſt es nicht das ſchoͤnſte En-
gelbild, welchem die Natur die herrlichſten
Merkmale ihrer Meiſterhand eingedruͤckt hat —

„Ja, ja, ein huͤbſches Maͤdchen iſt es;
„aber ſo falſch, wie eine Tigerkatze —

Fromal, ſie kann es nicht ſeyn! Sage mir
alles, nur nenne ſie nicht falſch! Kaum hatt’
ich ſie ein einzigmal erblickt, ſo war meine
Seele ſchon ganz in die ihrige gegoſſen, ihr
Bild ſchon mit meinen innerſten Gedanken ſo
ganz zuſammen gewachſen, daß eine Tren-
nung ſie beide vernichten mußte. Jch trank
aus ihren Blicken, von ihren Lippen das
reinſte himmliſchſte Vergnuͤgen. Wochen
lang taumelte ich in einer Berauſchung her-
um, Akante hatte den Schluͤſſel zu meinem

A 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0029" n="9"/>
        <p>Be&#x017F;ter Fromal! wa&#x0364;r&#x017F;t du an meiner Stelle,<lb/>
du nennte&#x017F;t die Empfindung keine La&#x017F;t &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber zum Henker! wenn &#x017F;ie dir lahme<lb/>
&#x201E;Hu&#x0364;ften macht &#x2014;</p><lb/>
        <p>Nicht mir, nur Akanten habe ich gelebt &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wen nenn&#x017F;t du da? &#x2014; Akanten? Ey,<lb/>
&#x201E;da bi&#x017F;t du &#x017F;cho&#x0364;n aufgefallen.</p><lb/>
        <p>Kenn&#x017F;t du &#x017F;ie? J&#x017F;t es nicht das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te En-<lb/>
gelbild, welchem die Natur die herrlich&#x017F;ten<lb/>
Merkmale ihrer Mei&#x017F;terhand eingedru&#x0364;ckt hat &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, ja, ein hu&#x0364;b&#x017F;ches Ma&#x0364;dchen i&#x017F;t es;<lb/>
&#x201E;aber &#x017F;o fal&#x017F;ch, wie eine Tigerkatze &#x2014;</p><lb/>
        <p>Fromal, &#x017F;ie <hi rendition="#fr">kann</hi> es nicht &#x017F;eyn! Sage mir<lb/>
alles, nur nenne &#x017F;ie nicht fal&#x017F;ch! Kaum hatt&#x2019;<lb/>
ich &#x017F;ie ein einzigmal erblickt, &#x017F;o war meine<lb/>
Seele &#x017F;chon ganz in die ihrige gego&#x017F;&#x017F;en, ihr<lb/>
Bild &#x017F;chon mit meinen inner&#x017F;ten Gedanken &#x017F;o<lb/>
ganz zu&#x017F;ammen gewach&#x017F;en, daß eine Tren-<lb/>
nung &#x017F;ie beide vernichten mußte. Jch trank<lb/>
aus ihren Blicken, von ihren Lippen das<lb/>
rein&#x017F;te himmli&#x017F;ch&#x017F;te Vergnu&#x0364;gen. Wochen<lb/>
lang taumelte ich in einer Berau&#x017F;chung her-<lb/>
um, Akante hatte den Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el zu meinem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 5</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0029] Beſter Fromal! waͤrſt du an meiner Stelle, du nennteſt die Empfindung keine Laſt — „Aber zum Henker! wenn ſie dir lahme „Huͤften macht — Nicht mir, nur Akanten habe ich gelebt — „Wen nennſt du da? — Akanten? Ey, „da biſt du ſchoͤn aufgefallen. Kennſt du ſie? Jſt es nicht das ſchoͤnſte En- gelbild, welchem die Natur die herrlichſten Merkmale ihrer Meiſterhand eingedruͤckt hat — „Ja, ja, ein huͤbſches Maͤdchen iſt es; „aber ſo falſch, wie eine Tigerkatze — Fromal, ſie kann es nicht ſeyn! Sage mir alles, nur nenne ſie nicht falſch! Kaum hatt’ ich ſie ein einzigmal erblickt, ſo war meine Seele ſchon ganz in die ihrige gegoſſen, ihr Bild ſchon mit meinen innerſten Gedanken ſo ganz zuſammen gewachſen, daß eine Tren- nung ſie beide vernichten mußte. Jch trank aus ihren Blicken, von ihren Lippen das reinſte himmliſchſte Vergnuͤgen. Wochen lang taumelte ich in einer Berauſchung her- um, Akante hatte den Schluͤſſel zu meinem A 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/29
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/29>, abgerufen am 26.04.2024.