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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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gesessen und dem Eifer zugesehn, mit welchem
eins über das andre hinwegklettern wollte,
wie man rang, wie man kämpfte, wenn wei-
ter nichts möglich war, wenigstens das Recht
zu erlangen, über dem andern zu sitzen, zu
siehen, vor ihm hineinzugehn und herauszu-
gehn, eher, als er, der Teller und das Glas
präsentirt, eher die Verbeugung zu bekom-
men, wie man sich beleidigt fand, wenn aus
Versehen dieses Recht gekränkt wurde. An-
fangs that es mir wahrhaftig weh: du
weißt, wir hatten beide in Einem Traume
der Fantasie geschlummert: der erhabenste
Mensch war uns der weiseste, der verständig-
ste, der geistreichste, der empfindungsvollste--
kurz, wir maßen seine Größe nach seinem
Geiste: aber wie bald fand ich, daß dieser
Maasstab dem Maasstabe einer kleinen Pro-
vinz glich, der nur in ihr und sonst nirgends
gebraucht wird; mein Maas traf nie mit
dem Maase eines andern überein: ich warf
es weg und richtete mich nur bey mir selbst
darnach. Jch hatte weder Lust noch Kräfte
mich in den allgemeinen Wettstreit zu mischen;
ich blieb Zuschauer. Jch sahe, daß der
Mensch sich selbst mit seinem ganzen Zube-

geſeſſen und dem Eifer zugeſehn, mit welchem
eins uͤber das andre hinwegklettern wollte,
wie man rang, wie man kaͤmpfte, wenn wei-
ter nichts moͤglich war, wenigſtens das Recht
zu erlangen, uͤber dem andern zu ſitzen, zu
ſiehen, vor ihm hineinzugehn und herauszu-
gehn, eher, als er, der Teller und das Glas
praͤſentirt, eher die Verbeugung zu bekom-
men, wie man ſich beleidigt fand, wenn aus
Verſehen dieſes Recht gekraͤnkt wurde. An-
fangs that es mir wahrhaftig weh: du
weißt, wir hatten beide in Einem Traume
der Fantaſie geſchlummert: der erhabenſte
Menſch war uns der weiſeſte, der verſtaͤndig-
ſte, der geiſtreichſte, der empfindungsvollſte—
kurz, wir maßen ſeine Groͤße nach ſeinem
Geiſte: aber wie bald fand ich, daß dieſer
Maasſtab dem Maasſtabe einer kleinen Pro-
vinz glich, der nur in ihr und ſonſt nirgends
gebraucht wird; mein Maas traf nie mit
dem Maaſe eines andern uͤberein: ich warf
es weg und richtete mich nur bey mir ſelbſt
darnach. Jch hatte weder Luſt noch Kraͤfte
mich in den allgemeinen Wettſtreit zu miſchen;
ich blieb Zuſchauer. Jch ſahe, daß der
Menſch ſich ſelbſt mit ſeinem ganzen Zube-

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[246/0266] geſeſſen und dem Eifer zugeſehn, mit welchem eins uͤber das andre hinwegklettern wollte, wie man rang, wie man kaͤmpfte, wenn wei- ter nichts moͤglich war, wenigſtens das Recht zu erlangen, uͤber dem andern zu ſitzen, zu ſiehen, vor ihm hineinzugehn und herauszu- gehn, eher, als er, der Teller und das Glas praͤſentirt, eher die Verbeugung zu bekom- men, wie man ſich beleidigt fand, wenn aus Verſehen dieſes Recht gekraͤnkt wurde. An- fangs that es mir wahrhaftig weh: du weißt, wir hatten beide in Einem Traume der Fantaſie geſchlummert: der erhabenſte Menſch war uns der weiſeſte, der verſtaͤndig- ſte, der geiſtreichſte, der empfindungsvollſte— kurz, wir maßen ſeine Groͤße nach ſeinem Geiſte: aber wie bald fand ich, daß dieſer Maasſtab dem Maasſtabe einer kleinen Pro- vinz glich, der nur in ihr und ſonſt nirgends gebraucht wird; mein Maas traf nie mit dem Maaſe eines andern uͤberein: ich warf es weg und richtete mich nur bey mir ſelbſt darnach. Jch hatte weder Luſt noch Kraͤfte mich in den allgemeinen Wettſtreit zu miſchen; ich blieb Zuſchauer. Jch ſahe, daß der Menſch ſich ſelbſt mit ſeinem ganzen Zube-

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/266>, abgerufen am 25.11.2024.