Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


Ehe es bis dahin kam, waren unsre Eu-
ropäer insgesamt gerettet. Fromal hatte
keine Absicht, als sich und seine Freunde zu
befreyen, und ließ daher, bey Erbrechung
eines jeden Sklavenbehältnisses die Namen
Medardus und Belphegor ausrufen: nicht
eher wollte er vom Aufstande ablassen, als bis
ihm entweder der Tod das Leben genommen,
oder das Glück seine Freunde wiedergegeben
hätte. Sein Wunsch wurde bald befrie-
digt: er fand sie in den ersten zween Tagen,
begab sich mit ihnen heimlich auf die Flucht
und ließ seine Armee für Freiheit und Leben
fechten und sterben, so lange sie wollte.

Nach einer langen ermüdenden Wander-
schaft sahen sie sich an den Gränzen von Bi-
lidulgerid.
Hier glaubten sie sich sicher genug,
lagerten sich unter einem Palmbaume an ei-
nem kleinen Flusse und waren unschlüssig, ob
sie Schläfrigkeit oder Hunger zuerst besänfti-
gen sollten. Sie griffen zuerst nach den
Datteln, die über ihnen hiengen, und schlie-
fen bey dem Mahle alle drey ein.

Bey ihrem Erwachen blickten sie einander
zum erstenmale wieder frey und ruhig an, er-



Ehe es bis dahin kam, waren unſre Eu-
ropaͤer insgeſamt gerettet. Fromal hatte
keine Abſicht, als ſich und ſeine Freunde zu
befreyen, und ließ daher, bey Erbrechung
eines jeden Sklavenbehaͤltniſſes die Namen
Medardus und Belphegor ausrufen: nicht
eher wollte er vom Aufſtande ablaſſen, als bis
ihm entweder der Tod das Leben genommen,
oder das Gluͤck ſeine Freunde wiedergegeben
haͤtte. Sein Wunſch wurde bald befrie-
digt: er fand ſie in den erſten zween Tagen,
begab ſich mit ihnen heimlich auf die Flucht
und ließ ſeine Armee fuͤr Freiheit und Leben
fechten und ſterben, ſo lange ſie wollte.

Nach einer langen ermuͤdenden Wander-
ſchaft ſahen ſie ſich an den Graͤnzen von Bi-
lidulgerid.
Hier glaubten ſie ſich ſicher genug,
lagerten ſich unter einem Palmbaume an ei-
nem kleinen Fluſſe und waren unſchluͤſſig, ob
ſie Schlaͤfrigkeit oder Hunger zuerſt beſaͤnfti-
gen ſollten. Sie griffen zuerſt nach den
Datteln, die uͤber ihnen hiengen, und ſchlie-
fen bey dem Mahle alle drey ein.

Bey ihrem Erwachen blickten ſie einander
zum erſtenmale wieder frey und ruhig an, er-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0208" n="188"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Ehe es bis dahin kam, waren un&#x017F;re Eu-<lb/>
ropa&#x0364;er insge&#x017F;amt gerettet. Fromal hatte<lb/>
keine Ab&#x017F;icht, als &#x017F;ich und &#x017F;eine Freunde zu<lb/>
befreyen, und ließ daher, bey Erbrechung<lb/>
eines jeden Sklavenbeha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;es die Namen<lb/>
Medardus und Belphegor ausrufen: nicht<lb/>
eher wollte er vom Auf&#x017F;tande abla&#x017F;&#x017F;en, als bis<lb/>
ihm entweder der Tod das Leben genommen,<lb/>
oder das Glu&#x0364;ck &#x017F;eine Freunde wiedergegeben<lb/>
ha&#x0364;tte. Sein Wun&#x017F;ch wurde bald befrie-<lb/>
digt: er fand &#x017F;ie in den er&#x017F;ten zween Tagen,<lb/>
begab &#x017F;ich mit ihnen heimlich auf die Flucht<lb/>
und ließ &#x017F;eine Armee fu&#x0364;r Freiheit und Leben<lb/>
fechten und &#x017F;terben, &#x017F;o lange &#x017F;ie wollte.</p><lb/>
        <p>Nach einer langen ermu&#x0364;denden Wander-<lb/>
&#x017F;chaft &#x017F;ahen &#x017F;ie &#x017F;ich an den Gra&#x0364;nzen von <hi rendition="#fr">Bi-<lb/>
lidulgerid.</hi> Hier glaubten &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;icher genug,<lb/>
lagerten &#x017F;ich unter einem Palmbaume an ei-<lb/>
nem kleinen Flu&#x017F;&#x017F;e und waren un&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig, ob<lb/>
&#x017F;ie Schla&#x0364;frigkeit oder Hunger zuer&#x017F;t be&#x017F;a&#x0364;nfti-<lb/>
gen &#x017F;ollten. Sie griffen zuer&#x017F;t nach den<lb/>
Datteln, die u&#x0364;ber ihnen hiengen, und &#x017F;chlie-<lb/>
fen bey dem Mahle alle drey ein.</p><lb/>
        <p>Bey ihrem Erwachen blickten &#x017F;ie einander<lb/>
zum er&#x017F;tenmale wieder frey und ruhig an, er-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0208] Ehe es bis dahin kam, waren unſre Eu- ropaͤer insgeſamt gerettet. Fromal hatte keine Abſicht, als ſich und ſeine Freunde zu befreyen, und ließ daher, bey Erbrechung eines jeden Sklavenbehaͤltniſſes die Namen Medardus und Belphegor ausrufen: nicht eher wollte er vom Aufſtande ablaſſen, als bis ihm entweder der Tod das Leben genommen, oder das Gluͤck ſeine Freunde wiedergegeben haͤtte. Sein Wunſch wurde bald befrie- digt: er fand ſie in den erſten zween Tagen, begab ſich mit ihnen heimlich auf die Flucht und ließ ſeine Armee fuͤr Freiheit und Leben fechten und ſterben, ſo lange ſie wollte. Nach einer langen ermuͤdenden Wander- ſchaft ſahen ſie ſich an den Graͤnzen von Bi- lidulgerid. Hier glaubten ſie ſich ſicher genug, lagerten ſich unter einem Palmbaume an ei- nem kleinen Fluſſe und waren unſchluͤſſig, ob ſie Schlaͤfrigkeit oder Hunger zuerſt beſaͤnfti- gen ſollten. Sie griffen zuerſt nach den Datteln, die uͤber ihnen hiengen, und ſchlie- fen bey dem Mahle alle drey ein. Bey ihrem Erwachen blickten ſie einander zum erſtenmale wieder frey und ruhig an, er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/208
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/208>, abgerufen am 03.05.2024.