"Aber welches Recht hatten wir, uns oh- "ne sie zu erhalten, da sie uns nicht vergönn- "ten, es mit ihnen zu thun? --
Die Obermacht, das Glück! --
"Geben diese ein Recht? --
Sie verschaffen es, sie sind es. Jedes Recht ist eine verjährte Unterdrückung, ein verjähr- ter Raub; nichts weiter. Den Flecken Erde, den ich izt zum rechtmäßigen Eigenthume er- kaufe, raubte, riß der erste Besitzer an sich: alle Menschen hatten vor ihm gleich gegrün- detes Recht darauf: er raubte ihn dem Men- schengeschlechte und behauptete ihn durch die Obermacht; diese vollendete sein Recht. Zu den Diensten, die ich izt von gewissen Perso- nen vermöge eines erkauften Rechtes fodre, zwang der erste, der sie sich leisten ließ, ihre Vorfahren, oder Furcht und Elend zwangen diese, sie ihm anzubieten: allemal Unterdrü- ckung! -- Mein Leben ist das Eigenthum meiner Natur; wer es mir nimmt, dem giebt die Obergewalt ein Recht darauf. --
"Fromal, du erschreckst mich! Jst es mög- "lich, daß du so denkst? -- Eine unmensch- "liche Behauptung! --
„Aber welches Recht hatten wir, uns oh- „ne ſie zu erhalten, da ſie uns nicht vergoͤnn- „ten, es mit ihnen zu thun? —
Die Obermacht, das Gluͤck! —
„Geben dieſe ein Recht? —
Sie verſchaffen es, ſie ſind es. Jedes Recht iſt eine verjaͤhrte Unterdruͤckung, ein verjaͤhr- ter Raub; nichts weiter. Den Flecken Erde, den ich izt zum rechtmaͤßigen Eigenthume er- kaufe, raubte, riß der erſte Beſitzer an ſich: alle Menſchen hatten vor ihm gleich gegruͤn- detes Recht darauf: er raubte ihn dem Men- ſchengeſchlechte und behauptete ihn durch die Obermacht; dieſe vollendete ſein Recht. Zu den Dienſten, die ich izt von gewiſſen Perſo- nen vermoͤge eines erkauften Rechtes fodre, zwang der erſte, der ſie ſich leiſten ließ, ihre Vorfahren, oder Furcht und Elend zwangen dieſe, ſie ihm anzubieten: allemal Unterdruͤ- ckung! — Mein Leben iſt das Eigenthum meiner Natur; wer es mir nimmt, dem giebt die Obergewalt ein Recht darauf. —
„Fromal, du erſchreckſt mich! Jſt es moͤg- „lich, daß du ſo denkſt? — Eine unmenſch- „liche Behauptung! —
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„Aber welches Recht hatten wir, uns oh-
„ne ſie zu erhalten, da ſie uns nicht vergoͤnn-
„ten, es mit ihnen zu thun? —
Die Obermacht, das Gluͤck! —
„Geben dieſe ein Recht? —
Sie verſchaffen es, ſie ſind es. Jedes Recht
iſt eine verjaͤhrte Unterdruͤckung, ein verjaͤhr-
ter Raub; nichts weiter. Den Flecken Erde,
den ich izt zum rechtmaͤßigen Eigenthume er-
kaufe, raubte, riß der erſte Beſitzer an ſich:
alle Menſchen hatten vor ihm gleich gegruͤn-
detes Recht darauf: er raubte ihn dem Men-
ſchengeſchlechte und behauptete ihn durch die
Obermacht; dieſe vollendete ſein Recht. Zu
den Dienſten, die ich izt von gewiſſen Perſo-
nen vermoͤge eines erkauften Rechtes fodre,
zwang der erſte, der ſie ſich leiſten ließ, ihre
Vorfahren, oder Furcht und Elend zwangen
dieſe, ſie ihm anzubieten: allemal Unterdruͤ-
ckung! — Mein Leben iſt das Eigenthum
meiner Natur; wer es mir nimmt, dem giebt
die Obergewalt ein Recht darauf. —
„Fromal, du erſchreckſt mich! Jſt es moͤg-
„lich, daß du ſo denkſt? — Eine unmenſch-
„liche Behauptung! —
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/202>, abgerufen am 20.07.2024.
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