aber wir unter einem mildern politischen Himmel erzogne, wir kränkeln mit unsrer Glückseligkeit unter dem hiesigen beständig. Jch war der gefürchtete Herr vieler Sklaven, Besitzer von Reichthümern, und doch fehlte mir stets etwas, so sehr ich alles zu haben schien. --
Du, Fromal? der du so verarmt warest, als du mit mir theiltest, du hattest dies alles? --
Ja! und kam auf eine sonderbare Weise dazu. Jch mußte entfliehn, als ich meinen boshaften Nebenbuhler ermordet hatte, um Akantens und der Gerechtigkeit Rache zu ent- kommen. Jch begab mich nach Frankreich und fand Paris bey meiner Ankunft in der heftigsten Bewegung. Du weißt, Belphe- gor, daß ich in der Welt selten mitspiele, sondern mich vom Schicksale, vom Strome der Begebenheiten fortreißen lasse: auch hier blieb ich meinen Grundsätzen getreu und war müßiger Zuschauer. Man hatte ein neues Schauspiel aufgeführt, das vielen Beifall aus den Logen erhielt: das Parterr über- stimmte sie mit seinem Misfallen. Der Streit
aber wir unter einem mildern politiſchen Himmel erzogne, wir kraͤnkeln mit unſrer Gluͤckſeligkeit unter dem hieſigen beſtaͤndig. Jch war der gefuͤrchtete Herr vieler Sklaven, Beſitzer von Reichthuͤmern, und doch fehlte mir ſtets etwas, ſo ſehr ich alles zu haben ſchien. —
Du, Fromal? der du ſo verarmt wareſt, als du mit mir theilteſt, du hatteſt dies alles? —
Ja! und kam auf eine ſonderbare Weiſe dazu. Jch mußte entfliehn, als ich meinen boshaften Nebenbuhler ermordet hatte, um Akantens und der Gerechtigkeit Rache zu ent- kommen. Jch begab mich nach Frankreich und fand Paris bey meiner Ankunft in der heftigſten Bewegung. Du weißt, Belphe- gor, daß ich in der Welt ſelten mitſpiele, ſondern mich vom Schickſale, vom Strome der Begebenheiten fortreißen laſſe: auch hier blieb ich meinen Grundſaͤtzen getreu und war muͤßiger Zuſchauer. Man hatte ein neues Schauſpiel aufgefuͤhrt, das vielen Beifall aus den Logen erhielt: das Parterr uͤber- ſtimmte ſie mit ſeinem Misfallen. Der Streit
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aber wir unter einem mildern politiſchen
Himmel erzogne, wir kraͤnkeln mit unſrer
Gluͤckſeligkeit unter dem hieſigen beſtaͤndig.
Jch war der gefuͤrchtete Herr vieler Sklaven,
Beſitzer von Reichthuͤmern, und doch fehlte
mir ſtets etwas, ſo ſehr ich alles zu haben
ſchien. —
Du, Fromal? der du ſo verarmt wareſt,
als du mit mir theilteſt, du hatteſt dies
alles? —
Ja! und kam auf eine ſonderbare Weiſe
dazu. Jch mußte entfliehn, als ich meinen
boshaften Nebenbuhler ermordet hatte, um
Akantens und der Gerechtigkeit Rache zu ent-
kommen. Jch begab mich nach Frankreich
und fand Paris bey meiner Ankunft in der
heftigſten Bewegung. Du weißt, Belphe-
gor, daß ich in der Welt ſelten mitſpiele,
ſondern mich vom Schickſale, vom Strome
der Begebenheiten fortreißen laſſe: auch hier
blieb ich meinen Grundſaͤtzen getreu und war
muͤßiger Zuſchauer. Man hatte ein neues
Schauſpiel aufgefuͤhrt, das vielen Beifall
aus den Logen erhielt: das Parterr uͤber-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/177>, abgerufen am 26.11.2024.
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