bearbeitet dort auch den Traubensaft in der verschiedensten Weise, aber was man ihm zusetzt, darf nur vom Weinstock selbst stammen -- das ist der große Unterschied zwischen Weinfabriken in Spanien und in manchen Orten Deutschlands.
Von Tarragona ging es nach Valencia, wo wir am 21. Juli Morgens eintrafen. Zwei Tage vorher hatte sich die Pro- vinz als unabhängiger Canton erklärt; Gouverneur und Militär hatten die Stadt verlassen, aber die Ruhe noch nicht weiter ge- stört worden. Auch meinte unser Consul, in den nächsten Tagen würden Stiergefechte stattfinden und ein solches Schauspiel nehme jeden Spanier so gefangen, daß bis dahin und während desselben alle politischen Verhältnisse vollständig in den Hinter- grund träten. Er selbst, der einzige Deutsche am Orte, fürchte nichts für seine Person, und so beabsichtigten wir, nur einige Tage zu bleiben, als Mittags der englische Consul und der Commandant des in Valencia liegenden englischen Avisos "Hart" bei uns an Bord erschienen.
Sie theilten mir ein Telegramm des englischen Consuls aus Alicante mit, wonach dieser auf das dringendste um so- fortige Entsendung des "Hart" ersuchte. Der Canton Murcia, an dessen Spitze sich der General Contreras gestellt, hatte aus seiner Hauptstadt Cartagena, dem vornehmsten Kriegshafen Spaniens, am Tage zuvor die Panzerfregatte "Victoria" unter rother Flagge nach Alicante entsandt, zunächst den Anschluß der Stadt an Murcia verlangt und nach Verweigerung dieses An- sinnens Geld und Waffen gefordert.
Aber auch dies war abgelehnt worden und infolge dessen hatte der Commandant mit einem Bombardement gedroht. Dieser Commandant war kein wirklicher Marineofficier, sondern der Kapitän eines Handelsschiffes. Als in Cartagena die Be- satzungen der Kriegsschiffe gemeutert und sich für Contreras er- klärt hatten, waren sämmtliche Marineofficiere der rechtmäßigen Regierung treu geblieben und nach Madrid gegangen, ebenso
R. Werner, Erinnerungen. 25
Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
bearbeitet dort auch den Traubenſaft in der verſchiedenſten Weiſe, aber was man ihm zuſetzt, darf nur vom Weinſtock ſelbſt ſtammen — das iſt der große Unterſchied zwiſchen Weinfabriken in Spanien und in manchen Orten Deutſchlands.
Von Tarragona ging es nach Valencia, wo wir am 21. Juli Morgens eintrafen. Zwei Tage vorher hatte ſich die Pro- vinz als unabhängiger Canton erklärt; Gouverneur und Militär hatten die Stadt verlaſſen, aber die Ruhe noch nicht weiter ge- ſtört worden. Auch meinte unſer Conſul, in den nächſten Tagen würden Stiergefechte ſtattfinden und ein ſolches Schauſpiel nehme jeden Spanier ſo gefangen, daß bis dahin und während deſſelben alle politiſchen Verhältniſſe vollſtändig in den Hinter- grund träten. Er ſelbſt, der einzige Deutſche am Orte, fürchte nichts für ſeine Perſon, und ſo beabſichtigten wir, nur einige Tage zu bleiben, als Mittags der engliſche Conſul und der Commandant des in Valencia liegenden engliſchen Aviſos „Hart“ bei uns an Bord erſchienen.
Sie theilten mir ein Telegramm des engliſchen Conſuls aus Alicante mit, wonach dieſer auf das dringendſte um ſo- fortige Entſendung des „Hart“ erſuchte. Der Canton Murcia, an deſſen Spitze ſich der General Contreras geſtellt, hatte aus ſeiner Hauptſtadt Cartagena, dem vornehmſten Kriegshafen Spaniens, am Tage zuvor die Panzerfregatte „Victoria“ unter rother Flagge nach Alicante entſandt, zunächſt den Anſchluß der Stadt an Murcia verlangt und nach Verweigerung dieſes An- ſinnens Geld und Waffen gefordert.
Aber auch dies war abgelehnt worden und infolge deſſen hatte der Commandant mit einem Bombardement gedroht. Dieſer Commandant war kein wirklicher Marineofficier, ſondern der Kapitän eines Handelsſchiffes. Als in Cartagena die Be- ſatzungen der Kriegsſchiffe gemeutert und ſich für Contreras er- klärt hatten, waren ſämmtliche Marineofficiere der rechtmäßigen Regierung treu geblieben und nach Madrid gegangen, ebenſo
R. Werner, Erinnerungen. 25
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0397"n="385"/><fwplace="top"type="header">Nach Weſtindien und dem Mittelmeer</fw><lb/>
bearbeitet dort auch den Traubenſaft in der verſchiedenſten Weiſe,<lb/>
aber was man ihm zuſetzt, darf nur vom Weinſtock ſelbſt<lb/>ſtammen — das iſt der große Unterſchied zwiſchen Weinfabriken<lb/>
in Spanien und in manchen Orten Deutſchlands.</p><lb/><p>Von Tarragona ging es nach Valencia, wo wir am 21.<lb/>
Juli Morgens eintrafen. Zwei Tage vorher hatte ſich die Pro-<lb/>
vinz als unabhängiger Canton erklärt; Gouverneur und Militär<lb/>
hatten die Stadt verlaſſen, aber die Ruhe noch nicht weiter ge-<lb/>ſtört worden. Auch meinte unſer Conſul, in den nächſten Tagen<lb/>
würden Stiergefechte ſtattfinden und ein ſolches Schauſpiel<lb/>
nehme jeden Spanier ſo gefangen, daß bis dahin und während<lb/>
deſſelben alle politiſchen Verhältniſſe vollſtändig in den Hinter-<lb/>
grund träten. Er ſelbſt, der einzige Deutſche am Orte, fürchte<lb/>
nichts für ſeine Perſon, und ſo beabſichtigten wir, nur einige<lb/>
Tage zu bleiben, als Mittags der engliſche Conſul und der<lb/>
Commandant des in Valencia liegenden engliſchen Aviſos „Hart“<lb/>
bei uns an Bord erſchienen.</p><lb/><p>Sie theilten mir ein Telegramm des engliſchen Conſuls<lb/>
aus Alicante mit, wonach dieſer auf das dringendſte um ſo-<lb/>
fortige Entſendung des „Hart“ erſuchte. Der Canton Murcia,<lb/>
an deſſen Spitze ſich der General Contreras geſtellt, hatte aus<lb/>ſeiner Hauptſtadt Cartagena, dem vornehmſten Kriegshafen<lb/>
Spaniens, am Tage zuvor die Panzerfregatte „Victoria“ unter<lb/>
rother Flagge nach Alicante entſandt, zunächſt den Anſchluß der<lb/>
Stadt an Murcia verlangt und nach Verweigerung dieſes An-<lb/>ſinnens Geld und Waffen gefordert.</p><lb/><p>Aber auch dies war abgelehnt worden und infolge deſſen<lb/>
hatte der Commandant mit einem Bombardement gedroht. Dieſer<lb/>
Commandant war kein wirklicher Marineofficier, ſondern der<lb/>
Kapitän eines Handelsſchiffes. Als in Cartagena die Be-<lb/>ſatzungen der Kriegsſchiffe gemeutert und ſich für Contreras er-<lb/>
klärt hatten, waren ſämmtliche Marineofficiere der rechtmäßigen<lb/>
Regierung treu geblieben und nach Madrid gegangen, ebenſo<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R. <hirendition="#g">Werner</hi>, Erinnerungen. 25</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[385/0397]
Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
bearbeitet dort auch den Traubenſaft in der verſchiedenſten Weiſe,
aber was man ihm zuſetzt, darf nur vom Weinſtock ſelbſt
ſtammen — das iſt der große Unterſchied zwiſchen Weinfabriken
in Spanien und in manchen Orten Deutſchlands.
Von Tarragona ging es nach Valencia, wo wir am 21.
Juli Morgens eintrafen. Zwei Tage vorher hatte ſich die Pro-
vinz als unabhängiger Canton erklärt; Gouverneur und Militär
hatten die Stadt verlaſſen, aber die Ruhe noch nicht weiter ge-
ſtört worden. Auch meinte unſer Conſul, in den nächſten Tagen
würden Stiergefechte ſtattfinden und ein ſolches Schauſpiel
nehme jeden Spanier ſo gefangen, daß bis dahin und während
deſſelben alle politiſchen Verhältniſſe vollſtändig in den Hinter-
grund träten. Er ſelbſt, der einzige Deutſche am Orte, fürchte
nichts für ſeine Perſon, und ſo beabſichtigten wir, nur einige
Tage zu bleiben, als Mittags der engliſche Conſul und der
Commandant des in Valencia liegenden engliſchen Aviſos „Hart“
bei uns an Bord erſchienen.
Sie theilten mir ein Telegramm des engliſchen Conſuls
aus Alicante mit, wonach dieſer auf das dringendſte um ſo-
fortige Entſendung des „Hart“ erſuchte. Der Canton Murcia,
an deſſen Spitze ſich der General Contreras geſtellt, hatte aus
ſeiner Hauptſtadt Cartagena, dem vornehmſten Kriegshafen
Spaniens, am Tage zuvor die Panzerfregatte „Victoria“ unter
rother Flagge nach Alicante entſandt, zunächſt den Anſchluß der
Stadt an Murcia verlangt und nach Verweigerung dieſes An-
ſinnens Geld und Waffen gefordert.
Aber auch dies war abgelehnt worden und infolge deſſen
hatte der Commandant mit einem Bombardement gedroht. Dieſer
Commandant war kein wirklicher Marineofficier, ſondern der
Kapitän eines Handelsſchiffes. Als in Cartagena die Be-
ſatzungen der Kriegsſchiffe gemeutert und ſich für Contreras er-
klärt hatten, waren ſämmtliche Marineofficiere der rechtmäßigen
Regierung treu geblieben und nach Madrid gegangen, ebenſo
R. Werner, Erinnerungen. 25
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/397>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.