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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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die meisten Unterofficiere und ein Theil der Besatzungen. Die
Mannschaft der "Victoria" bestand deshalb aus zusammenge-
würfelten und ziemlich unsauberen Elementen.

Infolge der Drohung war unter den Bewohnern Alicantes
eine große Panik ausgebrochen, Alles geflohen, der Gouverneur
mit der militärischen Besatzung an der Spitze, und die Stadt
wie ausgestorben, daher der Nothruf des englischen Con-
suls nach Hülfe. In Valencia waren jedoch noch bedeutend
mehr britische Interessen zu schützen als in Alicante; der "Hart"
konnte deshalb nicht entbehrt werden, andere englische Kriegs-
schiffe waren nicht in der Nähe, und so wurde ich vom englischen
Consul officiell und schriftlich ersucht, den Schutz der Engländer
in Alicante zu übernehmen, dagegen verpflichtete er sich, unsern
Consul in Valencia gegen jede etwaige Unbill zu sichern.

Ich glaubte dieser Aufforderung nachkommen zu müssen
und ging infolge dessen Nachmittags nach Alicante ab, während
der englische Consul die bevorstehende Ankunft des "Friedrich
Karl" dorthin telegraphirte. Meiner Ansicht nach, handelt es
sich dabei keineswegs um irgend eine politische Intervention oder
um eine Einmischung in die inneren Verhältnisse eines fremden
Landes, sondern lediglich um die Abwehr eines piratischen oder
wenigstens eines gegen das Völkerrecht verstoßenden Actes, zu
der jeder Commandant eines Kriegsschiffes eo ipso verpflichtet
ist. Ein Kriegsschiff war durch Meuterei seiner Besatzung in
die Hände einer sich eine politische Partei nennenden Bande
von Communisten übergegangen; es war von Officieren und
Mannschaften besetzt, die kein Mandat irgend einer rechtmäßigen
und anerkannten Regierung hatten, führte eine unbekannte Flagge,
suchte Geld zu erpressen und drohte, als dies mißlang, mit
dem Bombardement einer offenen, wehrlosen Stadt.

Deshalb nahm ich keinen Anstand, der Requisition des
englischen Consuls nachzukommen und die Angehörigen einer be-
freundeten Macht gegen die Angriffe einer Leben und Eigenthum

Werner
die meiſten Unterofficiere und ein Theil der Beſatzungen. Die
Mannſchaft der „Victoria“ beſtand deshalb aus zuſammenge-
würfelten und ziemlich unſauberen Elementen.

Infolge der Drohung war unter den Bewohnern Alicantes
eine große Panik ausgebrochen, Alles geflohen, der Gouverneur
mit der militäriſchen Beſatzung an der Spitze, und die Stadt
wie ausgeſtorben, daher der Nothruf des engliſchen Con-
ſuls nach Hülfe. In Valencia waren jedoch noch bedeutend
mehr britiſche Intereſſen zu ſchützen als in Alicante; der „Hart“
konnte deshalb nicht entbehrt werden, andere engliſche Kriegs-
ſchiffe waren nicht in der Nähe, und ſo wurde ich vom engliſchen
Conſul officiell und ſchriftlich erſucht, den Schutz der Engländer
in Alicante zu übernehmen, dagegen verpflichtete er ſich, unſern
Conſul in Valencia gegen jede etwaige Unbill zu ſichern.

Ich glaubte dieſer Aufforderung nachkommen zu müſſen
und ging infolge deſſen Nachmittags nach Alicante ab, während
der engliſche Conſul die bevorſtehende Ankunft des „Friedrich
Karl“ dorthin telegraphirte. Meiner Anſicht nach, handelt es
ſich dabei keineswegs um irgend eine politiſche Intervention oder
um eine Einmiſchung in die inneren Verhältniſſe eines fremden
Landes, ſondern lediglich um die Abwehr eines piratiſchen oder
wenigſtens eines gegen das Völkerrecht verſtoßenden Actes, zu
der jeder Commandant eines Kriegsſchiffes eo ipso verpflichtet
iſt. Ein Kriegsſchiff war durch Meuterei ſeiner Beſatzung in
die Hände einer ſich eine politiſche Partei nennenden Bande
von Communiſten übergegangen; es war von Officieren und
Mannſchaften beſetzt, die kein Mandat irgend einer rechtmäßigen
und anerkannten Regierung hatten, führte eine unbekannte Flagge,
ſuchte Geld zu erpreſſen und drohte, als dies mißlang, mit
dem Bombardement einer offenen, wehrloſen Stadt.

Deshalb nahm ich keinen Anſtand, der Requiſition des
engliſchen Conſuls nachzukommen und die Angehörigen einer be-
freundeten Macht gegen die Angriffe einer Leben und Eigenthum

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[386/0398] Werner die meiſten Unterofficiere und ein Theil der Beſatzungen. Die Mannſchaft der „Victoria“ beſtand deshalb aus zuſammenge- würfelten und ziemlich unſauberen Elementen. Infolge der Drohung war unter den Bewohnern Alicantes eine große Panik ausgebrochen, Alles geflohen, der Gouverneur mit der militäriſchen Beſatzung an der Spitze, und die Stadt wie ausgeſtorben, daher der Nothruf des engliſchen Con- ſuls nach Hülfe. In Valencia waren jedoch noch bedeutend mehr britiſche Intereſſen zu ſchützen als in Alicante; der „Hart“ konnte deshalb nicht entbehrt werden, andere engliſche Kriegs- ſchiffe waren nicht in der Nähe, und ſo wurde ich vom engliſchen Conſul officiell und ſchriftlich erſucht, den Schutz der Engländer in Alicante zu übernehmen, dagegen verpflichtete er ſich, unſern Conſul in Valencia gegen jede etwaige Unbill zu ſichern. Ich glaubte dieſer Aufforderung nachkommen zu müſſen und ging infolge deſſen Nachmittags nach Alicante ab, während der engliſche Conſul die bevorſtehende Ankunft des „Friedrich Karl“ dorthin telegraphirte. Meiner Anſicht nach, handelt es ſich dabei keineswegs um irgend eine politiſche Intervention oder um eine Einmiſchung in die inneren Verhältniſſe eines fremden Landes, ſondern lediglich um die Abwehr eines piratiſchen oder wenigſtens eines gegen das Völkerrecht verſtoßenden Actes, zu der jeder Commandant eines Kriegsſchiffes eo ipso verpflichtet iſt. Ein Kriegsſchiff war durch Meuterei ſeiner Beſatzung in die Hände einer ſich eine politiſche Partei nennenden Bande von Communiſten übergegangen; es war von Officieren und Mannſchaften beſetzt, die kein Mandat irgend einer rechtmäßigen und anerkannten Regierung hatten, führte eine unbekannte Flagge, ſuchte Geld zu erpreſſen und drohte, als dies mißlang, mit dem Bombardement einer offenen, wehrloſen Stadt. Deshalb nahm ich keinen Anſtand, der Requiſition des engliſchen Conſuls nachzukommen und die Angehörigen einer be- freundeten Macht gegen die Angriffe einer Leben und Eigenthum

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/398>, abgerufen am 18.05.2024.