Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite
Nach Westindien und dem Mittelmeer

Wir blieben nur wenige Tage vor Lissabon, um Kohlen
und Wasser zu ergänzen, hatten aber die Ehre und Freude,
den König Dom Luiz an Bord unseres Schiffes zu sehen.
Sohn eines deutschen Fürsten und sympathisch für Deutschland
eingenommen, beehrte er den "Friedrich Karl" mit einem länge-
ren Besuche, um die Exercitien unserer Mannschaften anzusehen.
Was wir ihm vorführten, fand seinen vollsten Beifall und dies
war für uns um so schmeichelhafter, da der König vor seiner
nicht erwarteten Thronbesteigung Seeofficier war und wir sein
Urtheil als ein competentes anzusehen hatten.

Am 25. Juni wurde die Reise fortgesetzt und zunächst in
Malaga ein längerer Aufenthalt genommen. Die spanischen
Intransigenten hatten die politische Maske abgeworfen und sich
in ihrer wahren Gestalt gezeigt. Unter Führung flüchtiger
französischer Communisten, hatten sie in Sevilla wie in Alcoy
schreckliche Greuelthaten begangen und womöglich die Pariser
Communards noch übertroffen. Es war gebrannt und geplündert
worden, man hatte Menschen in Petroleum getränkt und dann
ihre Kleider angezündet.

In Malaga befindet sich die größte deutsche Colonie an
der spanischen Küste. Es wohnen dort über 200 Deutsche,
die einen ganz bedeutenden Theil des städtischen Handels in
Händen haben. Wurde Malaga der Schauplatz ähnlicher
Scenen wie Alcoy, so standen wichtige deutsche Interessen auf
dem Spiel und unsere Landsleute bedurften deshalb hier in erster
Reihe des Schutzes. Und dieser erschien um so mehr geboten, als
Malaga die Autorität der Cortes nicht mehr anerkannte und
unter Caravajal, einem Volkstribun, der es mit den Intransi-
genten hielt, aber keiner der schlimmsten war, einen eigenen
Canton bildete.

Während der vierzehn Tage, die wir in Malaga zubrachten,
blieb jedoch alles ruhig. Jeder ging seinen Geschäften nach
und Caravajal begnügte sich, mäßige Kriegssteuern auszuschrei-

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer

Wir blieben nur wenige Tage vor Liſſabon, um Kohlen
und Waſſer zu ergänzen, hatten aber die Ehre und Freude,
den König Dom Luiz an Bord unſeres Schiffes zu ſehen.
Sohn eines deutſchen Fürſten und ſympathiſch für Deutſchland
eingenommen, beehrte er den „Friedrich Karl“ mit einem länge-
ren Beſuche, um die Exercitien unſerer Mannſchaften anzuſehen.
Was wir ihm vorführten, fand ſeinen vollſten Beifall und dies
war für uns um ſo ſchmeichelhafter, da der König vor ſeiner
nicht erwarteten Thronbeſteigung Seeofficier war und wir ſein
Urtheil als ein competentes anzuſehen hatten.

Am 25. Juni wurde die Reiſe fortgeſetzt und zunächſt in
Malaga ein längerer Aufenthalt genommen. Die ſpaniſchen
Intranſigenten hatten die politiſche Maske abgeworfen und ſich
in ihrer wahren Geſtalt gezeigt. Unter Führung flüchtiger
franzöſiſcher Communiſten, hatten ſie in Sevilla wie in Alcoy
ſchreckliche Greuelthaten begangen und womöglich die Pariſer
Communards noch übertroffen. Es war gebrannt und geplündert
worden, man hatte Menſchen in Petroleum getränkt und dann
ihre Kleider angezündet.

In Malaga befindet ſich die größte deutſche Colonie an
der ſpaniſchen Küſte. Es wohnen dort über 200 Deutſche,
die einen ganz bedeutenden Theil des ſtädtiſchen Handels in
Händen haben. Wurde Malaga der Schauplatz ähnlicher
Scenen wie Alcoy, ſo ſtanden wichtige deutſche Intereſſen auf
dem Spiel und unſere Landsleute bedurften deshalb hier in erſter
Reihe des Schutzes. Und dieſer erſchien um ſo mehr geboten, als
Malaga die Autorität der Cortes nicht mehr anerkannte und
unter Caravajal, einem Volkstribun, der es mit den Intranſi-
genten hielt, aber keiner der ſchlimmſten war, einen eigenen
Canton bildete.

Während der vierzehn Tage, die wir in Malaga zubrachten,
blieb jedoch alles ruhig. Jeder ging ſeinen Geſchäften nach
und Caravajal begnügte ſich, mäßige Kriegsſteuern auszuſchrei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0395" n="383"/>
        <fw place="top" type="header">Nach We&#x017F;tindien und dem Mittelmeer</fw><lb/>
        <p>Wir blieben nur wenige Tage vor Li&#x017F;&#x017F;abon, um Kohlen<lb/>
und Wa&#x017F;&#x017F;er zu ergänzen, hatten aber die Ehre und Freude,<lb/>
den König Dom Luiz an Bord un&#x017F;eres Schiffes zu &#x017F;ehen.<lb/>
Sohn eines deut&#x017F;chen Für&#x017F;ten und &#x017F;ympathi&#x017F;ch für Deut&#x017F;chland<lb/>
eingenommen, beehrte er den &#x201E;Friedrich Karl&#x201C; mit einem länge-<lb/>
ren Be&#x017F;uche, um die Exercitien un&#x017F;erer Mann&#x017F;chaften anzu&#x017F;ehen.<lb/>
Was wir ihm vorführten, fand &#x017F;einen voll&#x017F;ten Beifall und dies<lb/>
war für uns um &#x017F;o &#x017F;chmeichelhafter, da der König vor &#x017F;einer<lb/>
nicht erwarteten Thronbe&#x017F;teigung Seeofficier war und wir &#x017F;ein<lb/>
Urtheil als ein competentes anzu&#x017F;ehen hatten.</p><lb/>
        <p>Am 25. Juni wurde die Rei&#x017F;e fortge&#x017F;etzt und zunäch&#x017F;t in<lb/>
Malaga ein längerer Aufenthalt genommen. Die &#x017F;pani&#x017F;chen<lb/>
Intran&#x017F;igenten hatten die politi&#x017F;che Maske abgeworfen und &#x017F;ich<lb/>
in ihrer wahren Ge&#x017F;talt gezeigt. Unter Führung flüchtiger<lb/>
franzö&#x017F;i&#x017F;cher Communi&#x017F;ten, hatten &#x017F;ie in Sevilla wie in Alcoy<lb/>
&#x017F;chreckliche Greuelthaten begangen und womöglich die Pari&#x017F;er<lb/>
Communards noch übertroffen. Es war gebrannt und geplündert<lb/>
worden, man hatte Men&#x017F;chen in Petroleum getränkt und dann<lb/>
ihre Kleider angezündet.</p><lb/>
        <p>In Malaga befindet &#x017F;ich die größte deut&#x017F;che Colonie an<lb/>
der &#x017F;pani&#x017F;chen Kü&#x017F;te. Es wohnen dort über 200 Deut&#x017F;che,<lb/>
die einen ganz bedeutenden Theil des &#x017F;tädti&#x017F;chen Handels in<lb/>
Händen haben. Wurde Malaga der Schauplatz ähnlicher<lb/>
Scenen wie Alcoy, &#x017F;o &#x017F;tanden wichtige deut&#x017F;che Intere&#x017F;&#x017F;en auf<lb/>
dem Spiel und un&#x017F;ere Landsleute bedurften deshalb hier in er&#x017F;ter<lb/>
Reihe des Schutzes. Und die&#x017F;er er&#x017F;chien um &#x017F;o mehr geboten, als<lb/>
Malaga die Autorität der Cortes nicht mehr anerkannte und<lb/>
unter Caravajal, einem Volkstribun, der es mit den Intran&#x017F;i-<lb/>
genten hielt, aber keiner der &#x017F;chlimm&#x017F;ten war, einen eigenen<lb/>
Canton bildete.</p><lb/>
        <p>Während der vierzehn Tage, die wir in Malaga zubrachten,<lb/>
blieb jedoch alles ruhig. Jeder ging &#x017F;einen Ge&#x017F;chäften nach<lb/>
und Caravajal begnügte &#x017F;ich, mäßige Kriegs&#x017F;teuern auszu&#x017F;chrei-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0395] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer Wir blieben nur wenige Tage vor Liſſabon, um Kohlen und Waſſer zu ergänzen, hatten aber die Ehre und Freude, den König Dom Luiz an Bord unſeres Schiffes zu ſehen. Sohn eines deutſchen Fürſten und ſympathiſch für Deutſchland eingenommen, beehrte er den „Friedrich Karl“ mit einem länge- ren Beſuche, um die Exercitien unſerer Mannſchaften anzuſehen. Was wir ihm vorführten, fand ſeinen vollſten Beifall und dies war für uns um ſo ſchmeichelhafter, da der König vor ſeiner nicht erwarteten Thronbeſteigung Seeofficier war und wir ſein Urtheil als ein competentes anzuſehen hatten. Am 25. Juni wurde die Reiſe fortgeſetzt und zunächſt in Malaga ein längerer Aufenthalt genommen. Die ſpaniſchen Intranſigenten hatten die politiſche Maske abgeworfen und ſich in ihrer wahren Geſtalt gezeigt. Unter Führung flüchtiger franzöſiſcher Communiſten, hatten ſie in Sevilla wie in Alcoy ſchreckliche Greuelthaten begangen und womöglich die Pariſer Communards noch übertroffen. Es war gebrannt und geplündert worden, man hatte Menſchen in Petroleum getränkt und dann ihre Kleider angezündet. In Malaga befindet ſich die größte deutſche Colonie an der ſpaniſchen Küſte. Es wohnen dort über 200 Deutſche, die einen ganz bedeutenden Theil des ſtädtiſchen Handels in Händen haben. Wurde Malaga der Schauplatz ähnlicher Scenen wie Alcoy, ſo ſtanden wichtige deutſche Intereſſen auf dem Spiel und unſere Landsleute bedurften deshalb hier in erſter Reihe des Schutzes. Und dieſer erſchien um ſo mehr geboten, als Malaga die Autorität der Cortes nicht mehr anerkannte und unter Caravajal, einem Volkstribun, der es mit den Intranſi- genten hielt, aber keiner der ſchlimmſten war, einen eigenen Canton bildete. Während der vierzehn Tage, die wir in Malaga zubrachten, blieb jedoch alles ruhig. Jeder ging ſeinen Geſchäften nach und Caravajal begnügte ſich, mäßige Kriegsſteuern auszuſchrei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/395
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/395>, abgerufen am 19.05.2024.