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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Nach Westindien und dem Mittelmeer
zogenen Roben im Werthe von vielen Hundert Thalern über
die Räder ihrer Wagen breiten, um sie in wenigen Minuten
total zu verderben, um dadurch mit ihrem Reichthum zu prunken.
In Gold- und Brillantschmuck fand ein stetes gegenseitiges
Ueberbieten statt und beim Carneval, den wir mitmachten, bot
sich in anderer Weise Gelegenheit dazu. An den Maskeraden
und Straßenaufzügen nahmen nur die mittleren und niederen
Classen Theil; sie wiesen nichts Originelles oder Interessantes
auf, desto größeren Glanz aber entwickelten die höheren Schichten
der Gesellschaft in ihren Equipagen, mit denen sie in den Haupt-
straßen der Stadt Corso fuhren. Sechs der prachtvollsten andalusi-
schen Pferde von edelster Race bildeten die Bespannung. Auf jedem
zweiten Pferde saß ein Jockey in kostbarer Livree aus Sammt
in brillirenden Farben, mit Gold oder Silber bordirt, und die
Damen im Fond wetteiferten natürlich erst recht in Reichthum
der Toiletten und strahlenden Geschmeides. Unter ihnen fielen
drei Schwestern auf, Marquisen, deren jede in einem besonderen
Wagen fuhr. Sie sollten zu den reichsten Damen Cuba's ge-
hören, waren Besitzerinnen großer Plantagen mit Tausenden
von Sclaven und unverheirathet. Ohne hervorragend hübsch zu
sein und trotz des Embonpoints, den die meisten Creolinnen
erhalten, wenn sie die erste Jugend passirt haben, sahen sie
doch recht gut aus, und man wunderte sich, daß sie unver-
heirathet geblieben waren, bis man erfuhr, daß selbst für
Havannah ihr Ruf mehr als zweifelhaft sei. Man erzählte,
die älteste Marquise, bereits eine starke Dreißigerin, sei bei der
unlängst erfolgten Ankunft eines jungen europäischen Fürsten
auf Cuba mit den beiden jüngeren Schwestern eine hohe Wette
eingegangen, daß sie zuerst den Prinzen in ihre Netze ziehen
werde. Sie hatte auch wirklich die Wette gewonnen, doch soll
es den beiden Schwestern sehr bald nachher gelungen sein, den
hohen Herrn zum Abfall zu bewegen. Abends am ersten Carne-
valstage fand großer Maskenball im Theater statt. Die Logen

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
zogenen Roben im Werthe von vielen Hundert Thalern über
die Räder ihrer Wagen breiten, um ſie in wenigen Minuten
total zu verderben, um dadurch mit ihrem Reichthum zu prunken.
In Gold- und Brillantſchmuck fand ein ſtetes gegenſeitiges
Ueberbieten ſtatt und beim Carneval, den wir mitmachten, bot
ſich in anderer Weiſe Gelegenheit dazu. An den Maskeraden
und Straßenaufzügen nahmen nur die mittleren und niederen
Claſſen Theil; ſie wieſen nichts Originelles oder Intereſſantes
auf, deſto größeren Glanz aber entwickelten die höheren Schichten
der Geſellſchaft in ihren Equipagen, mit denen ſie in den Haupt-
ſtraßen der Stadt Corſo fuhren. Sechs der prachtvollſten andaluſi-
ſchen Pferde von edelſter Race bildeten die Beſpannung. Auf jedem
zweiten Pferde ſaß ein Jockey in koſtbarer Livrée aus Sammt
in brillirenden Farben, mit Gold oder Silber bordirt, und die
Damen im Fond wetteiferten natürlich erſt recht in Reichthum
der Toiletten und ſtrahlenden Geſchmeides. Unter ihnen fielen
drei Schweſtern auf, Marquiſen, deren jede in einem beſonderen
Wagen fuhr. Sie ſollten zu den reichſten Damen Cuba’s ge-
hören, waren Beſitzerinnen großer Plantagen mit Tauſenden
von Sclaven und unverheirathet. Ohne hervorragend hübſch zu
ſein und trotz des Embonpoints, den die meiſten Creolinnen
erhalten, wenn ſie die erſte Jugend paſſirt haben, ſahen ſie
doch recht gut aus, und man wunderte ſich, daß ſie unver-
heirathet geblieben waren, bis man erfuhr, daß ſelbſt für
Havannah ihr Ruf mehr als zweifelhaft ſei. Man erzählte,
die älteſte Marquiſe, bereits eine ſtarke Dreißigerin, ſei bei der
unlängſt erfolgten Ankunft eines jungen europäiſchen Fürſten
auf Cuba mit den beiden jüngeren Schweſtern eine hohe Wette
eingegangen, daß ſie zuerſt den Prinzen in ihre Netze ziehen
werde. Sie hatte auch wirklich die Wette gewonnen, doch ſoll
es den beiden Schweſtern ſehr bald nachher gelungen ſein, den
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[375/0387] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer zogenen Roben im Werthe von vielen Hundert Thalern über die Räder ihrer Wagen breiten, um ſie in wenigen Minuten total zu verderben, um dadurch mit ihrem Reichthum zu prunken. In Gold- und Brillantſchmuck fand ein ſtetes gegenſeitiges Ueberbieten ſtatt und beim Carneval, den wir mitmachten, bot ſich in anderer Weiſe Gelegenheit dazu. An den Maskeraden und Straßenaufzügen nahmen nur die mittleren und niederen Claſſen Theil; ſie wieſen nichts Originelles oder Intereſſantes auf, deſto größeren Glanz aber entwickelten die höheren Schichten der Geſellſchaft in ihren Equipagen, mit denen ſie in den Haupt- ſtraßen der Stadt Corſo fuhren. Sechs der prachtvollſten andaluſi- ſchen Pferde von edelſter Race bildeten die Beſpannung. Auf jedem zweiten Pferde ſaß ein Jockey in koſtbarer Livrée aus Sammt in brillirenden Farben, mit Gold oder Silber bordirt, und die Damen im Fond wetteiferten natürlich erſt recht in Reichthum der Toiletten und ſtrahlenden Geſchmeides. Unter ihnen fielen drei Schweſtern auf, Marquiſen, deren jede in einem beſonderen Wagen fuhr. Sie ſollten zu den reichſten Damen Cuba’s ge- hören, waren Beſitzerinnen großer Plantagen mit Tauſenden von Sclaven und unverheirathet. Ohne hervorragend hübſch zu ſein und trotz des Embonpoints, den die meiſten Creolinnen erhalten, wenn ſie die erſte Jugend paſſirt haben, ſahen ſie doch recht gut aus, und man wunderte ſich, daß ſie unver- heirathet geblieben waren, bis man erfuhr, daß ſelbſt für Havannah ihr Ruf mehr als zweifelhaft ſei. Man erzählte, die älteſte Marquiſe, bereits eine ſtarke Dreißigerin, ſei bei der unlängſt erfolgten Ankunft eines jungen europäiſchen Fürſten auf Cuba mit den beiden jüngeren Schweſtern eine hohe Wette eingegangen, daß ſie zuerſt den Prinzen in ihre Netze ziehen werde. Sie hatte auch wirklich die Wette gewonnen, doch ſoll es den beiden Schweſtern ſehr bald nachher gelungen ſein, den hohen Herrn zum Abfall zu bewegen. Abends am erſten Carne- valstage fand großer Maskenball im Theater ſtatt. Die Logen

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/387>, abgerufen am 24.11.2024.