Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Werner waren mit hölzernem Gitterwerk geschlossen, so daß es aussah,als ob Niemand darin anwesend sei, doch das war ein Irr- thum. Dahinter saßen dem Publicum unsichtbar die Damen der ersten gesellschaftlichen Kreise Havannah's und bewahrten auf diese Weise noch den Schein von Scham, wenn sie letztere in Wirklichkeit auch nicht mehr besaßen; denn etwas Scham- loseres als die Tänze, Gesten und das ganze Auftreten der Masken kann man sich kaum denken. Selbst uns Männern wurde es zu viel, und man that einen tiefen Blick in die sitt- lichen Zustände der Bevölkerung. Wie ich bereits erwähnte, gehört das von einem früheren Auch der Besuch der Arena, der Stiergefechte, wurde nicht Werner waren mit hölzernem Gitterwerk geſchloſſen, ſo daß es ausſah,als ob Niemand darin anweſend ſei, doch das war ein Irr- thum. Dahinter ſaßen dem Publicum unſichtbar die Damen der erſten geſellſchaftlichen Kreiſe Havannah’s und bewahrten auf dieſe Weiſe noch den Schein von Scham, wenn ſie letztere in Wirklichkeit auch nicht mehr beſaßen; denn etwas Scham- loſeres als die Tänze, Geſten und das ganze Auftreten der Masken kann man ſich kaum denken. Selbſt uns Männern wurde es zu viel, und man that einen tiefen Blick in die ſitt- lichen Zuſtände der Bevölkerung. Wie ich bereits erwähnte, gehört das von einem früheren Auch der Beſuch der Arena, der Stiergefechte, wurde nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0388" n="376"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/> waren mit hölzernem Gitterwerk geſchloſſen, ſo daß es ausſah,<lb/> als ob Niemand darin anweſend ſei, doch das war ein Irr-<lb/> thum. Dahinter ſaßen dem Publicum unſichtbar die Damen<lb/> der erſten geſellſchaftlichen Kreiſe Havannah’s und bewahrten<lb/> auf dieſe Weiſe noch den Schein von Scham, wenn ſie letztere<lb/> in Wirklichkeit auch nicht mehr beſaßen; denn etwas Scham-<lb/> loſeres als die Tänze, Geſten und das ganze Auftreten der<lb/> Masken kann man ſich kaum denken. Selbſt uns Männern<lb/> wurde es zu viel, und man that einen tiefen Blick in die ſitt-<lb/> lichen Zuſtände der Bevölkerung.</p><lb/> <p>Wie ich bereits erwähnte, gehört das von einem früheren<lb/> Generalkapitän Tacon erbaute und nach ihm benannte Theater zu<lb/> den ſchönſten ſeiner Art und Schauſpieler wie Sänger laſſen nichts<lb/> zu wünſchen übrig. In tropiſchen Städten dürfte ein ſolches<lb/> vortreffliches Enſemble zum zweiten Male kaum gefunden werden.</p><lb/> <p>Auch der Beſuch der Arena, der Stiergefechte, wurde nicht<lb/> verſäumt, aber es ſind unerquickliche Schauſpiele und die portu-<lb/> gieſiſchen den ſpaniſchen bedeutend vorzuziehen. In jenen geht<lb/> es ritterlicher und weniger grauſam zu. Der Matador zeigt auf<lb/> prachtvollem Pferde ſeine außerordentliche Gewandtheit im Reiten.<lb/> Mit leiſem Zügel- und Schenkeldruck weiß er dem heranſtür-<lb/> menden Stiere auszuweichen, aber zugleich mit dem ſtumpfen<lb/> Degen die Stelle im Nacken des wüthenden Thieres zu mar-<lb/> kiren, wo der Stoß tödtlich ſein würde, um danach mit unnach-<lb/> ahmlicher Grandezza, leichtem Kopfneigen und lächelndem Munde<lb/> den jubelnden Zuſchauern für die Anerkennung ſeiner Geſchick-<lb/> lichkeit zu danken. Den Stieren ſind auf die abgeſchnittenen<lb/> Spitzen der Hörner Kugeln geſetzt, und wenn der Kampf auch<lb/> noch immer genug Nervenaufregung bringt, ſo zeugt er doch<lb/> von verfeinertem Gefühl im Vergleich zu der rohen Blutgier,<lb/> welche die Pointe der ſpaniſchen Stiergefechte iſt. Acht bis zehn<lb/> unglückliche Pferde werden dabei dem Tode geweiht; es ſind<lb/> elende Thiere, für den Abdecker reif und ſchon deshalb ein<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [376/0388]
Werner
waren mit hölzernem Gitterwerk geſchloſſen, ſo daß es ausſah,
als ob Niemand darin anweſend ſei, doch das war ein Irr-
thum. Dahinter ſaßen dem Publicum unſichtbar die Damen
der erſten geſellſchaftlichen Kreiſe Havannah’s und bewahrten
auf dieſe Weiſe noch den Schein von Scham, wenn ſie letztere
in Wirklichkeit auch nicht mehr beſaßen; denn etwas Scham-
loſeres als die Tänze, Geſten und das ganze Auftreten der
Masken kann man ſich kaum denken. Selbſt uns Männern
wurde es zu viel, und man that einen tiefen Blick in die ſitt-
lichen Zuſtände der Bevölkerung.
Wie ich bereits erwähnte, gehört das von einem früheren
Generalkapitän Tacon erbaute und nach ihm benannte Theater zu
den ſchönſten ſeiner Art und Schauſpieler wie Sänger laſſen nichts
zu wünſchen übrig. In tropiſchen Städten dürfte ein ſolches
vortreffliches Enſemble zum zweiten Male kaum gefunden werden.
Auch der Beſuch der Arena, der Stiergefechte, wurde nicht
verſäumt, aber es ſind unerquickliche Schauſpiele und die portu-
gieſiſchen den ſpaniſchen bedeutend vorzuziehen. In jenen geht
es ritterlicher und weniger grauſam zu. Der Matador zeigt auf
prachtvollem Pferde ſeine außerordentliche Gewandtheit im Reiten.
Mit leiſem Zügel- und Schenkeldruck weiß er dem heranſtür-
menden Stiere auszuweichen, aber zugleich mit dem ſtumpfen
Degen die Stelle im Nacken des wüthenden Thieres zu mar-
kiren, wo der Stoß tödtlich ſein würde, um danach mit unnach-
ahmlicher Grandezza, leichtem Kopfneigen und lächelndem Munde
den jubelnden Zuſchauern für die Anerkennung ſeiner Geſchick-
lichkeit zu danken. Den Stieren ſind auf die abgeſchnittenen
Spitzen der Hörner Kugeln geſetzt, und wenn der Kampf auch
noch immer genug Nervenaufregung bringt, ſo zeugt er doch
von verfeinertem Gefühl im Vergleich zu der rohen Blutgier,
welche die Pointe der ſpaniſchen Stiergefechte iſt. Acht bis zehn
unglückliche Pferde werden dabei dem Tode geweiht; es ſind
elende Thiere, für den Abdecker reif und ſchon deshalb ein
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