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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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fast monatlich wiederholte. Wie kräftig und gesund schauten sie
aus die jungen Soldaten, wie hoffnungsvoll blitzten die dunkeln
Augen in die Zukunft hinein, und wie bald sollten sie dem
Moloch des Krieges zum Opfer fallen. Kaum hat wol einer von
ihnen sein Vaterland wiedergesehen; bereits 50,000 ihrer Brüder
hatte der Tod seit dem Beginn der Insurrection dahingerafft,
und noch 30,000 blühende Leben sind ihnen bis heute ge-
folgt. Alle schlummern fern von der Heimath in fremder Erde,
und der Thau, der die schmucklose Rasendecke ihrer Massen-
gräber benetzt, bedeutet die Thränen, die jenseits des Oceans
die einsamen Mütter ihren verlorenen Söhnen nachweinen. Doch
die in Schmuck und Toilettenglanz strahlenden Zuschauerinnen
trugen sich nicht mit solchen Gedanken; für sie war es ein
militärisches Schauspiel, das einige Stunden lang etwas Neues
und Stoff zu Bemerkungen, vielleicht auch Gelegenheit zur An-
knüpfung einer Liaison bot, denn an Koketterie und verlangen-
den Blicken fehlte es nicht.

In außerspanischen Kreisen erzählte man sich allerlei
Trauriges über das Schicksal, das diese armen Soldaten er-
wartete; sie sollten weniger die feindlichen Kugeln als die eigene
Mißverwaltung zu fürchten haben und neun Zehntel von
ihnen lediglich daran zu Grunde gehen. Unter ungescheuter
Nennung von Namen wurde behauptet, daß die Truppen
ohne zureichende Kleidung und Nahrung in die unwegsamsten
Gegenden, wo sich die Insurgenten aufhielten, geschickt würden.
Dann thaten die Sumpffieber ihr Werk, die von Strapazen und
Hunger erschöpften Körper konnten keinen Widerstand leisten, der
Tod hielt hundertfältige Ernte und das Blutgeld für die nicht
gelieferten Vorräthe floß in die Taschen ungetreuer Menschen.

Es muß sehr viel reiche Leute in Havannah geben; man
merkte es an dem überall und von Damen oft in unsinnigster
Weise zur Schau getragenen Luxus. Auf Spazierfahrten sah
man einige dieser Creolinnen ihre neuen, soeben aus Paris be-

Werner
faſt monatlich wiederholte. Wie kräftig und geſund ſchauten ſie
aus die jungen Soldaten, wie hoffnungsvoll blitzten die dunkeln
Augen in die Zukunft hinein, und wie bald ſollten ſie dem
Moloch des Krieges zum Opfer fallen. Kaum hat wol einer von
ihnen ſein Vaterland wiedergeſehen; bereits 50,000 ihrer Brüder
hatte der Tod ſeit dem Beginn der Inſurrection dahingerafft,
und noch 30,000 blühende Leben ſind ihnen bis heute ge-
folgt. Alle ſchlummern fern von der Heimath in fremder Erde,
und der Thau, der die ſchmuckloſe Raſendecke ihrer Maſſen-
gräber benetzt, bedeutet die Thränen, die jenſeits des Oceans
die einſamen Mütter ihren verlorenen Söhnen nachweinen. Doch
die in Schmuck und Toilettenglanz ſtrahlenden Zuſchauerinnen
trugen ſich nicht mit ſolchen Gedanken; für ſie war es ein
militäriſches Schauſpiel, das einige Stunden lang etwas Neues
und Stoff zu Bemerkungen, vielleicht auch Gelegenheit zur An-
knüpfung einer Liaiſon bot, denn an Koketterie und verlangen-
den Blicken fehlte es nicht.

In außerſpaniſchen Kreiſen erzählte man ſich allerlei
Trauriges über das Schickſal, das dieſe armen Soldaten er-
wartete; ſie ſollten weniger die feindlichen Kugeln als die eigene
Mißverwaltung zu fürchten haben und neun Zehntel von
ihnen lediglich daran zu Grunde gehen. Unter ungeſcheuter
Nennung von Namen wurde behauptet, daß die Truppen
ohne zureichende Kleidung und Nahrung in die unwegſamſten
Gegenden, wo ſich die Inſurgenten aufhielten, geſchickt würden.
Dann thaten die Sumpffieber ihr Werk, die von Strapazen und
Hunger erſchöpften Körper konnten keinen Widerſtand leiſten, der
Tod hielt hundertfältige Ernte und das Blutgeld für die nicht
gelieferten Vorräthe floß in die Taſchen ungetreuer Menſchen.

Es muß ſehr viel reiche Leute in Havannah geben; man
merkte es an dem überall und von Damen oft in unſinnigſter
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man einige dieſer Creolinnen ihre neuen, ſoeben aus Paris be-

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[374/0386] Werner faſt monatlich wiederholte. Wie kräftig und geſund ſchauten ſie aus die jungen Soldaten, wie hoffnungsvoll blitzten die dunkeln Augen in die Zukunft hinein, und wie bald ſollten ſie dem Moloch des Krieges zum Opfer fallen. Kaum hat wol einer von ihnen ſein Vaterland wiedergeſehen; bereits 50,000 ihrer Brüder hatte der Tod ſeit dem Beginn der Inſurrection dahingerafft, und noch 30,000 blühende Leben ſind ihnen bis heute ge- folgt. Alle ſchlummern fern von der Heimath in fremder Erde, und der Thau, der die ſchmuckloſe Raſendecke ihrer Maſſen- gräber benetzt, bedeutet die Thränen, die jenſeits des Oceans die einſamen Mütter ihren verlorenen Söhnen nachweinen. Doch die in Schmuck und Toilettenglanz ſtrahlenden Zuſchauerinnen trugen ſich nicht mit ſolchen Gedanken; für ſie war es ein militäriſches Schauſpiel, das einige Stunden lang etwas Neues und Stoff zu Bemerkungen, vielleicht auch Gelegenheit zur An- knüpfung einer Liaiſon bot, denn an Koketterie und verlangen- den Blicken fehlte es nicht. In außerſpaniſchen Kreiſen erzählte man ſich allerlei Trauriges über das Schickſal, das dieſe armen Soldaten er- wartete; ſie ſollten weniger die feindlichen Kugeln als die eigene Mißverwaltung zu fürchten haben und neun Zehntel von ihnen lediglich daran zu Grunde gehen. Unter ungeſcheuter Nennung von Namen wurde behauptet, daß die Truppen ohne zureichende Kleidung und Nahrung in die unwegſamſten Gegenden, wo ſich die Inſurgenten aufhielten, geſchickt würden. Dann thaten die Sumpffieber ihr Werk, die von Strapazen und Hunger erſchöpften Körper konnten keinen Widerſtand leiſten, der Tod hielt hundertfältige Ernte und das Blutgeld für die nicht gelieferten Vorräthe floß in die Taſchen ungetreuer Menſchen. Es muß ſehr viel reiche Leute in Havannah geben; man merkte es an dem überall und von Damen oft in unſinnigſter Weiſe zur Schau getragenen Luxus. Auf Spazierfahrten ſah man einige dieſer Creolinnen ihre neuen, ſoeben aus Paris be-

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/386>, abgerufen am 19.05.2024.