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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Nach Westindien und dem Mittelmeer

Auf den Segelschiffen war der Commandant beim Manöv-
riren viel unabhängiger als jetzt. Er gab seine Befehle über
Segelstellung und Ruderlage und controlirte deren richtige Aus-
führung selbst und mit einem Blicke. Jetzt ist er von der
Maschine abhängig und die Controle um so viel schwieriger.
Man sucht sie zwar durch alle möglichen mechanischen Vorrich-
tungen, Hubzähler, Sprachrohre, Telegraphen der verschiedensten
Art, zu erleichtern, aber jedenfalls wird sie durch solche Hülfs-
mittel nicht vereinfacht. Ueberhaupt sind auf den Kriegsschiffen
überall die complicirtesten Verhältnisse an Stelle der früheren
einfachen getreten und deshalb erfordert ihre richtige Behand-
lung ganz bedeutend mehr Kenntnisse, Geschick und namentlich
mehr Uebung als sonst. Auch genügt es nicht, daß der Comman-
dant allein sein Schiff, dessen Eigenschaften und Eigenthümlich-
keiten genau kennt, sondern dasselbe muß von den Officieren
und dem größten Theile der Besatzung gefordert werden, wenn
man die volle Ausnutzung jener im Kampfe erwartet. Die ge-
nannten Personen müssen dauernd, wenn möglich Jahre lang
auf demselben Schiffe bleiben und vollkommen mit ihm ver-
traut sein; nur dann wird letzteres in der Schlacht das leisten,
was es vermag.

Die achttägigen Uebungen in der Samana Bay hatten
den Kohlenvorrath des Geschwaders so ziemlich erschöpft und
zu seiner Ergänzung liefen wir den nahen Hafen von Kingston
auf Jamaika an.

Das waren einmal wieder schöne Tage, die wir auf der
prachtvollen Insel verlebten. Der gastfreundliche Gouverneur
lud uns auf seine Villa in den Bergen ein und wir genossen
von dort auf Ausflügen in die blauen Gebirge, was die herr-
liche Tropennatur bot. Bis über 2000 Meter erheben sich die
Höhenzüge im Innern, aber nicht so wild, zerrissen und jäh
wie auf Madeira oder Hayti, sondern bequem aufsteigend und
überall mit breiten und gut gehaltenen Wegen versehen. Wie

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer

Auf den Segelſchiffen war der Commandant beim Manöv-
riren viel unabhängiger als jetzt. Er gab ſeine Befehle über
Segelſtellung und Ruderlage und controlirte deren richtige Aus-
führung ſelbſt und mit einem Blicke. Jetzt iſt er von der
Maſchine abhängig und die Controle um ſo viel ſchwieriger.
Man ſucht ſie zwar durch alle möglichen mechaniſchen Vorrich-
tungen, Hubzähler, Sprachrohre, Telegraphen der verſchiedenſten
Art, zu erleichtern, aber jedenfalls wird ſie durch ſolche Hülfs-
mittel nicht vereinfacht. Ueberhaupt ſind auf den Kriegsſchiffen
überall die complicirteſten Verhältniſſe an Stelle der früheren
einfachen getreten und deshalb erfordert ihre richtige Behand-
lung ganz bedeutend mehr Kenntniſſe, Geſchick und namentlich
mehr Uebung als ſonſt. Auch genügt es nicht, daß der Comman-
dant allein ſein Schiff, deſſen Eigenſchaften und Eigenthümlich-
keiten genau kennt, ſondern daſſelbe muß von den Officieren
und dem größten Theile der Beſatzung gefordert werden, wenn
man die volle Ausnutzung jener im Kampfe erwartet. Die ge-
nannten Perſonen müſſen dauernd, wenn möglich Jahre lang
auf demſelben Schiffe bleiben und vollkommen mit ihm ver-
traut ſein; nur dann wird letzteres in der Schlacht das leiſten,
was es vermag.

Die achttägigen Uebungen in der Samana Bay hatten
den Kohlenvorrath des Geſchwaders ſo ziemlich erſchöpft und
zu ſeiner Ergänzung liefen wir den nahen Hafen von Kingſton
auf Jamaika an.

Das waren einmal wieder ſchöne Tage, die wir auf der
prachtvollen Inſel verlebten. Der gaſtfreundliche Gouverneur
lud uns auf ſeine Villa in den Bergen ein und wir genoſſen
von dort auf Ausflügen in die blauen Gebirge, was die herr-
liche Tropennatur bot. Bis über 2000 Meter erheben ſich die
Höhenzüge im Innern, aber nicht ſo wild, zerriſſen und jäh
wie auf Madeira oder Hayti, ſondern bequem aufſteigend und
überall mit breiten und gut gehaltenen Wegen verſehen. Wie

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[361/0373] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer Auf den Segelſchiffen war der Commandant beim Manöv- riren viel unabhängiger als jetzt. Er gab ſeine Befehle über Segelſtellung und Ruderlage und controlirte deren richtige Aus- führung ſelbſt und mit einem Blicke. Jetzt iſt er von der Maſchine abhängig und die Controle um ſo viel ſchwieriger. Man ſucht ſie zwar durch alle möglichen mechaniſchen Vorrich- tungen, Hubzähler, Sprachrohre, Telegraphen der verſchiedenſten Art, zu erleichtern, aber jedenfalls wird ſie durch ſolche Hülfs- mittel nicht vereinfacht. Ueberhaupt ſind auf den Kriegsſchiffen überall die complicirteſten Verhältniſſe an Stelle der früheren einfachen getreten und deshalb erfordert ihre richtige Behand- lung ganz bedeutend mehr Kenntniſſe, Geſchick und namentlich mehr Uebung als ſonſt. Auch genügt es nicht, daß der Comman- dant allein ſein Schiff, deſſen Eigenſchaften und Eigenthümlich- keiten genau kennt, ſondern daſſelbe muß von den Officieren und dem größten Theile der Beſatzung gefordert werden, wenn man die volle Ausnutzung jener im Kampfe erwartet. Die ge- nannten Perſonen müſſen dauernd, wenn möglich Jahre lang auf demſelben Schiffe bleiben und vollkommen mit ihm ver- traut ſein; nur dann wird letzteres in der Schlacht das leiſten, was es vermag. Die achttägigen Uebungen in der Samana Bay hatten den Kohlenvorrath des Geſchwaders ſo ziemlich erſchöpft und zu ſeiner Ergänzung liefen wir den nahen Hafen von Kingſton auf Jamaika an. Das waren einmal wieder ſchöne Tage, die wir auf der prachtvollen Inſel verlebten. Der gaſtfreundliche Gouverneur lud uns auf ſeine Villa in den Bergen ein und wir genoſſen von dort auf Ausflügen in die blauen Gebirge, was die herr- liche Tropennatur bot. Bis über 2000 Meter erheben ſich die Höhenzüge im Innern, aber nicht ſo wild, zerriſſen und jäh wie auf Madeira oder Hayti, ſondern bequem aufſteigend und überall mit breiten und gut gehaltenen Wegen verſehen. Wie

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/373>, abgerufen am 25.11.2024.