Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Werner in Barbados nimmt man auf den ersten Blick wahr, daß Eng-länder die Herren der Insel sind und diese sich schon Jahr- hunderte lang in ihrem Besitze befindet. Jedes Thal, jeder nicht zu steile Abhang ist cultivirt, bis zu 2000 Meter Höhe trifft man Kaffeepflanzungen und überall in der Ebene liegen Zucker- und Rumfabriken zerstreut. Seit Freilassung der Neger, von denen es über 300,000 auf Jamaika giebt, ist der Ertrag um zwei Drittel zurückgegangen; er beginnt aber seit Einfüh- rung chinesischer Kulis, die hier wirklich freie Arbeiter sind, sich allmälig zu heben. Der Neger faullenzt und nur der Hunger treibt ihn, ein paar Tage im Monat zu arbeiten, um bei seinen geringen Bedürfnissen für den gewonnenen Lohn während der übrigen Zeit in Nichtsthun zu schwelgen, das für ihn das höchste irdische Glück einschließt. Der Kuli dagegen hat wie alle Chinesen den Ehrgeiz, ein wohlhabender Mann zu werden und als solcher in seine Heimath zurückzukehren, an der er mit großer Liebe hängt und die er nur verlassen hat, weil in dem übervölkerten Lande kein Raum mehr für ihn war und ihm der Hungertod in's Antlitz starrte. In diesem Gedanken arbeitet er unverdrossen von früh bis spät, trotz Fieber und Sonnengluth, lebt überaus sparsam und ärmlich und sucht nur Geld zurück- zulegen. Leider gelingt es nur Wenigen, das Ziel zu erreichen, denn der verführende Teufel, das Opium, stiehlt ihnen das schwer Erworbene und zugleich die körperlichen und geistigen Kräfte. Aber sie arbeiten so lange es möglich ist, und unter ihren fleißigen Händen und bei dem geringen Lohn, den sie be- anspruchen, kommen die englischen Pflanzungen und Fabriken in die Höhe. In den Tropen ist für europäische Anforderungen nur der Werner in Barbados nimmt man auf den erſten Blick wahr, daß Eng-länder die Herren der Inſel ſind und dieſe ſich ſchon Jahr- hunderte lang in ihrem Beſitze befindet. Jedes Thal, jeder nicht zu ſteile Abhang iſt cultivirt, bis zu 2000 Meter Höhe trifft man Kaffeepflanzungen und überall in der Ebene liegen Zucker- und Rumfabriken zerſtreut. Seit Freilaſſung der Neger, von denen es über 300,000 auf Jamaika giebt, iſt der Ertrag um zwei Drittel zurückgegangen; er beginnt aber ſeit Einfüh- rung chineſiſcher Kulis, die hier wirklich freie Arbeiter ſind, ſich allmälig zu heben. Der Neger faullenzt und nur der Hunger treibt ihn, ein paar Tage im Monat zu arbeiten, um bei ſeinen geringen Bedürfniſſen für den gewonnenen Lohn während der übrigen Zeit in Nichtsthun zu ſchwelgen, das für ihn das höchſte irdiſche Glück einſchließt. Der Kuli dagegen hat wie alle Chineſen den Ehrgeiz, ein wohlhabender Mann zu werden und als ſolcher in ſeine Heimath zurückzukehren, an der er mit großer Liebe hängt und die er nur verlaſſen hat, weil in dem übervölkerten Lande kein Raum mehr für ihn war und ihm der Hungertod in’s Antlitz ſtarrte. In dieſem Gedanken arbeitet er unverdroſſen von früh bis ſpät, trotz Fieber und Sonnengluth, lebt überaus ſparſam und ärmlich und ſucht nur Geld zurück- zulegen. Leider gelingt es nur Wenigen, das Ziel zu erreichen, denn der verführende Teufel, das Opium, ſtiehlt ihnen das ſchwer Erworbene und zugleich die körperlichen und geiſtigen Kräfte. Aber ſie arbeiten ſo lange es möglich iſt, und unter ihren fleißigen Händen und bei dem geringen Lohn, den ſie be- anſpruchen, kommen die engliſchen Pflanzungen und Fabriken in die Höhe. 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Werner
in Barbados nimmt man auf den erſten Blick wahr, daß Eng-
länder die Herren der Inſel ſind und dieſe ſich ſchon Jahr-
hunderte lang in ihrem Beſitze befindet. Jedes Thal, jeder
nicht zu ſteile Abhang iſt cultivirt, bis zu 2000 Meter Höhe
trifft man Kaffeepflanzungen und überall in der Ebene liegen
Zucker- und Rumfabriken zerſtreut. Seit Freilaſſung der Neger,
von denen es über 300,000 auf Jamaika giebt, iſt der Ertrag
um zwei Drittel zurückgegangen; er beginnt aber ſeit Einfüh-
rung chineſiſcher Kulis, die hier wirklich freie Arbeiter ſind,
ſich allmälig zu heben. Der Neger faullenzt und nur der Hunger
treibt ihn, ein paar Tage im Monat zu arbeiten, um bei ſeinen
geringen Bedürfniſſen für den gewonnenen Lohn während der
übrigen Zeit in Nichtsthun zu ſchwelgen, das für ihn das
höchſte irdiſche Glück einſchließt. Der Kuli dagegen hat wie
alle Chineſen den Ehrgeiz, ein wohlhabender Mann zu werden
und als ſolcher in ſeine Heimath zurückzukehren, an der er mit
großer Liebe hängt und die er nur verlaſſen hat, weil in dem
übervölkerten Lande kein Raum mehr für ihn war und ihm der
Hungertod in’s Antlitz ſtarrte. In dieſem Gedanken arbeitet er
unverdroſſen von früh bis ſpät, trotz Fieber und Sonnengluth,
lebt überaus ſparſam und ärmlich und ſucht nur Geld zurück-
zulegen. Leider gelingt es nur Wenigen, das Ziel zu erreichen,
denn der verführende Teufel, das Opium, ſtiehlt ihnen das
ſchwer Erworbene und zugleich die körperlichen und geiſtigen
Kräfte. Aber ſie arbeiten ſo lange es möglich iſt, und unter
ihren fleißigen Händen und bei dem geringen Lohn, den ſie be-
anſpruchen, kommen die engliſchen Pflanzungen und Fabriken in
die Höhe.
In den Tropen iſt für europäiſche Anforderungen nur der
chineſiſche Kuli der gegebene Arbeiter, weil er aus eigenem An-
triebe fleißig iſt und außer dem Neger reſp. Eingeborenen allein
den ſchädlichen klimatiſchen Einflüſſen widerſteht. Wo in Colo-
nien Sclaverei geherrſcht hat, iſt lediglich er im Stande, durch
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Zitationshilfe: | Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/374>, abgerufen am 28.07.2024. |