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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Nach Westindien und dem Mittelmeer
behaglichen Sicherheit und überläßt sich ihm ganz in dem Be-
wußtsein, alle die Plackereien, Unbequemlichkeiten und Schrecken
des Seelebens hinter sich gelassen zu haben und nun eine ge-
raume Zeit lang dessen Lichtseiten genießen zu können. Die
von dunkeln Nächten, Nebeln, Stürmen und was damit zu-
sammenhängt aufgeregten Nerven fangen an, sich zu beruhigen
und das übt einen Rückschlag auf alle Verhältnisse an Bord
aus, denn das Schiffsleben wird mehr durch Stimmungen be-
einflußt, als das am Lande, wo sich die Uebelgelaunten aus
dem Wege gehen können. Seeleute wissen freilich von vornher-
ein, daß ihr Beruf ein harter ist und wenig Freuden bietet,
aber wenn sie Wochen lang und ununterbrochen nur die Kehr-
seiten desselben vor Augen haben, dann kann es nicht ausbleiben,
daß auch die Gleichmüthigsten aus ihrer Ruhe gebracht und
in einen gereizten Gemüthszustand versetzt werden, -- sie
sind eben Menschen. Die heftigen Bewegungen des Schiffes
machen jedes Gehen schwierig, ja gefährlich, beim Sitzen muß
man sich irgendwo mit den Beinen festklammern und wenn man
nicht besondere Vorsichtsmaßregeln trifft, kann man leicht
aus der Coje geschleudert werden. Die Mahlzeiten, sonst die
Lichtpunkte des Bordlebens, weil bei ihnen allein der beständige
Dienstzwang abgestreift wird, gestalten sich zu den ungemüth-
lichsten Sitzungen. Man ist bestrebt, sie so bald wie möglich
aufzuheben, weil man in steter Besorgniß schwebt, daß sich der
Inhalt der Schüsseln und Teller auf die Kleider ergießt, und
trotz aller Vorsicht und krampfhaften Festhaltens geht bei
einem unerwarteten und schweren Ueberholen des Schiffes die
ganze Geschichte über Stag, wonach dann Personen und
Speisen sich plötzlich in unliebsamer Mischung an der Bordwand
in Lee wiederfinden. Die See spült beständig über Deck, bald
hinten, bald vorn und weicht Jeden gründlich ein, wenn es
nicht schon der unaufhörliche Regen gethan haben sollte. Trocke-
nes Zeug zum Wechseln giebt es schon seit langem nicht mehr

R. Werner, Erinnerungen. 21

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
behaglichen Sicherheit und überläßt ſich ihm ganz in dem Be-
wußtſein, alle die Plackereien, Unbequemlichkeiten und Schrecken
des Seelebens hinter ſich gelaſſen zu haben und nun eine ge-
raume Zeit lang deſſen Lichtſeiten genießen zu können. Die
von dunkeln Nächten, Nebeln, Stürmen und was damit zu-
ſammenhängt aufgeregten Nerven fangen an, ſich zu beruhigen
und das übt einen Rückſchlag auf alle Verhältniſſe an Bord
aus, denn das Schiffsleben wird mehr durch Stimmungen be-
einflußt, als das am Lande, wo ſich die Uebelgelaunten aus
dem Wege gehen können. Seeleute wiſſen freilich von vornher-
ein, daß ihr Beruf ein harter iſt und wenig Freuden bietet,
aber wenn ſie Wochen lang und ununterbrochen nur die Kehr-
ſeiten deſſelben vor Augen haben, dann kann es nicht ausbleiben,
daß auch die Gleichmüthigſten aus ihrer Ruhe gebracht und
in einen gereizten Gemüthszuſtand verſetzt werden, — ſie
ſind eben Menſchen. Die heftigen Bewegungen des Schiffes
machen jedes Gehen ſchwierig, ja gefährlich, beim Sitzen muß
man ſich irgendwo mit den Beinen feſtklammern und wenn man
nicht beſondere Vorſichtsmaßregeln trifft, kann man leicht
aus der Coje geſchleudert werden. Die Mahlzeiten, ſonſt die
Lichtpunkte des Bordlebens, weil bei ihnen allein der beſtändige
Dienſtzwang abgeſtreift wird, geſtalten ſich zu den ungemüth-
lichſten Sitzungen. Man iſt beſtrebt, ſie ſo bald wie möglich
aufzuheben, weil man in ſteter Beſorgniß ſchwebt, daß ſich der
Inhalt der Schüſſeln und Teller auf die Kleider ergießt, und
trotz aller Vorſicht und krampfhaften Feſthaltens geht bei
einem unerwarteten und ſchweren Ueberholen des Schiffes die
ganze Geſchichte über Stag, wonach dann Perſonen und
Speiſen ſich plötzlich in unliebſamer Miſchung an der Bordwand
in Lee wiederfinden. Die See ſpült beſtändig über Deck, bald
hinten, bald vorn und weicht Jeden gründlich ein, wenn es
nicht ſchon der unaufhörliche Regen gethan haben ſollte. Trocke-
nes Zeug zum Wechſeln giebt es ſchon ſeit langem nicht mehr

R. Werner, Erinnerungen. 21
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[321/0333] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer behaglichen Sicherheit und überläßt ſich ihm ganz in dem Be- wußtſein, alle die Plackereien, Unbequemlichkeiten und Schrecken des Seelebens hinter ſich gelaſſen zu haben und nun eine ge- raume Zeit lang deſſen Lichtſeiten genießen zu können. Die von dunkeln Nächten, Nebeln, Stürmen und was damit zu- ſammenhängt aufgeregten Nerven fangen an, ſich zu beruhigen und das übt einen Rückſchlag auf alle Verhältniſſe an Bord aus, denn das Schiffsleben wird mehr durch Stimmungen be- einflußt, als das am Lande, wo ſich die Uebelgelaunten aus dem Wege gehen können. Seeleute wiſſen freilich von vornher- ein, daß ihr Beruf ein harter iſt und wenig Freuden bietet, aber wenn ſie Wochen lang und ununterbrochen nur die Kehr- ſeiten deſſelben vor Augen haben, dann kann es nicht ausbleiben, daß auch die Gleichmüthigſten aus ihrer Ruhe gebracht und in einen gereizten Gemüthszuſtand verſetzt werden, — ſie ſind eben Menſchen. Die heftigen Bewegungen des Schiffes machen jedes Gehen ſchwierig, ja gefährlich, beim Sitzen muß man ſich irgendwo mit den Beinen feſtklammern und wenn man nicht beſondere Vorſichtsmaßregeln trifft, kann man leicht aus der Coje geſchleudert werden. Die Mahlzeiten, ſonſt die Lichtpunkte des Bordlebens, weil bei ihnen allein der beſtändige Dienſtzwang abgeſtreift wird, geſtalten ſich zu den ungemüth- lichſten Sitzungen. Man iſt beſtrebt, ſie ſo bald wie möglich aufzuheben, weil man in ſteter Beſorgniß ſchwebt, daß ſich der Inhalt der Schüſſeln und Teller auf die Kleider ergießt, und trotz aller Vorſicht und krampfhaften Feſthaltens geht bei einem unerwarteten und ſchweren Ueberholen des Schiffes die ganze Geſchichte über Stag, wonach dann Perſonen und Speiſen ſich plötzlich in unliebſamer Miſchung an der Bordwand in Lee wiederfinden. Die See ſpült beſtändig über Deck, bald hinten, bald vorn und weicht Jeden gründlich ein, wenn es nicht ſchon der unaufhörliche Regen gethan haben ſollte. Trocke- nes Zeug zum Wechſeln giebt es ſchon ſeit langem nicht mehr R. Werner, Erinnerungen. 21

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/333>, abgerufen am 22.11.2024.