begnügen, denn an frischem Fleische war nur ein Esel zu haben, für den wir dankten.
Wir blieben nur vierundzwanzig Stunden, d. h. gerade so lange, wie wir nöthig hatten, um unsere Kohlen aufzufüllen und dann die Schiffe wieder zu reinigen. Es wurde auch Ur- laub gegeben, aber fast Niemand benutzte ihn. Wir hatten an dem äußeren Anblicke völlig genug gehabt und der Mann- schaft schien es ebenso zu gehen. Der Wirth des "Hotel de France" war selbst an Bord gekommen, um zu dem Fandango einzuladen, der Abends bei ihm von Negerinnen getanzt werden sollte, allein auch diese Lockung versagte und der Wirth machte bei uns jedenfalls schlechte Geschäfte. Ohne Bedauern schieden wir von dem öden Platze und waren froh, als wir statt der starren, kahlen Felsen wieder den tiefblauen, wogenden Ocean vor Augen hatten, den unsere Kiele mit günstigem Winde rauschend durchschnitten. Es ging nach Barbados, wo wir uns mit "Gazelle" und "Vineta" vereinigen sollten. Die Reise dauerte vierzehn Tage und verlief ohne weitere bemerkenswerthe Um- stände. Nur schien die Natur immer noch nicht ihr Gleichge- wicht wieder gefunden zu haben, denn der Passat wollte sich nicht einstellen und Tage lang regnete es bei vielfacher Windstille so anhaltend und stundenweise so furchtbar, daß man sich bei uns kaum einen Begriff davon machen kann. Kein Gummirock gewährte Schutz dagegen; nach einer halben Stunde war er ebenso wie der bewährte Südwester vollständig durchweicht und wir hätten ebenso gut im Bademantel umhermarschiren können.
Am dritten Tage endlich erschien der ersehnte Passatwind mit seinen den Seeleuten so willkommenen Attributen, die um so höher geschätzt werden, wenn die Schiffe, wie die unseren, aus nordischen Klimaten und zur Winterzeit kommen. Wie ange- nehm empfindet man das beständige Gleichgewicht in der Atmo- sphäre, die schöne Witterung, die ruhige See und die wol- thuende nicht übermäßige Wärme. Man hat das Gefühl einer
Werner
begnügen, denn an friſchem Fleiſche war nur ein Eſel zu haben, für den wir dankten.
Wir blieben nur vierundzwanzig Stunden, d. h. gerade ſo lange, wie wir nöthig hatten, um unſere Kohlen aufzufüllen und dann die Schiffe wieder zu reinigen. Es wurde auch Ur- laub gegeben, aber faſt Niemand benutzte ihn. Wir hatten an dem äußeren Anblicke völlig genug gehabt und der Mann- ſchaft ſchien es ebenſo zu gehen. Der Wirth des „Hôtel de France“ war ſelbſt an Bord gekommen, um zu dem Fandango einzuladen, der Abends bei ihm von Negerinnen getanzt werden ſollte, allein auch dieſe Lockung verſagte und der Wirth machte bei uns jedenfalls ſchlechte Geſchäfte. Ohne Bedauern ſchieden wir von dem öden Platze und waren froh, als wir ſtatt der ſtarren, kahlen Felſen wieder den tiefblauen, wogenden Ocean vor Augen hatten, den unſere Kiele mit günſtigem Winde rauſchend durchſchnitten. Es ging nach Barbados, wo wir uns mit „Gazelle“ und „Vineta“ vereinigen ſollten. Die Reiſe dauerte vierzehn Tage und verlief ohne weitere bemerkenswerthe Um- ſtände. Nur ſchien die Natur immer noch nicht ihr Gleichge- wicht wieder gefunden zu haben, denn der Paſſat wollte ſich nicht einſtellen und Tage lang regnete es bei vielfacher Windſtille ſo anhaltend und ſtundenweiſe ſo furchtbar, daß man ſich bei uns kaum einen Begriff davon machen kann. Kein Gummirock gewährte Schutz dagegen; nach einer halben Stunde war er ebenſo wie der bewährte Südweſter vollſtändig durchweicht und wir hätten ebenſo gut im Bademantel umhermarſchiren können.
Am dritten Tage endlich erſchien der erſehnte Paſſatwind mit ſeinen den Seeleuten ſo willkommenen Attributen, die um ſo höher geſchätzt werden, wenn die Schiffe, wie die unſeren, aus nordiſchen Klimaten und zur Winterzeit kommen. Wie ange- nehm empfindet man das beſtändige Gleichgewicht in der Atmo- ſphäre, die ſchöne Witterung, die ruhige See und die wol- thuende nicht übermäßige Wärme. Man hat das Gefühl einer
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Werner
begnügen, denn an friſchem Fleiſche war nur ein Eſel zu haben,
für den wir dankten.
Wir blieben nur vierundzwanzig Stunden, d. h. gerade ſo
lange, wie wir nöthig hatten, um unſere Kohlen aufzufüllen
und dann die Schiffe wieder zu reinigen. Es wurde auch Ur-
laub gegeben, aber faſt Niemand benutzte ihn. Wir hatten
an dem äußeren Anblicke völlig genug gehabt und der Mann-
ſchaft ſchien es ebenſo zu gehen. Der Wirth des „Hôtel de
France“ war ſelbſt an Bord gekommen, um zu dem Fandango
einzuladen, der Abends bei ihm von Negerinnen getanzt werden
ſollte, allein auch dieſe Lockung verſagte und der Wirth machte
bei uns jedenfalls ſchlechte Geſchäfte. Ohne Bedauern ſchieden
wir von dem öden Platze und waren froh, als wir ſtatt der
ſtarren, kahlen Felſen wieder den tiefblauen, wogenden Ocean vor
Augen hatten, den unſere Kiele mit günſtigem Winde rauſchend
durchſchnitten. Es ging nach Barbados, wo wir uns mit
„Gazelle“ und „Vineta“ vereinigen ſollten. Die Reiſe dauerte
vierzehn Tage und verlief ohne weitere bemerkenswerthe Um-
ſtände. Nur ſchien die Natur immer noch nicht ihr Gleichge-
wicht wieder gefunden zu haben, denn der Paſſat wollte ſich
nicht einſtellen und Tage lang regnete es bei vielfacher Windſtille
ſo anhaltend und ſtundenweiſe ſo furchtbar, daß man ſich bei
uns kaum einen Begriff davon machen kann. Kein Gummirock
gewährte Schutz dagegen; nach einer halben Stunde war er
ebenſo wie der bewährte Südweſter vollſtändig durchweicht und
wir hätten ebenſo gut im Bademantel umhermarſchiren können.
Am dritten Tage endlich erſchien der erſehnte Paſſatwind
mit ſeinen den Seeleuten ſo willkommenen Attributen, die um
ſo höher geſchätzt werden, wenn die Schiffe, wie die unſeren, aus
nordiſchen Klimaten und zur Winterzeit kommen. Wie ange-
nehm empfindet man das beſtändige Gleichgewicht in der Atmo-
ſphäre, die ſchöne Witterung, die ruhige See und die wol-
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/332>, abgerufen am 22.11.2024.
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