sein Schwesterschiff "Nautilus", hatten die ursprüngliche Be- stimmung, in den chinesischen Gewässern gegen Piraten Verwen- dung zu finden und diese in ihre Schlupfwinkel auf seichten Flüssen zu verfolgen. Das kleine Schiff sollte seine erste Hochseeprobe bestehen.
Die Ausrüstung des Geschwaders war bis Mitte October beendet und es lief alsdann von Wilhelmshafen aus. Unsere auf längere Expeditionen ausgehenden Schiffe trifft meistens das Geschick, im Spätherbst die heimischen Gestade zu verlassen und ihre Reise mit dem dann in unseren nordischen Gewässern durchschnittlich herrschenden schlechten Wetter zu beginnen. Für die Wahl dieses Zeitpunktes, der auf der Flotte scherzweise "Marinefrühling" getauft ist, werden verschiedene Gründe an- geführt, die zwar Manchem nicht einleuchten wollen, aber jeden- falls die Folge haben, die erste Zeit der Reise in verschiede- nen Richtungen höchst unbehaglich zu machen und nicht selten durch größere oder geringere Havarien Schaden und Aufenthalt zu verursachen. Wenn jedoch eine so schöne und interessante Reise winkt, wie damals unserem Geschwader, dann nimmt man dergleichen Unannehmlichkeiten gern mit in den Kauf. Die Schiffe wurden nicht davon verschont; ja gleich am ersten Tage spielte Aeolus so heftig auf, daß sie nicht einmal aus der Jade kamen und in deren Mündung ankern mußten.
Diese Gegend ist nun gerade nicht danach angethan, den Abschied von der Heimath zu erschweren. Eine öde Fläche schmutzig gelben Wassers zeigt sich, soweit das Auge reicht, nur hier und dort unterbrochen durch die gerade Linie eines kahlen, baumlosen Deiches. Einige kreischende Möven, ein Seehund oder eine Taucherente, die einen Augenblick neugierig die unge- wohnte Erscheinung von Schiffen betrachten, um danach wieder in dem trüben Elemente zu verschwinden -- das war die lebende Staffage, und über dem Ganzen wölbte sich ein ebenso trüber Herbsthimmel.
Werner
ſein Schweſterſchiff „Nautilus“, hatten die urſprüngliche Be- ſtimmung, in den chineſiſchen Gewäſſern gegen Piraten Verwen- dung zu finden und dieſe in ihre Schlupfwinkel auf ſeichten Flüſſen zu verfolgen. Das kleine Schiff ſollte ſeine erſte Hochſeeprobe beſtehen.
Die Ausrüſtung des Geſchwaders war bis Mitte October beendet und es lief alsdann von Wilhelmshafen aus. Unſere auf längere Expeditionen ausgehenden Schiffe trifft meiſtens das Geſchick, im Spätherbſt die heimiſchen Geſtade zu verlaſſen und ihre Reiſe mit dem dann in unſeren nordiſchen Gewäſſern durchſchnittlich herrſchenden ſchlechten Wetter zu beginnen. Für die Wahl dieſes Zeitpunktes, der auf der Flotte ſcherzweiſe „Marinefrühling“ getauft iſt, werden verſchiedene Gründe an- geführt, die zwar Manchem nicht einleuchten wollen, aber jeden- falls die Folge haben, die erſte Zeit der Reiſe in verſchiede- nen Richtungen höchſt unbehaglich zu machen und nicht ſelten durch größere oder geringere Havarien Schaden und Aufenthalt zu verurſachen. Wenn jedoch eine ſo ſchöne und intereſſante Reiſe winkt, wie damals unſerem Geſchwader, dann nimmt man dergleichen Unannehmlichkeiten gern mit in den Kauf. Die Schiffe wurden nicht davon verſchont; ja gleich am erſten Tage ſpielte Aeolus ſo heftig auf, daß ſie nicht einmal aus der Jade kamen und in deren Mündung ankern mußten.
Dieſe Gegend iſt nun gerade nicht danach angethan, den Abſchied von der Heimath zu erſchweren. Eine öde Fläche ſchmutzig gelben Waſſers zeigt ſich, ſoweit das Auge reicht, nur hier und dort unterbrochen durch die gerade Linie eines kahlen, baumloſen Deiches. Einige kreiſchende Möven, ein Seehund oder eine Taucherente, die einen Augenblick neugierig die unge- wohnte Erſcheinung von Schiffen betrachten, um danach wieder in dem trüben Elemente zu verſchwinden — das war die lebende Staffage, und über dem Ganzen wölbte ſich ein ebenſo trüber Herbſthimmel.
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Werner
ſein Schweſterſchiff „Nautilus“, hatten die urſprüngliche Be-
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dung zu finden und dieſe in ihre Schlupfwinkel auf ſeichten
Flüſſen zu verfolgen. Das kleine Schiff ſollte ſeine erſte
Hochſeeprobe beſtehen.
Die Ausrüſtung des Geſchwaders war bis Mitte October
beendet und es lief alsdann von Wilhelmshafen aus. Unſere
auf längere Expeditionen ausgehenden Schiffe trifft meiſtens
das Geſchick, im Spätherbſt die heimiſchen Geſtade zu verlaſſen
und ihre Reiſe mit dem dann in unſeren nordiſchen Gewäſſern
durchſchnittlich herrſchenden ſchlechten Wetter zu beginnen.
Für die Wahl dieſes Zeitpunktes, der auf der Flotte ſcherzweiſe
„Marinefrühling“ getauft iſt, werden verſchiedene Gründe an-
geführt, die zwar Manchem nicht einleuchten wollen, aber jeden-
falls die Folge haben, die erſte Zeit der Reiſe in verſchiede-
nen Richtungen höchſt unbehaglich zu machen und nicht ſelten
durch größere oder geringere Havarien Schaden und Aufenthalt
zu verurſachen. Wenn jedoch eine ſo ſchöne und intereſſante
Reiſe winkt, wie damals unſerem Geſchwader, dann nimmt man
dergleichen Unannehmlichkeiten gern mit in den Kauf. Die
Schiffe wurden nicht davon verſchont; ja gleich am erſten Tage
ſpielte Aeolus ſo heftig auf, daß ſie nicht einmal aus der Jade
kamen und in deren Mündung ankern mußten.
Dieſe Gegend iſt nun gerade nicht danach angethan, den
Abſchied von der Heimath zu erſchweren. Eine öde Fläche
ſchmutzig gelben Waſſers zeigt ſich, ſoweit das Auge reicht, nur
hier und dort unterbrochen durch die gerade Linie eines kahlen,
baumloſen Deiches. Einige kreiſchende Möven, ein Seehund
oder eine Taucherente, die einen Augenblick neugierig die unge-
wohnte Erſcheinung von Schiffen betrachten, um danach wieder
in dem trüben Elemente zu verſchwinden — das war die
lebende Staffage, und über dem Ganzen wölbte ſich ein ebenſo
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/320>, abgerufen am 22.11.2024.
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