Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Ernstes und Heiteres der Bucht von Biscaya segelten wir einmal mit sehr strammerBriese, so daß kaum die Gaffeltopsegel stehen konnten. Ich war Steuermann, hatte die Wache und sah, hinten an der Reiling stehend, über Bord in die vorbeirauschenden Wellen. Da bemerkte ich auf einmal eine Menge halber Fische vorbei treiben, bald die Kopf-, bald die Schwanzstücke. Denken Sie sich, wir waren zwischen eine Heerde Delphine gekommen und unser scharfer Vorsteven schnitt die Thiere hundertweise durch, da die "Luise" so schnell segelte, daß die Fische gar nicht aus- weichen konnten. So war das Fahrzeug auf der ganzen Reise noch nicht Ich logge also. Die Leine auf der Rolle war bis fünf- * Die Fahrt des Schiffes messen. Dies geschieht mit einer dünnen,
auf eine Welle gerollten Leine. An ihrem Endpunkte ist ein im Wasser aufrechtstehendes und Widerstand leistendes Holzbrettchen befestigt. Die sich abrollende Leine ist in Abtheilungen (Knoten) getheilt, die eine un- gefähre Länge von 7,8 Meter (221/2 Fuß) haben. So viel Knoten nun während eines Zeitraumes von 14 Secunden (das Maaß dafür ist eine Sanduhr) auslaufen, so viel Seemeilen oder Knoten macht das Schiff in einer, oder so viel geographische Meilen in vier Stunden. Eine Seemeile ist gleich 1854 Meter und unter Berechnung einiger practischer Fehler- quellen verhält sich 1854 Meter : 1 Stunde (3600 Secunden) = 7,8 Meter : 14 Secunden. Ernſtes und Heiteres der Bucht von Biscaya ſegelten wir einmal mit ſehr ſtrammerBrieſe, ſo daß kaum die Gaffeltopſegel ſtehen konnten. Ich war Steuermann, hatte die Wache und ſah, hinten an der Reiling ſtehend, über Bord in die vorbeirauſchenden Wellen. Da bemerkte ich auf einmal eine Menge halber Fiſche vorbei treiben, bald die Kopf-, bald die Schwanzſtücke. Denken Sie ſich, wir waren zwiſchen eine Heerde Delphine gekommen und unſer ſcharfer Vorſteven ſchnitt die Thiere hundertweiſe durch, da die „Luiſe“ ſo ſchnell ſegelte, daß die Fiſche gar nicht aus- weichen konnten. So war das Fahrzeug auf der ganzen Reiſe noch nicht Ich logge alſo. Die Leine auf der Rolle war bis fünf- * Die Fahrt des Schiffes meſſen. Dies geſchieht mit einer dünnen,
auf eine Welle gerollten Leine. An ihrem Endpunkte iſt ein im Waſſer aufrechtſtehendes und Widerſtand leiſtendes Holzbrettchen befeſtigt. Die ſich abrollende Leine iſt in Abtheilungen (Knoten) getheilt, die eine un- gefähre Länge von 7,8 Meter (22½ Fuß) haben. So viel Knoten nun während eines Zeitraumes von 14 Secunden (das Maaß dafür iſt eine Sanduhr) auslaufen, ſo viel Seemeilen oder Knoten macht das Schiff in einer, oder ſo viel geographiſche Meilen in vier Stunden. Eine Seemeile iſt gleich 1854 Meter und unter Berechnung einiger practiſcher Fehler- quellen verhält ſich 1854 Meter : 1 Stunde (3600 Secunden) = 7,8 Meter : 14 Secunden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0289" n="277"/><fw place="top" type="header">Ernſtes und Heiteres</fw><lb/> der Bucht von Biscaya ſegelten wir einmal mit ſehr ſtrammer<lb/> Brieſe, ſo daß kaum die Gaffeltopſegel ſtehen konnten. Ich<lb/> war Steuermann, hatte die Wache und ſah, hinten an der<lb/> Reiling ſtehend, über Bord in die vorbeirauſchenden Wellen.<lb/> Da bemerkte ich auf einmal eine Menge halber Fiſche vorbei<lb/> treiben, bald die Kopf-, bald die Schwanzſtücke. Denken Sie<lb/> ſich, wir waren zwiſchen eine Heerde Delphine gekommen und<lb/> unſer ſcharfer Vorſteven ſchnitt die Thiere hundertweiſe durch,<lb/> da die „Luiſe“ ſo ſchnell ſegelte, daß die Fiſche gar nicht aus-<lb/> weichen konnten.</p><lb/> <p>So war das Fahrzeug auf der ganzen Reiſe noch nicht<lb/> gelaufen und ich dachte deshalb, du willſt doch einmal loggen <note place="foot" n="*">Die Fahrt des Schiffes meſſen. Dies geſchieht mit einer dünnen,<lb/> auf eine Welle gerollten Leine. An ihrem Endpunkte iſt ein im Waſſer<lb/> aufrechtſtehendes und Widerſtand leiſtendes Holzbrettchen befeſtigt. Die<lb/> ſich abrollende Leine iſt in Abtheilungen (Knoten) getheilt, die eine un-<lb/> gefähre Länge von 7,8 Meter (22½ Fuß) haben. So viel Knoten nun<lb/> während eines Zeitraumes von 14 Secunden (das Maaß dafür iſt eine<lb/> Sanduhr) auslaufen, ſo viel Seemeilen oder Knoten macht das Schiff in<lb/> einer, oder ſo viel geographiſche Meilen in vier Stunden. Eine Seemeile<lb/> iſt gleich 1854 Meter und unter Berechnung einiger practiſcher Fehler-<lb/> quellen verhält ſich 1854 Meter : 1 Stunde (3600 Secunden) = 7,8<lb/> Meter : 14 Secunden.</note>,<lb/> wir machen gewiß 15 bis 16 Knoten.</p><lb/> <p>Ich logge alſo. Die Leine auf der Rolle war bis fünf-<lb/> zehn Knoten gemarkt, aber ehe nur das Logglas zur Hälfte<lb/> durchgelaufen, war die Leine ſchon ganz abgerollt und von der<lb/> Reibung quoll eine dicke Rauchwolke aus der Welle hervor. Der<lb/> ſie haltende Junge war darüber ganz perplex geworden; anſtatt<lb/> ſie los zu laſſen, hielt er ſie krampfhaft feſt und die Folge da-<lb/> von war, daß er mit ihr beinahe über Bord ging. Mit ge-<lb/> nauer Noth erfaßte ich noch gerade ſein Bein, um ihn zu retten,<lb/> aber ſeine beiden Hände waren durch die brennende Welle ganz<lb/> mit Brandblaſen bedeckt. Die „Luiſe“ mußte alſo mindeſtens<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [277/0289]
Ernſtes und Heiteres
der Bucht von Biscaya ſegelten wir einmal mit ſehr ſtrammer
Brieſe, ſo daß kaum die Gaffeltopſegel ſtehen konnten. Ich
war Steuermann, hatte die Wache und ſah, hinten an der
Reiling ſtehend, über Bord in die vorbeirauſchenden Wellen.
Da bemerkte ich auf einmal eine Menge halber Fiſche vorbei
treiben, bald die Kopf-, bald die Schwanzſtücke. Denken Sie
ſich, wir waren zwiſchen eine Heerde Delphine gekommen und
unſer ſcharfer Vorſteven ſchnitt die Thiere hundertweiſe durch,
da die „Luiſe“ ſo ſchnell ſegelte, daß die Fiſche gar nicht aus-
weichen konnten.
So war das Fahrzeug auf der ganzen Reiſe noch nicht
gelaufen und ich dachte deshalb, du willſt doch einmal loggen *,
wir machen gewiß 15 bis 16 Knoten.
Ich logge alſo. Die Leine auf der Rolle war bis fünf-
zehn Knoten gemarkt, aber ehe nur das Logglas zur Hälfte
durchgelaufen, war die Leine ſchon ganz abgerollt und von der
Reibung quoll eine dicke Rauchwolke aus der Welle hervor. Der
ſie haltende Junge war darüber ganz perplex geworden; anſtatt
ſie los zu laſſen, hielt er ſie krampfhaft feſt und die Folge da-
von war, daß er mit ihr beinahe über Bord ging. Mit ge-
nauer Noth erfaßte ich noch gerade ſein Bein, um ihn zu retten,
aber ſeine beiden Hände waren durch die brennende Welle ganz
mit Brandblaſen bedeckt. Die „Luiſe“ mußte alſo mindeſtens
* Die Fahrt des Schiffes meſſen. Dies geſchieht mit einer dünnen,
auf eine Welle gerollten Leine. An ihrem Endpunkte iſt ein im Waſſer
aufrechtſtehendes und Widerſtand leiſtendes Holzbrettchen befeſtigt. Die
ſich abrollende Leine iſt in Abtheilungen (Knoten) getheilt, die eine un-
gefähre Länge von 7,8 Meter (22½ Fuß) haben. So viel Knoten nun
während eines Zeitraumes von 14 Secunden (das Maaß dafür iſt eine
Sanduhr) auslaufen, ſo viel Seemeilen oder Knoten macht das Schiff in
einer, oder ſo viel geographiſche Meilen in vier Stunden. Eine Seemeile
iſt gleich 1854 Meter und unter Berechnung einiger practiſcher Fehler-
quellen verhält ſich 1854 Meter : 1 Stunde (3600 Secunden) = 7,8
Meter : 14 Secunden.
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