Worten, die den steten Anfang seiner "Geschichten" bildete, "nehmen Sie mir's nicht übel; erstens ist das schon lange her und dann haben Sie auch herzlich wenig vom gestrigen Früh- stück gesehen und können eigentlich nicht gut darüber urtheilen."
"Wie so?" fragte Frank in komischem Zorn.
"Nun," erwiderte Mathy lachend, "nach dem Braten wurden Sie sentimental, beim Dessert fingen Sie an zu singen, und als wir vom Tisch aufstanden, versuchten Sie, den Adjutanten des alten Hauptmanns von Kapernaum in Brand zu stecken."
"Was sagen Sie?" äußerte Frank auf das Höchste er- staunt, "davon ist mir ja nicht das Geringste bekannt. Als ich in Hamburg . . . ."
"How funny!" warf Mr. Roberts dazwischen. Er hatte die Uebrigen lachen sehen und daraus geschlossen, daß es sich um etwas Komisches handelte. Die Bemerkung verstärkte natür- lich noch die Heiterkeit und Frank stockte einen Augenblick.
"Eben darum," fiel Mathy ein. "Sie erinnern sich der Sache nicht mehr; daran trug der Champagner Schuld und deswegen sagte ich, Sie hätten wenig vom Verlaufe gesehen."
Frank schien die Ueberzeugung zu gewinnen, daß er heute seine Geschichte nicht an den Mann bringen würde, verschwand in seine Kammer und der getreue Mr. Roberts mit ihm.
"Was war das mit dem Inbrandstecken des Lieutenant Decker?" fragte der Zahlmeister.
"Nun," erzählte Mathy weiter, "der Champagner war ausgezeichnet und that seine Schuldigkeit; beim Dessert wurde die Sache schon etwas bunt; die leidigen Toaste wollten kein Ende nehmen, den Meisten ging das Mundwerk mit Voll- dampf und selbst der sonst so schweigsame alte Kapitän Trasser von der "Deutschland" kletterte auf den Tisch und hielt eine lange Rede in flämischer Sprache, von der Niemand etwas verstand.
Der Marinestabsarzt und der Secretär des Admirals ge- riethen in heftigen Disput wegen ihrer Journalnummern und
Ernſtes und Heiteres
Worten, die den ſteten Anfang ſeiner „Geſchichten“ bildete, „nehmen Sie mir’s nicht übel; erſtens iſt das ſchon lange her und dann haben Sie auch herzlich wenig vom geſtrigen Früh- ſtück geſehen und können eigentlich nicht gut darüber urtheilen.“
„Wie ſo?“ fragte Frank in komiſchem Zorn.
„Nun,“ erwiderte Mathy lachend, „nach dem Braten wurden Sie ſentimental, beim Deſſert fingen Sie an zu ſingen, und als wir vom Tiſch aufſtanden, verſuchten Sie, den Adjutanten des alten Hauptmanns von Kapernaum in Brand zu ſtecken.“
„Was ſagen Sie?“ äußerte Frank auf das Höchſte er- ſtaunt, „davon iſt mir ja nicht das Geringſte bekannt. Als ich in Hamburg . . . .“
„How funny!“ warf Mr. Roberts dazwiſchen. Er hatte die Uebrigen lachen ſehen und daraus geſchloſſen, daß es ſich um etwas Komiſches handelte. Die Bemerkung verſtärkte natür- lich noch die Heiterkeit und Frank ſtockte einen Augenblick.
„Eben darum,“ fiel Mathy ein. „Sie erinnern ſich der Sache nicht mehr; daran trug der Champagner Schuld und deswegen ſagte ich, Sie hätten wenig vom Verlaufe geſehen.“
Frank ſchien die Ueberzeugung zu gewinnen, daß er heute ſeine Geſchichte nicht an den Mann bringen würde, verſchwand in ſeine Kammer und der getreue Mr. Roberts mit ihm.
„Was war das mit dem Inbrandſtecken des Lieutenant Decker?“ fragte der Zahlmeiſter.
„Nun,“ erzählte Mathy weiter, „der Champagner war ausgezeichnet und that ſeine Schuldigkeit; beim Deſſert wurde die Sache ſchon etwas bunt; die leidigen Toaſte wollten kein Ende nehmen, den Meiſten ging das Mundwerk mit Voll- dampf und ſelbſt der ſonſt ſo ſchweigſame alte Kapitän Traſſer von der „Deutſchland“ kletterte auf den Tiſch und hielt eine lange Rede in flämiſcher Sprache, von der Niemand etwas verſtand.
Der Marineſtabsarzt und der Secretär des Admirals ge- riethen in heftigen Disput wegen ihrer Journalnummern und
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Ernſtes und Heiteres
Worten, die den ſteten Anfang ſeiner „Geſchichten“ bildete,
„nehmen Sie mir’s nicht übel; erſtens iſt das ſchon lange her
und dann haben Sie auch herzlich wenig vom geſtrigen Früh-
ſtück geſehen und können eigentlich nicht gut darüber urtheilen.“
„Wie ſo?“ fragte Frank in komiſchem Zorn.
„Nun,“ erwiderte Mathy lachend, „nach dem Braten
wurden Sie ſentimental, beim Deſſert fingen Sie an zu ſingen,
und als wir vom Tiſch aufſtanden, verſuchten Sie, den Adjutanten
des alten Hauptmanns von Kapernaum in Brand zu ſtecken.“
„Was ſagen Sie?“ äußerte Frank auf das Höchſte er-
ſtaunt, „davon iſt mir ja nicht das Geringſte bekannt. Als ich
in Hamburg . . . .“
„How funny!“ warf Mr. Roberts dazwiſchen. Er hatte
die Uebrigen lachen ſehen und daraus geſchloſſen, daß es ſich
um etwas Komiſches handelte. Die Bemerkung verſtärkte natür-
lich noch die Heiterkeit und Frank ſtockte einen Augenblick.
„Eben darum,“ fiel Mathy ein. „Sie erinnern ſich der
Sache nicht mehr; daran trug der Champagner Schuld und
deswegen ſagte ich, Sie hätten wenig vom Verlaufe geſehen.“
Frank ſchien die Ueberzeugung zu gewinnen, daß er heute
ſeine Geſchichte nicht an den Mann bringen würde, verſchwand
in ſeine Kammer und der getreue Mr. Roberts mit ihm.
„Was war das mit dem Inbrandſtecken des Lieutenant
Decker?“ fragte der Zahlmeiſter.
„Nun,“ erzählte Mathy weiter, „der Champagner war
ausgezeichnet und that ſeine Schuldigkeit; beim Deſſert wurde
die Sache ſchon etwas bunt; die leidigen Toaſte wollten kein
Ende nehmen, den Meiſten ging das Mundwerk mit Voll-
dampf und ſelbſt der ſonſt ſo ſchweigſame alte Kapitän Traſſer
von der „Deutſchland“ kletterte auf den Tiſch und hielt eine lange
Rede in flämiſcher Sprache, von der Niemand etwas verſtand.
Der Marineſtabsarzt und der Secretär des Admirals ge-
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/279>, abgerufen am 16.02.2025.
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