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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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sich die innere Organisation der Flotte in überraschend schneller
Zeit entwickelte.

Was die Handhabung des Dienstes, die Exercitien, Ord-
nung und Reinlichkeit betraf, konnten die Schiffe schon nach
Jahresfrist ohne irgend welche Ueberhebung musterhaft genannt
werden, und ihr Zustand lieferte jedenfalls den Beweis, daß die
Bedingungen für eine deutsche Flotte vorhanden waren und daß
diese nur der Pflege und Weiterbildung bedurfte. Im Sommer
1850 kam die amerikanische Fregatte "St. Lawrence" nach
Bremerhafen und blieb dort einige Wochen. Wir verkehrten
viel mit den Officieren, statteten uns gegenseitig oft Besuche an
Bord ab und bemerkten mit großer Genugthuung, daß wir mit
unseren Schiffen sowol wie mit der Ausbildung der Mann-
schaften hinter den Amerikanern nicht zurückstanden. Freilich
hatten wir zu jener Zeit noch den größten Theil unseres vor-
züglichen Personals an Mannschaften, die unsere Bemühungen
sehr erleichterten.

Unser deutsches Officiercorps war, in Bezug auf seine
innere Beschaffenheit, auf Erziehung und Bildung, aus sehr
verschiedenen Elementen zusammengesetzt. Bei der Gründung
der Flotte, wo es sich um möglichst schnelle Heranziehung von
Officieren handelte und es dafür nur eine Quelle die Kauf-
farteimarine gab, konnte es für die Auswahl zunächst weniger
auf Wissenschaftlichkeit und vollendete äußere Formen, als auf
practische Tüchtigkeit für die neu zu schaffenden Posten an-
kommen, und beides fand man in den Kapitänen und Steuer-
leuten der Handelsschiffe nicht oft vereint. Es blieb deshalb
nicht aus, daß in dieser Richtung mancherlei Mißgriffe ge-
macht und Persönlichkeiten dem neuen Officiercorps einver-
leibt wurden, die grade nicht als Vorbilder für dasselbe
gelten konnten, wenn sie sonst auch ganz biedere gute Menschen
waren. Uebrigens war vom Marineminister Duckwitz gleich von
vornherein dafür gesorgt, daß diejenigen, deren Herkunft und

Werner
ſich die innere Organiſation der Flotte in überraſchend ſchneller
Zeit entwickelte.

Was die Handhabung des Dienſtes, die Exercitien, Ord-
nung und Reinlichkeit betraf, konnten die Schiffe ſchon nach
Jahresfriſt ohne irgend welche Ueberhebung muſterhaft genannt
werden, und ihr Zuſtand lieferte jedenfalls den Beweis, daß die
Bedingungen für eine deutſche Flotte vorhanden waren und daß
dieſe nur der Pflege und Weiterbildung bedurfte. Im Sommer
1850 kam die amerikaniſche Fregatte „St. Lawrence“ nach
Bremerhafen und blieb dort einige Wochen. Wir verkehrten
viel mit den Officieren, ſtatteten uns gegenſeitig oft Beſuche an
Bord ab und bemerkten mit großer Genugthuung, daß wir mit
unſeren Schiffen ſowol wie mit der Ausbildung der Mann-
ſchaften hinter den Amerikanern nicht zurückſtanden. Freilich
hatten wir zu jener Zeit noch den größten Theil unſeres vor-
züglichen Perſonals an Mannſchaften, die unſere Bemühungen
ſehr erleichterten.

Unſer deutſches Officiercorps war, in Bezug auf ſeine
innere Beſchaffenheit, auf Erziehung und Bildung, aus ſehr
verſchiedenen Elementen zuſammengeſetzt. Bei der Gründung
der Flotte, wo es ſich um möglichſt ſchnelle Heranziehung von
Officieren handelte und es dafür nur eine Quelle die Kauf-
farteimarine gab, konnte es für die Auswahl zunächſt weniger
auf Wiſſenſchaftlichkeit und vollendete äußere Formen, als auf
practiſche Tüchtigkeit für die neu zu ſchaffenden Poſten an-
kommen, und beides fand man in den Kapitänen und Steuer-
leuten der Handelsſchiffe nicht oft vereint. Es blieb deshalb
nicht aus, daß in dieſer Richtung mancherlei Mißgriffe ge-
macht und Perſönlichkeiten dem neuen Officiercorps einver-
leibt wurden, die grade nicht als Vorbilder für daſſelbe
gelten konnten, wenn ſie ſonſt auch ganz biedere gute Menſchen
waren. Uebrigens war vom Marineminiſter Duckwitz gleich von
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[240/0252] Werner ſich die innere Organiſation der Flotte in überraſchend ſchneller Zeit entwickelte. Was die Handhabung des Dienſtes, die Exercitien, Ord- nung und Reinlichkeit betraf, konnten die Schiffe ſchon nach Jahresfriſt ohne irgend welche Ueberhebung muſterhaft genannt werden, und ihr Zuſtand lieferte jedenfalls den Beweis, daß die Bedingungen für eine deutſche Flotte vorhanden waren und daß dieſe nur der Pflege und Weiterbildung bedurfte. Im Sommer 1850 kam die amerikaniſche Fregatte „St. Lawrence“ nach Bremerhafen und blieb dort einige Wochen. Wir verkehrten viel mit den Officieren, ſtatteten uns gegenſeitig oft Beſuche an Bord ab und bemerkten mit großer Genugthuung, daß wir mit unſeren Schiffen ſowol wie mit der Ausbildung der Mann- ſchaften hinter den Amerikanern nicht zurückſtanden. Freilich hatten wir zu jener Zeit noch den größten Theil unſeres vor- züglichen Perſonals an Mannſchaften, die unſere Bemühungen ſehr erleichterten. Unſer deutſches Officiercorps war, in Bezug auf ſeine innere Beſchaffenheit, auf Erziehung und Bildung, aus ſehr verſchiedenen Elementen zuſammengeſetzt. Bei der Gründung der Flotte, wo es ſich um möglichſt ſchnelle Heranziehung von Officieren handelte und es dafür nur eine Quelle die Kauf- farteimarine gab, konnte es für die Auswahl zunächſt weniger auf Wiſſenſchaftlichkeit und vollendete äußere Formen, als auf practiſche Tüchtigkeit für die neu zu ſchaffenden Poſten an- kommen, und beides fand man in den Kapitänen und Steuer- leuten der Handelsſchiffe nicht oft vereint. Es blieb deshalb nicht aus, daß in dieſer Richtung mancherlei Mißgriffe ge- macht und Perſönlichkeiten dem neuen Officiercorps einver- leibt wurden, die grade nicht als Vorbilder für daſſelbe gelten konnten, wenn ſie ſonſt auch ganz biedere gute Menſchen waren. Uebrigens war vom Marineminiſter Duckwitz gleich von vornherein dafür geſorgt, daß diejenigen, deren Herkunft und

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/252>, abgerufen am 24.11.2024.