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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Ernstes und Heiteres
wo kein Ehrgefühl ist, es auch nicht verletzt werden kann. Doch
es mag auch ohne Prügelstrafen gehen, wenn man dafür an
Bord ein Aequivalent schafft, das ähnlich empfindlich wirkt und
möglichst kurze Zeit in Anspruch nimmt. So lange aber ein
solcher Ersatz nicht gefunden ist, kann den Vorschriften des Ge-
setzes nicht genügt werden und der Bestrafte hat es auf Kosten
seiner Kameraden und des Dienstes verhältnißmäßig gut. Dem
Officiercorps der jungen deutschen Flotte fehlte es unter den
obwaltenden Umständen natürlich an jener Homogenität, welche
für eine solche Körperschaft zwar sehr wünschenswerth und noth-
wendig ist, aber naturgemäß nur das Ergebniß einer verhältniß-
mäßig langen Dienstzeit bei gleichmäßiger Erziehung und gemein-
samen Traditionen sein kann. Daraus entstanden denn mancher-
lei Unzuträglichkeiten, die jedoch glücklicher Weise weniger un-
günstigen Einfluß auf das Ganze übten, als man hätte annehmen
sollen. In dem Corps waren vier verschiedene Nationalitäten
vertreten: Deutsche, Engländer, Amerikaner und Belgier; wenig-
stens stand ein Deutscher an der Spitze.

Mit den belgischen Officieren, im Ganzen sechs, hatten
wir unbedingt eine gute Acquisition gemacht; es waren Männer
von sehr guter Erziehung, feinen Manieren und wissenschaft-
licher Bildung. Den Kriegsschiffsdienst verstanden sie aus
dem Grunde, da sie sämmtlich Jahre lang auf der französischen
Flotte zur Dienstleistung commandirt gewesen waren, und wir
jungen deutschen Officiere erhielten in ihnen treffliche Lehrmeister
für das, was uns fehlte, d. h. für die Kenntniß des inneren
Dienstes und alles dessen, was damit zusammenhing. Bei den
wenigen Gelegenheiten, wo wir mit den Schiffen in Bewegung
waren, sahen wir freilich, daß practische Seemannschaft ihre
schwache Seite war, allein dann traten wir Deutschen ergänzend
ein. Die Belgier erkannten auch unsere Ueberlegenheit darin an,
hielten sich vorsichtig zurück, und bei solchen Anschauungen und
gutem Willen von beiden Seiten konnte es nicht fehlen, daß

Ernſtes und Heiteres
wo kein Ehrgefühl iſt, es auch nicht verletzt werden kann. Doch
es mag auch ohne Prügelſtrafen gehen, wenn man dafür an
Bord ein Aequivalent ſchafft, das ähnlich empfindlich wirkt und
möglichſt kurze Zeit in Anſpruch nimmt. So lange aber ein
ſolcher Erſatz nicht gefunden iſt, kann den Vorſchriften des Ge-
ſetzes nicht genügt werden und der Beſtrafte hat es auf Koſten
ſeiner Kameraden und des Dienſtes verhältnißmäßig gut. Dem
Officiercorps der jungen deutſchen Flotte fehlte es unter den
obwaltenden Umſtänden natürlich an jener Homogenität, welche
für eine ſolche Körperſchaft zwar ſehr wünſchenswerth und noth-
wendig iſt, aber naturgemäß nur das Ergebniß einer verhältniß-
mäßig langen Dienſtzeit bei gleichmäßiger Erziehung und gemein-
ſamen Traditionen ſein kann. Daraus entſtanden denn mancher-
lei Unzuträglichkeiten, die jedoch glücklicher Weiſe weniger un-
günſtigen Einfluß auf das Ganze übten, als man hätte annehmen
ſollen. In dem Corps waren vier verſchiedene Nationalitäten
vertreten: Deutſche, Engländer, Amerikaner und Belgier; wenig-
ſtens ſtand ein Deutſcher an der Spitze.

Mit den belgiſchen Officieren, im Ganzen ſechs, hatten
wir unbedingt eine gute Acquiſition gemacht; es waren Männer
von ſehr guter Erziehung, feinen Manieren und wiſſenſchaft-
licher Bildung. Den Kriegsſchiffsdienſt verſtanden ſie aus
dem Grunde, da ſie ſämmtlich Jahre lang auf der franzöſiſchen
Flotte zur Dienſtleiſtung commandirt geweſen waren, und wir
jungen deutſchen Officiere erhielten in ihnen treffliche Lehrmeiſter
für das, was uns fehlte, d. h. für die Kenntniß des inneren
Dienſtes und alles deſſen, was damit zuſammenhing. Bei den
wenigen Gelegenheiten, wo wir mit den Schiffen in Bewegung
waren, ſahen wir freilich, daß practiſche Seemannſchaft ihre
ſchwache Seite war, allein dann traten wir Deutſchen ergänzend
ein. Die Belgier erkannten auch unſere Ueberlegenheit darin an,
hielten ſich vorſichtig zurück, und bei ſolchen Anſchauungen und
gutem Willen von beiden Seiten konnte es nicht fehlen, daß

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[239/0251] Ernſtes und Heiteres wo kein Ehrgefühl iſt, es auch nicht verletzt werden kann. Doch es mag auch ohne Prügelſtrafen gehen, wenn man dafür an Bord ein Aequivalent ſchafft, das ähnlich empfindlich wirkt und möglichſt kurze Zeit in Anſpruch nimmt. So lange aber ein ſolcher Erſatz nicht gefunden iſt, kann den Vorſchriften des Ge- ſetzes nicht genügt werden und der Beſtrafte hat es auf Koſten ſeiner Kameraden und des Dienſtes verhältnißmäßig gut. Dem Officiercorps der jungen deutſchen Flotte fehlte es unter den obwaltenden Umſtänden natürlich an jener Homogenität, welche für eine ſolche Körperſchaft zwar ſehr wünſchenswerth und noth- wendig iſt, aber naturgemäß nur das Ergebniß einer verhältniß- mäßig langen Dienſtzeit bei gleichmäßiger Erziehung und gemein- ſamen Traditionen ſein kann. Daraus entſtanden denn mancher- lei Unzuträglichkeiten, die jedoch glücklicher Weiſe weniger un- günſtigen Einfluß auf das Ganze übten, als man hätte annehmen ſollen. In dem Corps waren vier verſchiedene Nationalitäten vertreten: Deutſche, Engländer, Amerikaner und Belgier; wenig- ſtens ſtand ein Deutſcher an der Spitze. Mit den belgiſchen Officieren, im Ganzen ſechs, hatten wir unbedingt eine gute Acquiſition gemacht; es waren Männer von ſehr guter Erziehung, feinen Manieren und wiſſenſchaft- licher Bildung. Den Kriegsſchiffsdienſt verſtanden ſie aus dem Grunde, da ſie ſämmtlich Jahre lang auf der franzöſiſchen Flotte zur Dienſtleiſtung commandirt geweſen waren, und wir jungen deutſchen Officiere erhielten in ihnen treffliche Lehrmeiſter für das, was uns fehlte, d. h. für die Kenntniß des inneren Dienſtes und alles deſſen, was damit zuſammenhing. Bei den wenigen Gelegenheiten, wo wir mit den Schiffen in Bewegung waren, ſahen wir freilich, daß practiſche Seemannſchaft ihre ſchwache Seite war, allein dann traten wir Deutſchen ergänzend ein. Die Belgier erkannten auch unſere Ueberlegenheit darin an, hielten ſich vorſichtig zurück, und bei ſolchen Anſchauungen und gutem Willen von beiden Seiten konnte es nicht fehlen, daß

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/251>, abgerufen am 24.11.2024.