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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Die deutsche Marine 1848--1852
schiffe, welche in damaliger Zeit Strandbatterien gegenüber für
unüberwindlich gehalten wurden, mußten sich einer Hand voll
kühner Artilleristen ergeben, und diese hatten nicht einmal nam-
hafte Verluste erlitten. Freilich war dabei in Betracht zu ziehen,
daß die Dänen von seltenem Unglück verfolgt wurden. Ein
verhängnißvoller Fehler war es gewesen, daß Paludan die
Schiffe bei einem grade in die Bucht wehendem Winde gleich
soweit hineinführte und dadurch ihre Bewegungsfähigkeit lähmte,
aber als ganz besonderes Mißgeschick muß es bezeichnet werden,
daß der "Geyser" zerschossen, das Boot der "Gefion" mit dem
Bugsirtau in den Grund gebohrt ward und schließlich der
Kartätschschuß der Nassauischen Batterie das Entkommen des
Linienschiffes unmöglich machte.

Inzwischen verrieth die aus letzterem in immer größerer
Dichtigkeit hervorquellende Rauchwolke, daß das an Bord aus-
gebrochene Feuer bedeutender sei, als man geglaubt. Schleunige
Hülfe war geboten und nach gethaner Blutarbeit galt es die
von ihr verschonten Feinde dem Leben zu erhalten. Alle vor-
handenen Boote wurden in Thätigkeit gesetzt, um zunächst die
am meisten gefährdete Besatzung des Linienschiffes an's Land zu
schaffen und der tapfere Unterofficier Preußer stand dabei mit
seinen Kanonieren in erster Reihe.

Erschütternd war der Anblick, als die von dem heißen Kampfe
des Tages bis zum Tode erschöpften dänischen Kriegsgefangenen
durch die glänzend illuminirten Straßen der Stadt geführt wur-
den, um in Kirche und Schule einquartiert zu werden. Von
allen Seiten eilten die Bürger herbei, um sie mit Speise und
Trank zu erquicken. Paludan hatte seine Drohung nicht wahr
gemacht und kein einziges Geschoß war absichtlich in die Stadt
gefallen; deshalb herrschte auch keinerlei Erbitterung gegen die
Besiegten, man schenkte vielmehr ihrem herben Geschick Be-
dauern und ehrte ihre Tapferkeit. Bevor jedoch noch alle Ge-
fangenen ausgeschifft waren, erdröhnte plötzlich ein furchtbarer

Die deutſche Marine 1848—1852
ſchiffe, welche in damaliger Zeit Strandbatterien gegenüber für
unüberwindlich gehalten wurden, mußten ſich einer Hand voll
kühner Artilleriſten ergeben, und dieſe hatten nicht einmal nam-
hafte Verluſte erlitten. Freilich war dabei in Betracht zu ziehen,
daß die Dänen von ſeltenem Unglück verfolgt wurden. Ein
verhängnißvoller Fehler war es geweſen, daß Paludan die
Schiffe bei einem grade in die Bucht wehendem Winde gleich
ſoweit hineinführte und dadurch ihre Bewegungsfähigkeit lähmte,
aber als ganz beſonderes Mißgeſchick muß es bezeichnet werden,
daß der „Geyſer“ zerſchoſſen, das Boot der „Gefion“ mit dem
Bugſirtau in den Grund gebohrt ward und ſchließlich der
Kartätſchſchuß der Naſſauiſchen Batterie das Entkommen des
Linienſchiffes unmöglich machte.

Inzwiſchen verrieth die aus letzterem in immer größerer
Dichtigkeit hervorquellende Rauchwolke, daß das an Bord aus-
gebrochene Feuer bedeutender ſei, als man geglaubt. Schleunige
Hülfe war geboten und nach gethaner Blutarbeit galt es die
von ihr verſchonten Feinde dem Leben zu erhalten. Alle vor-
handenen Boote wurden in Thätigkeit geſetzt, um zunächſt die
am meiſten gefährdete Beſatzung des Linienſchiffes an’s Land zu
ſchaffen und der tapfere Unterofficier Preußer ſtand dabei mit
ſeinen Kanonieren in erſter Reihe.

Erſchütternd war der Anblick, als die von dem heißen Kampfe
des Tages bis zum Tode erſchöpften däniſchen Kriegsgefangenen
durch die glänzend illuminirten Straßen der Stadt geführt wur-
den, um in Kirche und Schule einquartiert zu werden. Von
allen Seiten eilten die Bürger herbei, um ſie mit Speiſe und
Trank zu erquicken. Paludan hatte ſeine Drohung nicht wahr
gemacht und kein einziges Geſchoß war abſichtlich in die Stadt
gefallen; deshalb herrſchte auch keinerlei Erbitterung gegen die
Beſiegten, man ſchenkte vielmehr ihrem herben Geſchick Be-
dauern und ehrte ihre Tapferkeit. Bevor jedoch noch alle Ge-
fangenen ausgeſchifft waren, erdröhnte plötzlich ein furchtbarer

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[185/0197] Die deutſche Marine 1848—1852 ſchiffe, welche in damaliger Zeit Strandbatterien gegenüber für unüberwindlich gehalten wurden, mußten ſich einer Hand voll kühner Artilleriſten ergeben, und dieſe hatten nicht einmal nam- hafte Verluſte erlitten. Freilich war dabei in Betracht zu ziehen, daß die Dänen von ſeltenem Unglück verfolgt wurden. Ein verhängnißvoller Fehler war es geweſen, daß Paludan die Schiffe bei einem grade in die Bucht wehendem Winde gleich ſoweit hineinführte und dadurch ihre Bewegungsfähigkeit lähmte, aber als ganz beſonderes Mißgeſchick muß es bezeichnet werden, daß der „Geyſer“ zerſchoſſen, das Boot der „Gefion“ mit dem Bugſirtau in den Grund gebohrt ward und ſchließlich der Kartätſchſchuß der Naſſauiſchen Batterie das Entkommen des Linienſchiffes unmöglich machte. Inzwiſchen verrieth die aus letzterem in immer größerer Dichtigkeit hervorquellende Rauchwolke, daß das an Bord aus- gebrochene Feuer bedeutender ſei, als man geglaubt. Schleunige Hülfe war geboten und nach gethaner Blutarbeit galt es die von ihr verſchonten Feinde dem Leben zu erhalten. Alle vor- handenen Boote wurden in Thätigkeit geſetzt, um zunächſt die am meiſten gefährdete Beſatzung des Linienſchiffes an’s Land zu ſchaffen und der tapfere Unterofficier Preußer ſtand dabei mit ſeinen Kanonieren in erſter Reihe. Erſchütternd war der Anblick, als die von dem heißen Kampfe des Tages bis zum Tode erſchöpften däniſchen Kriegsgefangenen durch die glänzend illuminirten Straßen der Stadt geführt wur- den, um in Kirche und Schule einquartiert zu werden. Von allen Seiten eilten die Bürger herbei, um ſie mit Speiſe und Trank zu erquicken. Paludan hatte ſeine Drohung nicht wahr gemacht und kein einziges Geſchoß war abſichtlich in die Stadt gefallen; deshalb herrſchte auch keinerlei Erbitterung gegen die Beſiegten, man ſchenkte vielmehr ihrem herben Geſchick Be- dauern und ehrte ihre Tapferkeit. Bevor jedoch noch alle Ge- fangenen ausgeſchifft waren, erdröhnte plötzlich ein furchtbarer

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/197>, abgerufen am 03.05.2024.