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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner
Was half alle Tapferkeit und Todesverachtung der Schiffs-
besatzungen, die im Blute ihrer Kameraden thatsächlich wateten
und dennoch willig und ohne Zagen die gerissenen Lücken aus-
füllten, um mit zerschmetterten Gliedern in den nächsten Minuten
selbst einen zwar heldenhaften aber nutzlosen Tod zu finden.
Zusehends erfüllte sich das traurige Geschick, Rettung war nicht
möglich, an Hülfe von außen nicht zu denken; es wäre ein Ver-
brechen gewesen, das Gefecht länger fortzuführen und noch mehr
Menschen zu opfern, und so gab denn der unglückliche Kapitän
um fünfeinhalb Uhr Abends den Befehl, die Flagge zu streichen.

Der stolze Dannebrog senkte sich von der Gaffel, der Ge-
schützdonner verstummte, die Schlacht war für die Deutschen
gewonnen. Vieltausendstimmiger Jubel der am Lande ver-
sammelten Zuschauer erschallte; aus Schleswig, Rendsburg,
Kiel und der ganzen Umgegend waren sie gekommen, herbei-
gerufen durch die furchtbare Kanonade, die den ganzen Tag auf
viele Meilen weit den Donner der Geschütze durch das Land
getragen. Stundenlang hatten sie zwischen Furcht und Hoff-
nung geschwebt, gar oft hatte es geschienen, als ob die Schanzen
unterliegen sollten und nun waren sie glänzend als Sieger aus
dem wüthenden ungleichen Kampfe hervorgegangen und hatten
die deutschen Waffen mit unvergänglichem Ruhme bedeckt.

Und die Sieger selbst? Wie seltsam contrastirte mit dem
lauten Jubel die schweigende Ruhe der Kanoniere! Mit ver-
schränkten Armen und von Pulverrauch geschwärzten Gesichtern
standen sie da an ihren Geschützen und blickten mit stiller Be-
friedigung auf die Trophäen, die sie durch ihre Kaltblütigkeit
und Tapferkeit unter der Leitung ihrer heldenmüthigen Führer
heute dem Vaterlande errungen hatten, wenngleich die Mehrzahl
die ganze Größe und Bedeutung des erfochtenen Sieges gar
nicht zu verstehen schien.

Die bisherige Seekriegsgeschichte hatte solche Resultate, wie
der 5. April sie gebracht, noch nicht aufzuweisen. Zwei Schlacht-

Werner
Was half alle Tapferkeit und Todesverachtung der Schiffs-
beſatzungen, die im Blute ihrer Kameraden thatſächlich wateten
und dennoch willig und ohne Zagen die geriſſenen Lücken aus-
füllten, um mit zerſchmetterten Gliedern in den nächſten Minuten
ſelbſt einen zwar heldenhaften aber nutzloſen Tod zu finden.
Zuſehends erfüllte ſich das traurige Geſchick, Rettung war nicht
möglich, an Hülfe von außen nicht zu denken; es wäre ein Ver-
brechen geweſen, das Gefecht länger fortzuführen und noch mehr
Menſchen zu opfern, und ſo gab denn der unglückliche Kapitän
um fünfeinhalb Uhr Abends den Befehl, die Flagge zu ſtreichen.

Der ſtolze Dannebrog ſenkte ſich von der Gaffel, der Ge-
ſchützdonner verſtummte, die Schlacht war für die Deutſchen
gewonnen. Vieltauſendſtimmiger Jubel der am Lande ver-
ſammelten Zuſchauer erſchallte; aus Schleswig, Rendsburg,
Kiel und der ganzen Umgegend waren ſie gekommen, herbei-
gerufen durch die furchtbare Kanonade, die den ganzen Tag auf
viele Meilen weit den Donner der Geſchütze durch das Land
getragen. Stundenlang hatten ſie zwiſchen Furcht und Hoff-
nung geſchwebt, gar oft hatte es geſchienen, als ob die Schanzen
unterliegen ſollten und nun waren ſie glänzend als Sieger aus
dem wüthenden ungleichen Kampfe hervorgegangen und hatten
die deutſchen Waffen mit unvergänglichem Ruhme bedeckt.

Und die Sieger ſelbſt? Wie ſeltſam contraſtirte mit dem
lauten Jubel die ſchweigende Ruhe der Kanoniere! Mit ver-
ſchränkten Armen und von Pulverrauch geſchwärzten Geſichtern
ſtanden ſie da an ihren Geſchützen und blickten mit ſtiller Be-
friedigung auf die Trophäen, die ſie durch ihre Kaltblütigkeit
und Tapferkeit unter der Leitung ihrer heldenmüthigen Führer
heute dem Vaterlande errungen hatten, wenngleich die Mehrzahl
die ganze Größe und Bedeutung des erfochtenen Sieges gar
nicht zu verſtehen ſchien.

Die bisherige Seekriegsgeſchichte hatte ſolche Reſultate, wie
der 5. April ſie gebracht, noch nicht aufzuweiſen. Zwei Schlacht-

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[184/0196] Werner Was half alle Tapferkeit und Todesverachtung der Schiffs- beſatzungen, die im Blute ihrer Kameraden thatſächlich wateten und dennoch willig und ohne Zagen die geriſſenen Lücken aus- füllten, um mit zerſchmetterten Gliedern in den nächſten Minuten ſelbſt einen zwar heldenhaften aber nutzloſen Tod zu finden. Zuſehends erfüllte ſich das traurige Geſchick, Rettung war nicht möglich, an Hülfe von außen nicht zu denken; es wäre ein Ver- brechen geweſen, das Gefecht länger fortzuführen und noch mehr Menſchen zu opfern, und ſo gab denn der unglückliche Kapitän um fünfeinhalb Uhr Abends den Befehl, die Flagge zu ſtreichen. Der ſtolze Dannebrog ſenkte ſich von der Gaffel, der Ge- ſchützdonner verſtummte, die Schlacht war für die Deutſchen gewonnen. Vieltauſendſtimmiger Jubel der am Lande ver- ſammelten Zuſchauer erſchallte; aus Schleswig, Rendsburg, Kiel und der ganzen Umgegend waren ſie gekommen, herbei- gerufen durch die furchtbare Kanonade, die den ganzen Tag auf viele Meilen weit den Donner der Geſchütze durch das Land getragen. Stundenlang hatten ſie zwiſchen Furcht und Hoff- nung geſchwebt, gar oft hatte es geſchienen, als ob die Schanzen unterliegen ſollten und nun waren ſie glänzend als Sieger aus dem wüthenden ungleichen Kampfe hervorgegangen und hatten die deutſchen Waffen mit unvergänglichem Ruhme bedeckt. Und die Sieger ſelbſt? Wie ſeltſam contraſtirte mit dem lauten Jubel die ſchweigende Ruhe der Kanoniere! Mit ver- ſchränkten Armen und von Pulverrauch geſchwärzten Geſichtern ſtanden ſie da an ihren Geſchützen und blickten mit ſtiller Be- friedigung auf die Trophäen, die ſie durch ihre Kaltblütigkeit und Tapferkeit unter der Leitung ihrer heldenmüthigen Führer heute dem Vaterlande errungen hatten, wenngleich die Mehrzahl die ganze Größe und Bedeutung des erfochtenen Sieges gar nicht zu verſtehen ſchien. Die bisherige Seekriegsgeſchichte hatte ſolche Reſultate, wie der 5. April ſie gebracht, noch nicht aufzuweiſen. Zwei Schlacht-

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/196>, abgerufen am 24.11.2024.