500 Schritt und mehr davon entfernt. Die Schwertfische selbst sahen wir fast gar nicht mehr; sie schwammen bedeutend tiefer als der Wal, weil die Angriffe stets auf dessen verwundbarsten Theil unterhalb der Bauchflossen gerichtet waren, und die rasenden Sprünge und Stöße des letzteren machten die Wasserfläche so trübe und undurchsichtig, daß wir zu unserm großen Bedauern ihren Bewegungen nicht folgen konnten. Nur einmal machte auch einer von ihnen einen Satz aus dem Wasser, offenbar um einem sofort darauf erfolgenden Schwanzschlage zu entgehen.
So wogte der furchtbare Kampf hin und her. Wir folgten, so weit wir konnten, seinen Einzelheiten in athemloser Spannung wohl zehn Minuten lang, dann trat die Katastrophe ein. Jener mächtige Posaunenton von vorhin ertönte wieder, aus dem Blasloch stieg die Dunstsäule hoch in die Lüfte, aber diesmal spiegelten sich die Sonnenstrahlen nicht in Regenbogenfarben in ihr wieder, denn der Dunst zeigte sich mit Blut gemischt und roth gefärbt. Der tapfere Wal war tödtlich von seinen Feinden getroffen. Wie rasend jagte er im Kreise umher, bisweilen bis zu seiner halben Höhe aus dem Wasser hervorragend und es mit gewaltigen Schlägen peitschend. Dann erhob sich der Leviathan wieder mit einem furchtbaren Satze aus dem Wasser, aber neben ihm hing ein Schwertfisch, den er mit sich in die Luft empor- genommen, um ihn beim Fall mit der Wucht seines Körpers zu zerschmettern und, selbst sterbend, seinem Feinde den Tod zu geben. Noch einmal warf der Gigant einen Blutstrahl hoch -- dann folgten drei bis vier furchtbare Schwanzschläge und alles war still. Das Wasser glättete sich und der mächtige Körper des tapfern Wal schwamm leblos an der Oberfläche. Nach seiner ersten Verwundung hatte er sich so weit von unserm Schiffe entfernt, daß wir das Letzte der submarinen Schlacht nur noch undeutlich sahen, aber wir konnten uns eines schmerzlichen Ge- fühls des Bedauerns nicht erwehren, daß der Held der Tiefe, der so brav gestritten, am Ende doch hatte unterliegen müssen.
Werner
500 Schritt und mehr davon entfernt. Die Schwertfiſche ſelbſt ſahen wir faſt gar nicht mehr; ſie ſchwammen bedeutend tiefer als der Wal, weil die Angriffe ſtets auf deſſen verwundbarſten Theil unterhalb der Bauchfloſſen gerichtet waren, und die raſenden Sprünge und Stöße des letzteren machten die Waſſerfläche ſo trübe und undurchſichtig, daß wir zu unſerm großen Bedauern ihren Bewegungen nicht folgen konnten. Nur einmal machte auch einer von ihnen einen Satz aus dem Waſſer, offenbar um einem ſofort darauf erfolgenden Schwanzſchlage zu entgehen.
So wogte der furchtbare Kampf hin und her. Wir folgten, ſo weit wir konnten, ſeinen Einzelheiten in athemloſer Spannung wohl zehn Minuten lang, dann trat die Kataſtrophe ein. Jener mächtige Poſaunenton von vorhin ertönte wieder, aus dem Blasloch ſtieg die Dunſtſäule hoch in die Lüfte, aber diesmal ſpiegelten ſich die Sonnenſtrahlen nicht in Regenbogenfarben in ihr wieder, denn der Dunſt zeigte ſich mit Blut gemiſcht und roth gefärbt. Der tapfere Wal war tödtlich von ſeinen Feinden getroffen. Wie raſend jagte er im Kreiſe umher, bisweilen bis zu ſeiner halben Höhe aus dem Waſſer hervorragend und es mit gewaltigen Schlägen peitſchend. Dann erhob ſich der Leviathan wieder mit einem furchtbaren Satze aus dem Waſſer, aber neben ihm hing ein Schwertfiſch, den er mit ſich in die Luft empor- genommen, um ihn beim Fall mit der Wucht ſeines Körpers zu zerſchmettern und, ſelbſt ſterbend, ſeinem Feinde den Tod zu geben. Noch einmal warf der Gigant einen Blutſtrahl hoch — dann folgten drei bis vier furchtbare Schwanzſchläge und alles war ſtill. Das Waſſer glättete ſich und der mächtige Körper des tapfern Wal ſchwamm leblos an der Oberfläche. Nach ſeiner erſten Verwundung hatte er ſich ſo weit von unſerm Schiffe entfernt, daß wir das Letzte der ſubmarinen Schlacht nur noch undeutlich ſahen, aber wir konnten uns eines ſchmerzlichen Ge- fühls des Bedauerns nicht erwehren, daß der Held der Tiefe, der ſo brav geſtritten, am Ende doch hatte unterliegen müſſen.
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Werner
500 Schritt und mehr davon entfernt. Die Schwertfiſche ſelbſt
ſahen wir faſt gar nicht mehr; ſie ſchwammen bedeutend tiefer
als der Wal, weil die Angriffe ſtets auf deſſen verwundbarſten
Theil unterhalb der Bauchfloſſen gerichtet waren, und die raſenden
Sprünge und Stöße des letzteren machten die Waſſerfläche ſo
trübe und undurchſichtig, daß wir zu unſerm großen Bedauern
ihren Bewegungen nicht folgen konnten. Nur einmal machte
auch einer von ihnen einen Satz aus dem Waſſer, offenbar um
einem ſofort darauf erfolgenden Schwanzſchlage zu entgehen.
So wogte der furchtbare Kampf hin und her. Wir folgten,
ſo weit wir konnten, ſeinen Einzelheiten in athemloſer Spannung
wohl zehn Minuten lang, dann trat die Kataſtrophe ein. Jener
mächtige Poſaunenton von vorhin ertönte wieder, aus dem
Blasloch ſtieg die Dunſtſäule hoch in die Lüfte, aber diesmal
ſpiegelten ſich die Sonnenſtrahlen nicht in Regenbogenfarben in
ihr wieder, denn der Dunſt zeigte ſich mit Blut gemiſcht und
roth gefärbt. Der tapfere Wal war tödtlich von ſeinen Feinden
getroffen. Wie raſend jagte er im Kreiſe umher, bisweilen bis
zu ſeiner halben Höhe aus dem Waſſer hervorragend und es mit
gewaltigen Schlägen peitſchend. Dann erhob ſich der Leviathan
wieder mit einem furchtbaren Satze aus dem Waſſer, aber neben
ihm hing ein Schwertfiſch, den er mit ſich in die Luft empor-
genommen, um ihn beim Fall mit der Wucht ſeines Körpers
zu zerſchmettern und, ſelbſt ſterbend, ſeinem Feinde den Tod zu
geben. Noch einmal warf der Gigant einen Blutſtrahl hoch —
dann folgten drei bis vier furchtbare Schwanzſchläge und alles
war ſtill. Das Waſſer glättete ſich und der mächtige Körper des
tapfern Wal ſchwamm leblos an der Oberfläche. Nach ſeiner
erſten Verwundung hatte er ſich ſo weit von unſerm Schiffe
entfernt, daß wir das Letzte der ſubmarinen Schlacht nur noch
undeutlich ſahen, aber wir konnten uns eines ſchmerzlichen Ge-
fühls des Bedauerns nicht erwehren, daß der Held der Tiefe,
der ſo brav geſtritten, am Ende doch hatte unterliegen müſſen.
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/108>, abgerufen am 16.02.2025.
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