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Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

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Vererbungssubstanz dort nicht zulasse 1), so vergisst er, dass
die Infection des Keimes durch Syphilis eine erwiesene That-
sache ist, während ein im Körper der Mutter vagabundirendes
Keimplasma noch nie gesehen worden ist und aller Erfah-
rung über die Uebertragung desselben von einer Zelle in
eine andere geradezu Hohn spricht. Es leidet keinen Zweifel,
dass ein Mörder von London nach Paris fahren kann, so
gut wie ein anderer Mensch, wenn er aber im Zuchthaus
eingesperrt ist, so geht das nicht so ohne weiteres, er muss
erst seinen Kerker sprengen. Dazu scheint das Keimplasma
nur unter ganz bestimmten Bedingungen im Stande zu sein,
während die freie Mikrobe ungehindert mittelst der Blut- und
Säfteströmung und wohl auch durch Wanderung von Zelle
zu Zelle durch den ganzen Körper gelangt.

Die Spencer'sche Erklärung der Telegonie ist also
durchaus unzulässig, und die Erscheinung selbst, weit ent-
fernt, "an absolute disproof of Professor Weismann's doctrine"
zu sein, lässt sich vielmehr mit dessen Theorie jedenfalls
sehr viel leichter in Einklang setzen, falls sie sich als wirk-
lich
existirend erweisen sollte. In meinem "Keimplasma"
habe ich bereits eine Erklärung für sie versucht. Dieselbe
ergibt sich so einfach und natürlich aus meinen Anschauungen
über Keimplasma, Amphimixis u. s. w., dass Romanes,
ohne noch mein Buch gesehen zu haben, in seinem schon
erwähnten, gegen Spencer gerichteten Artikel sie sich der
Hauptsache nach ganz conform mit mir gewissermaassen
construirte als die Antwort, welche ich vermuthlich Herbert
Spencer
geben würde. Ich habe übrigens dieselbe Er-
klärung für Telegonie schon im Jahre 1887 in der biologischen

1) a. a. O., p. 448.

Vererbungssubstanz dort nicht zulasse 1), so vergisst er, dass
die Infection des Keimes durch Syphilis eine erwiesene That-
sache ist, während ein im Körper der Mutter vagabundirendes
Keimplasma noch nie gesehen worden ist und aller Erfah-
rung über die Uebertragung desselben von einer Zelle in
eine andere geradezu Hohn spricht. Es leidet keinen Zweifel,
dass ein Mörder von London nach Paris fahren kann, so
gut wie ein anderer Mensch, wenn er aber im Zuchthaus
eingesperrt ist, so geht das nicht so ohne weiteres, er muss
erst seinen Kerker sprengen. Dazu scheint das Keimplasma
nur unter ganz bestimmten Bedingungen im Stande zu sein,
während die freie Mikrobe ungehindert mittelst der Blut- und
Säfteströmung und wohl auch durch Wanderung von Zelle
zu Zelle durch den ganzen Körper gelangt.

Die Spencer’sche Erklärung der Telegonie ist also
durchaus unzulässig, und die Erscheinung selbst, weit ent-
fernt, „an absolute disproof of Professor Weismann’s doctrine“
zu sein, lässt sich vielmehr mit dessen Theorie jedenfalls
sehr viel leichter in Einklang setzen, falls sie sich als wirk-
lich
existirend erweisen sollte. In meinem „Keimplasma“
habe ich bereits eine Erklärung für sie versucht. Dieselbe
ergibt sich so einfach und natürlich aus meinen Anschauungen
über Keimplasma, Amphimixis u. s. w., dass Romanes,
ohne noch mein Buch gesehen zu haben, in seinem schon
erwähnten, gegen Spencer gerichteten Artikel sie sich der
Hauptsache nach ganz conform mit mir gewissermaassen
construirte als die Antwort, welche ich vermuthlich Herbert
Spencer
geben würde. Ich habe übrigens dieselbe Er-
klärung für Telegonie schon im Jahre 1887 in der biologischen

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[87/0099] Vererbungssubstanz dort nicht zulasse 1), so vergisst er, dass die Infection des Keimes durch Syphilis eine erwiesene That- sache ist, während ein im Körper der Mutter vagabundirendes Keimplasma noch nie gesehen worden ist und aller Erfah- rung über die Uebertragung desselben von einer Zelle in eine andere geradezu Hohn spricht. Es leidet keinen Zweifel, dass ein Mörder von London nach Paris fahren kann, so gut wie ein anderer Mensch, wenn er aber im Zuchthaus eingesperrt ist, so geht das nicht so ohne weiteres, er muss erst seinen Kerker sprengen. Dazu scheint das Keimplasma nur unter ganz bestimmten Bedingungen im Stande zu sein, während die freie Mikrobe ungehindert mittelst der Blut- und Säfteströmung und wohl auch durch Wanderung von Zelle zu Zelle durch den ganzen Körper gelangt. Die Spencer’sche Erklärung der Telegonie ist also durchaus unzulässig, und die Erscheinung selbst, weit ent- fernt, „an absolute disproof of Professor Weismann’s doctrine“ zu sein, lässt sich vielmehr mit dessen Theorie jedenfalls sehr viel leichter in Einklang setzen, falls sie sich als wirk- lich existirend erweisen sollte. In meinem „Keimplasma“ habe ich bereits eine Erklärung für sie versucht. Dieselbe ergibt sich so einfach und natürlich aus meinen Anschauungen über Keimplasma, Amphimixis u. s. w., dass Romanes, ohne noch mein Buch gesehen zu haben, in seinem schon erwähnten, gegen Spencer gerichteten Artikel sie sich der Hauptsache nach ganz conform mit mir gewissermaassen construirte als die Antwort, welche ich vermuthlich Herbert Spencer geben würde. Ich habe übrigens dieselbe Er- klärung für Telegonie schon im Jahre 1887 in der biologischen 1) a. a. O., p. 448.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/99>, abgerufen am 27.11.2024.