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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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naten hier keine einzelnen Zellen, sondern Zellengruppen sind,
leider aber kann der Versuch nicht als rein gelten, da -- wie
später zu zeigen sein wird -- bei Parthenogenese das Keim-
plasma nicht aus gleichen Iden zusammengesetzt ist, sondern
wie bei geschlechtlicher Fortpflanzung, aus ungleichen, und da
daraus Schwankungen in der Vererbung entstehen können.

Bei höheren Wirbelthieren ist die Zahl der Determinaten,
welche allein aus der Färbung und Zeichnung des Thieres sich
erschliessen lassen, eine sehr bedeutende. So müssen wohl die
meisten, wenn nicht alle Conturfedern der Vögel durch be-
sondere Determinanten im Keimplasma bestimmt werden, denn
sie sind selbstständig erblich veränderbar. Ist doch die Zahl
der Schwung- und Steuerfedern bei jeder Vogelart eine fest
bestimmte und besitzt doch jede dieser Federn ihre bestimmte
Form, Grösse und Färbung. Die Annahme einer Determi-
nante genügt auch nicht einmal für die ganze Feder, denn die-
selbe besteht aus Tausenden von Epidermiszellen, und diese
verhalten sich keineswegs alle gleich, weder in Bezug auf
Gestalt und Zusammenfügung, noch in Bezug auf Färbung.
Viele Federn sind gebändert, andere tragen an der Spitze einen
brillanten Schmuckfleck, wie bei manchen Kolibri's, dem Pfau
und gewissen Paradiesvögeln. Die Zellen, welche diese Bänder
und Flecken bilden, müssen andere Determinanten enthalten,
als die übrigen Zellen der Feder, beide also setzen mindestens
eine besondere Determinante des Keimes voraus, oft aber deren
mehrere und viele, da solche Schmuckflecke, wie bekannt, oft
recht complicirt aus mehreren Farben zusammengestellt sind.

Es wäre auch ein Irrthum zu glauben, dass bei Vögeln
mit einfarbigem Gefieder, wie die Raben, die Conturfedern nicht
einzeln determinirt wären; die Qualitäts-Unterschiede beziehen
sich hier nur weniger auf die Farbe, als auf Form und Grösse.
Dass auch hier jede Feder erblich determinirt ist, auch der

naten hier keine einzelnen Zellen, sondern Zellengruppen sind,
leider aber kann der Versuch nicht als rein gelten, da — wie
später zu zeigen sein wird — bei Parthenogenese das Keim-
plasma nicht aus gleichen Iden zusammengesetzt ist, sondern
wie bei geschlechtlicher Fortpflanzung, aus ungleichen, und da
daraus Schwankungen in der Vererbung entstehen können.

Bei höheren Wirbelthieren ist die Zahl der Determinaten,
welche allein aus der Färbung und Zeichnung des Thieres sich
erschliessen lassen, eine sehr bedeutende. So müssen wohl die
meisten, wenn nicht alle Conturfedern der Vögel durch be-
sondere Determinanten im Keimplasma bestimmt werden, denn
sie sind selbstständig erblich veränderbar. Ist doch die Zahl
der Schwung- und Steuerfedern bei jeder Vogelart eine fest
bestimmte und besitzt doch jede dieser Federn ihre bestimmte
Form, Grösse und Färbung. Die Annahme einer Determi-
nante genügt auch nicht einmal für die ganze Feder, denn die-
selbe besteht aus Tausenden von Epidermiszellen, und diese
verhalten sich keineswegs alle gleich, weder in Bezug auf
Gestalt und Zusammenfügung, noch in Bezug auf Färbung.
Viele Federn sind gebändert, andere tragen an der Spitze einen
brillanten Schmuckfleck, wie bei manchen Kolibri’s, dem Pfau
und gewissen Paradiesvögeln. Die Zellen, welche diese Bänder
und Flecken bilden, müssen andere Determinanten enthalten,
als die übrigen Zellen der Feder, beide also setzen mindestens
eine besondere Determinante des Keimes voraus, oft aber deren
mehrere und viele, da solche Schmuckflecke, wie bekannt, oft
recht complicirt aus mehreren Farben zusammengestellt sind.

Es wäre auch ein Irrthum zu glauben, dass bei Vögeln
mit einfarbigem Gefieder, wie die Raben, die Conturfedern nicht
einzeln determinirt wären; die Qualitäts-Unterschiede beziehen
sich hier nur weniger auf die Farbe, als auf Form und Grösse.
Dass auch hier jede Feder erblich determinirt ist, auch der

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[119/0143] naten hier keine einzelnen Zellen, sondern Zellengruppen sind, leider aber kann der Versuch nicht als rein gelten, da — wie später zu zeigen sein wird — bei Parthenogenese das Keim- plasma nicht aus gleichen Iden zusammengesetzt ist, sondern wie bei geschlechtlicher Fortpflanzung, aus ungleichen, und da daraus Schwankungen in der Vererbung entstehen können. Bei höheren Wirbelthieren ist die Zahl der Determinaten, welche allein aus der Färbung und Zeichnung des Thieres sich erschliessen lassen, eine sehr bedeutende. So müssen wohl die meisten, wenn nicht alle Conturfedern der Vögel durch be- sondere Determinanten im Keimplasma bestimmt werden, denn sie sind selbstständig erblich veränderbar. Ist doch die Zahl der Schwung- und Steuerfedern bei jeder Vogelart eine fest bestimmte und besitzt doch jede dieser Federn ihre bestimmte Form, Grösse und Färbung. Die Annahme einer Determi- nante genügt auch nicht einmal für die ganze Feder, denn die- selbe besteht aus Tausenden von Epidermiszellen, und diese verhalten sich keineswegs alle gleich, weder in Bezug auf Gestalt und Zusammenfügung, noch in Bezug auf Färbung. Viele Federn sind gebändert, andere tragen an der Spitze einen brillanten Schmuckfleck, wie bei manchen Kolibri’s, dem Pfau und gewissen Paradiesvögeln. Die Zellen, welche diese Bänder und Flecken bilden, müssen andere Determinanten enthalten, als die übrigen Zellen der Feder, beide also setzen mindestens eine besondere Determinante des Keimes voraus, oft aber deren mehrere und viele, da solche Schmuckflecke, wie bekannt, oft recht complicirt aus mehreren Farben zusammengestellt sind. Es wäre auch ein Irrthum zu glauben, dass bei Vögeln mit einfarbigem Gefieder, wie die Raben, die Conturfedern nicht einzeln determinirt wären; die Qualitäts-Unterschiede beziehen sich hier nur weniger auf die Farbe, als auf Form und Grösse. Dass auch hier jede Feder erblich determinirt ist, auch der

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/143>, abgerufen am 06.05.2024.