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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Farbe nach, zeigt uns ihr Variiren, welches bei einzelnen Arten
bestimmte Federn ganz oder theilweise weiss, oder wie bei den
den Raben verwandten Paradiesvögeln bunt gefärbt hat. Man
braucht nur eine Kolibri-Sammlung durchzusehen, und die oft
sehr einfach gefärbten Weibchen mit den wunderbar mannig-
faltig gefärbten Männchen zu vergleichen, um zu der Über-
zeugung zu kommen, dass hier so ziemlich jede Conturfeder
selbstständig variiren kann, und zwar in den allerverschiedensten
Richtungen, in Farbe, Gestalt, Grösse und im feineren Bau.

Es scheint allerdings, wie früher schon hervorgehoben
wurde, dass dem gegenüber die inneren Organe bei Weitem
nicht so speciell vom Keim aus bestimmt werden, dass hier
also die Determinanten grössere Zellbezirke beherrschen, wie
das oben gegebene Beispiel der Blutkörperchen und der Darm-
epithelzellen beweist. Dennoch wird die Zahl der Determi-
nanten des Keimplasma's bei den höheren Thieren eine enorme
und der Zweifel erscheint berechtigt, ob denn auch diese Masse
von Biophoren, deren wir für ein Id des Keimplasma's bedürfen,
in den Raum eines solchen hineingehen?

Die Rechnung giebt -- wie wir gesehen haben -- keine
genügende Antwort. Nehmen wir aber einmal an, wir besässen
sicherere Daten für die Zahl der Determinaten einer bestimmten
Art und die Grösse ihres Id's, und es ergäbe sich, dass bei Zu-
grundelegung von Determinanten aus je fünfzig Biophoren und
von Biophoren aus je tausend Molekülen oder irgend andern
willkürlich gewählten Zahlen und der Durchschnittsgrösse eines
Moleküls von ein halb Millionstel Millimeter der Raum eines
Id's nicht ausreicht für ihre Unterbringung, was würde daraus
folgen? Ich glaube nichts Anderes, als dass wir eine oder
mehrere dieser Werthe zu gross angenommen haben. Die De-
terminantenlehre könnte dadurch nicht erschüttert werden, denn
kleinste Theilchen müssen im Keimplasma vorhanden sein für

Farbe nach, zeigt uns ihr Variiren, welches bei einzelnen Arten
bestimmte Federn ganz oder theilweise weiss, oder wie bei den
den Raben verwandten Paradiesvögeln bunt gefärbt hat. Man
braucht nur eine Kolibri-Sammlung durchzusehen, und die oft
sehr einfach gefärbten Weibchen mit den wunderbar mannig-
faltig gefärbten Männchen zu vergleichen, um zu der Über-
zeugung zu kommen, dass hier so ziemlich jede Conturfeder
selbstständig variiren kann, und zwar in den allerverschiedensten
Richtungen, in Farbe, Gestalt, Grösse und im feineren Bau.

Es scheint allerdings, wie früher schon hervorgehoben
wurde, dass dem gegenüber die inneren Organe bei Weitem
nicht so speciell vom Keim aus bestimmt werden, dass hier
also die Determinanten grössere Zellbezirke beherrschen, wie
das oben gegebene Beispiel der Blutkörperchen und der Darm-
epithelzellen beweist. Dennoch wird die Zahl der Determi-
nanten des Keimplasma’s bei den höheren Thieren eine enorme
und der Zweifel erscheint berechtigt, ob denn auch diese Masse
von Biophoren, deren wir für ein Id des Keimplasma’s bedürfen,
in den Raum eines solchen hineingehen?

Die Rechnung giebt — wie wir gesehen haben — keine
genügende Antwort. Nehmen wir aber einmal an, wir besässen
sicherere Daten für die Zahl der Determinaten einer bestimmten
Art und die Grösse ihres Id’s, und es ergäbe sich, dass bei Zu-
grundelegung von Determinanten aus je fünfzig Biophoren und
von Biophoren aus je tausend Molekülen oder irgend andern
willkürlich gewählten Zahlen und der Durchschnittsgrösse eines
Moleküls von ein halb Millionstel Millimeter der Raum eines
Id’s nicht ausreicht für ihre Unterbringung, was würde daraus
folgen? Ich glaube nichts Anderes, als dass wir eine oder
mehrere dieser Werthe zu gross angenommen haben. Die De-
terminantenlehre könnte dadurch nicht erschüttert werden, denn
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[120/0144] Farbe nach, zeigt uns ihr Variiren, welches bei einzelnen Arten bestimmte Federn ganz oder theilweise weiss, oder wie bei den den Raben verwandten Paradiesvögeln bunt gefärbt hat. Man braucht nur eine Kolibri-Sammlung durchzusehen, und die oft sehr einfach gefärbten Weibchen mit den wunderbar mannig- faltig gefärbten Männchen zu vergleichen, um zu der Über- zeugung zu kommen, dass hier so ziemlich jede Conturfeder selbstständig variiren kann, und zwar in den allerverschiedensten Richtungen, in Farbe, Gestalt, Grösse und im feineren Bau. Es scheint allerdings, wie früher schon hervorgehoben wurde, dass dem gegenüber die inneren Organe bei Weitem nicht so speciell vom Keim aus bestimmt werden, dass hier also die Determinanten grössere Zellbezirke beherrschen, wie das oben gegebene Beispiel der Blutkörperchen und der Darm- epithelzellen beweist. Dennoch wird die Zahl der Determi- nanten des Keimplasma’s bei den höheren Thieren eine enorme und der Zweifel erscheint berechtigt, ob denn auch diese Masse von Biophoren, deren wir für ein Id des Keimplasma’s bedürfen, in den Raum eines solchen hineingehen? Die Rechnung giebt — wie wir gesehen haben — keine genügende Antwort. Nehmen wir aber einmal an, wir besässen sicherere Daten für die Zahl der Determinaten einer bestimmten Art und die Grösse ihres Id’s, und es ergäbe sich, dass bei Zu- grundelegung von Determinanten aus je fünfzig Biophoren und von Biophoren aus je tausend Molekülen oder irgend andern willkürlich gewählten Zahlen und der Durchschnittsgrösse eines Moleküls von ein halb Millionstel Millimeter der Raum eines Id’s nicht ausreicht für ihre Unterbringung, was würde daraus folgen? Ich glaube nichts Anderes, als dass wir eine oder mehrere dieser Werthe zu gross angenommen haben. Die De- terminantenlehre könnte dadurch nicht erschüttert werden, denn kleinste Theilchen müssen im Keimplasma vorhanden sein für

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/144>, abgerufen am 06.05.2024.