Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Des Lust-Spiels Eus. (wil ihn umfangen.) Ach willkommen mein höchstgeliebter sohn/ habe ich die freude/ meine liebes-thränen auff deinen backen auszuschütten. Phil. (stösset sie von sich.) Bleibt mir vom lei- be/ wie hab ich dieses verschuldet/ daß ich des henckers grossemutter soll zu meiner mutter annehmen? Eus. Mein sohn/ ich bin Eusebie/ ich habe dich un- ter meinem hertzen getragen/ ich habe dich mit diesen brüsten gesäuget/ ach! ich wolte dich auch aufferzogen haben/ wenn mich das widerwärtige unglück nicht all- zuweit von dir gerissen hätte (sie weinet.) Phil. Ach meine seligste frau mutter hat diese welt schon lange verlassen. Jch werde wohl zu ihr kommen/ aber daß sie mich hier besuchen solte/ darzu habe ich schlechte lust. (Sie gehn ab.) Eus. Diese freude ist auch zu schanden! solte ich von meinem gemahl verstossen werden/ so ist es mein tod. Zwar wo mich mein leiblicher sohn nicht kennen will/ so habe ich mich einer schlechten fürbitte zu getrö- sten. (Leo kömmt.) Leo. Jch wolte/ mein sohn hätte sich gegen der He- liconie etwas sparsamer erzeigt: Nun hat er hierdurch eine eifer-sucht bey seiner liebsten erweckt/ welche ihm selbst am hefftigsten schaden möchte. Die sache beru- het hierauff/ daß ich die Heliconie vor meine tochter erkenne. Eus. (kömmt und fällt ihm zu fusse und weinet.) Leo. Frau/ was ist euer verlangen? Eus. Mein herr/ ich bitte um gnade. Leo
Des Luſt-Spiels Euſ. (wil ihn umfangen.) Ach willkommen mein hoͤchſtgeliebter ſohn/ habe ich die freude/ meine liebes-thraͤnen auff deinen backen auszuſchuͤtten. Phil. (ſtoͤſſet ſie von ſich.) Bleibt mir vom lei- be/ wie hab ich dieſes verſchuldet/ daß ich des henckers groſſemutter ſoll zu meiner mutter annehmen? Euſ. Mein ſohn/ ich bin Euſebie/ ich habe dich un- ter meinem hertzen getragen/ ich habe dich mit dieſen bruͤſten geſaͤuget/ ach! ich wolte dich auch aufferzogen haben/ wenn mich das widerwaͤrtige ungluͤck nicht all- zuweit von dir geriſſen haͤtte (ſie weinet.) Phil. Ach meine ſeligſte frau mutter hat dieſe welt ſchon lange verlaſſen. Jch werde wohl zu ihr kommen/ aber daß ſie mich hier beſuchen ſolte/ darzu habe ich ſchlechte luſt. (Sie gehn ab.) Euſ. Dieſe freude iſt auch zu ſchanden! ſolte ich von meinem gemahl verſtoſſen werden/ ſo iſt es mein tod. Zwar wo mich mein leiblicher ſohn nicht kennen will/ ſo habe ich mich einer ſchlechten fuͤrbitte zu getroͤ- ſten. (Leo koͤmmt.) Leo. Jch wolte/ mein ſohn haͤtte ſich gegen der He- liconie etwas ſparſamer erzeigt: Nun hat er hierdurch eine eifer-ſucht bey ſeiner liebſten erweckt/ welche ihm ſelbſt am hefftigſten ſchaden moͤchte. Die ſache beru- het hierauff/ daß ich die Heliconie vor meine tochter erkenne. Euſ. (koͤmmt und faͤllt ihm zu fuſſe und weinet.) Leo. Frau/ was iſt euer verlangen? Euſ. Mein herr/ ich bitte um gnade. Leo
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0692" n="676"/> <fw place="top" type="header">Des Luſt-Spiels</fw><lb/> <sp> <speaker>Euſ.</speaker> <stage>(wil ihn umfangen.)</stage> <p>Ach willkommen<lb/> mein hoͤchſtgeliebter ſohn/ habe ich die freude/ meine<lb/> liebes-thraͤnen auff deinen backen auszuſchuͤtten.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>Phil.</speaker> <stage>(ſtoͤſſet ſie von ſich.)</stage> <p>Bleibt mir vom lei-<lb/> be/ wie hab ich dieſes verſchuldet/ daß ich des henckers<lb/> groſſemutter ſoll zu meiner mutter annehmen?</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>Euſ.</speaker> <p>Mein ſohn/ ich bin Euſebie/ ich habe dich un-<lb/> ter meinem hertzen getragen/ ich habe dich mit dieſen<lb/> bruͤſten geſaͤuget/ ach! ich wolte dich auch aufferzogen<lb/> haben/ wenn mich das widerwaͤrtige ungluͤck nicht all-<lb/> zuweit von dir geriſſen haͤtte</p> <stage>(ſie weinet.)</stage> </sp><lb/> <sp> <speaker>Phil.</speaker> <p>Ach meine ſeligſte frau mutter hat dieſe<lb/> welt ſchon lange verlaſſen. Jch werde wohl zu ihr<lb/> kommen/ aber daß ſie mich hier beſuchen ſolte/ darzu<lb/> habe ich ſchlechte luſt.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(Sie gehn ab.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp> <speaker>Euſ.</speaker> <p>Dieſe freude iſt auch zu ſchanden! ſolte ich<lb/> von meinem gemahl verſtoſſen werden/ ſo iſt es mein<lb/> tod. Zwar wo mich mein leiblicher ſohn nicht kennen<lb/> will/ ſo habe ich mich einer ſchlechten fuͤrbitte zu getroͤ-<lb/> ſten.</p> </sp><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(Leo koͤmmt.)</hi> </stage><lb/> <sp> <speaker>Leo.</speaker> <p>Jch wolte/ mein ſohn haͤtte ſich gegen der He-<lb/> liconie etwas ſparſamer erzeigt: Nun hat er hierdurch<lb/> eine eifer-ſucht bey ſeiner liebſten erweckt/ welche ihm<lb/> ſelbſt am hefftigſten ſchaden moͤchte. Die ſache beru-<lb/> het hierauff/ daß ich die Heliconie vor meine tochter<lb/> erkenne.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>Euſ.</speaker> <stage>(koͤmmt und faͤllt ihm zu fuſſe<lb/> und weinet.)</stage> </sp><lb/> <sp> <speaker>Leo.</speaker> <p>Frau/ was iſt euer verlangen?</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>Euſ.</speaker> <p>Mein herr/ ich bitte um gnade.</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Leo</hi> </fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [676/0692]
Des Luſt-Spiels
Euſ. (wil ihn umfangen.) Ach willkommen
mein hoͤchſtgeliebter ſohn/ habe ich die freude/ meine
liebes-thraͤnen auff deinen backen auszuſchuͤtten.
Phil. (ſtoͤſſet ſie von ſich.) Bleibt mir vom lei-
be/ wie hab ich dieſes verſchuldet/ daß ich des henckers
groſſemutter ſoll zu meiner mutter annehmen?
Euſ. Mein ſohn/ ich bin Euſebie/ ich habe dich un-
ter meinem hertzen getragen/ ich habe dich mit dieſen
bruͤſten geſaͤuget/ ach! ich wolte dich auch aufferzogen
haben/ wenn mich das widerwaͤrtige ungluͤck nicht all-
zuweit von dir geriſſen haͤtte (ſie weinet.)
Phil. Ach meine ſeligſte frau mutter hat dieſe
welt ſchon lange verlaſſen. Jch werde wohl zu ihr
kommen/ aber daß ſie mich hier beſuchen ſolte/ darzu
habe ich ſchlechte luſt.
(Sie gehn ab.)
Euſ. Dieſe freude iſt auch zu ſchanden! ſolte ich
von meinem gemahl verſtoſſen werden/ ſo iſt es mein
tod. Zwar wo mich mein leiblicher ſohn nicht kennen
will/ ſo habe ich mich einer ſchlechten fuͤrbitte zu getroͤ-
ſten.
(Leo koͤmmt.)
Leo. Jch wolte/ mein ſohn haͤtte ſich gegen der He-
liconie etwas ſparſamer erzeigt: Nun hat er hierdurch
eine eifer-ſucht bey ſeiner liebſten erweckt/ welche ihm
ſelbſt am hefftigſten ſchaden moͤchte. Die ſache beru-
het hierauff/ daß ich die Heliconie vor meine tochter
erkenne.
Euſ. (koͤmmt und faͤllt ihm zu fuſſe
und weinet.)
Leo. Frau/ was iſt euer verlangen?
Euſ. Mein herr/ ich bitte um gnade.
Leo
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/692 |
Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/692>, abgerufen am 14.06.2024. |