Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Fünffte Handlung. Herc. Eurem aberglauben wolten wir gern gera- then wissen. Borg. Gnädigster Herr/ ich sehe wol/ Camillo muß durch seinen tod mir den weg zum leben öffnen: Denn wo Camillo stirbt/ da ist Leonore ihrer treu erlassen. Leon. Jch mag meine liebe mit keinem blute er- kauffen lassen. Her. Camillo stirbt wegen seines verbrechens. Und die Leonore erwehlt den Borgia wegen seiner tugend. Borg. So ist das urtheil feste gestellt/ daß Camil- lo sterben muß? Her. Es wird vonnöthen seyn/ daß wir ordentliche richter setzen/ und den verdacht der tyranney von uns abweltzen. Borg. Ordentliche richter sind zwar in zweiffel- hafftigen und ungewissen fällen höchstnöhtig: Allein wo die sache klar ist/ da verdammet sich der verbrecher selbst. Her. Die sache ist unsern unterthanen nicht klar: Die würden uns blütdürstig nennen. Borg. Ein fürst der sein gewissen verwahrt/ darff den unterthanen keine rechenschafft geben. Her. Ein fürst der ein gut gewissen hat/ sol sich er- freuen/ wenn er sein volck zum zeugniß bewegen kan. Borg. So publicire man die ursachen seiner ver- dammniß. Her. Es hiesse doch er wäre nicht gehört worden. Borg. Haben wir nicht seine schrifft in händen? Hat er des fürsten hoheit dadurch nicht beleidiget? Her. Wir wollen doch das bekändniß aus seinem munde haben. Borg. Die fürstliche hoheit wird dadurch schlecht versi-
Fuͤnffte Handlung. Herc. Eurem aberglauben wolten wir gern gera- then wiſſen. Borg. Gnaͤdigſter Herꝛ/ ich ſehe wol/ Camillo muß durch ſeinen tod mir den weg zum leben oͤffnen: Denn wo Camillo ſtirbt/ da iſt Leonore ihrer treu erlaſſen. Leon. Jch mag meine liebe mit keinem blute er- kauffen laſſen. Her. Camillo ſtirbt wegẽ ſeines verbrechens. Und die Leonore erwehlt den Borgia wegen ſeiner tugend. Borg. So iſt das urtheil feſte geſtellt/ daß Camil- lo ſterben muß? Her. Es wird vonnoͤthen ſeyn/ daß wir ordentliche richter ſetzen/ und den verdacht der tyranney von uns abweltzen. Borg. Ordentliche richter ſind zwar in zweiffel- hafftigen und ungewiſſen faͤllen hoͤchſtnoͤhtig: Allein wo die ſache klar iſt/ da verdammet ſich der verbrecher ſelbſt. Her. Die ſache iſt unſern unterthanen nicht klar: Die wuͤrden uns bluͤtduͤrſtig nennen. Borg. Ein fuͤrſt der ſein gewiſſen verwahrt/ darff den unterthanen keine rechenſchafft geben. Her. Ein fuͤrſt der ein gut gewiſſen hat/ ſol ſich er- freuen/ wenn er ſein volck zum zeugniß bewegen kan. Borg. So publicire man die urſachen ſeiner ver- dammniß. Her. Es hieſſe doch er waͤre nicht gehoͤrt worden. Borg. Haben wir nicht ſeine ſchrifft in haͤnden? Hat er des fuͤrſten hoheit dadurch nicht beleidiget? Her. Wir wollen doch das bekaͤndniß aus ſeinem munde haben. Borg. Die fuͤrſtliche hoheit wird dadurch ſchlecht verſi-
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Fuͤnffte Handlung.
Herc. Eurem aberglauben wolten wir gern gera-
then wiſſen.
Borg. Gnaͤdigſter Herꝛ/ ich ſehe wol/ Camillo muß
durch ſeinen tod mir den weg zum leben oͤffnen: Denn
wo Camillo ſtirbt/ da iſt Leonore ihrer treu erlaſſen.
Leon. Jch mag meine liebe mit keinem blute er-
kauffen laſſen.
Her. Camillo ſtirbt wegẽ ſeines verbrechens. Und
die Leonore erwehlt den Borgia wegen ſeiner tugend.
Borg. So iſt das urtheil feſte geſtellt/ daß Camil-
lo ſterben muß?
Her. Es wird vonnoͤthen ſeyn/ daß wir ordentliche
richter ſetzen/ und den verdacht der tyranney von uns
abweltzen.
Borg. Ordentliche richter ſind zwar in zweiffel-
hafftigen und ungewiſſen faͤllen hoͤchſtnoͤhtig: Allein
wo die ſache klar iſt/ da verdammet ſich der verbrecher
ſelbſt.
Her. Die ſache iſt unſern unterthanen nicht klar:
Die wuͤrden uns bluͤtduͤrſtig nennen.
Borg. Ein fuͤrſt der ſein gewiſſen verwahrt/ darff
den unterthanen keine rechenſchafft geben.
Her. Ein fuͤrſt der ein gut gewiſſen hat/ ſol ſich er-
freuen/ wenn er ſein volck zum zeugniß bewegen kan.
Borg. So publicire man die urſachen ſeiner ver-
dammniß.
Her. Es hieſſe doch er waͤre nicht gehoͤrt worden.
Borg. Haben wir nicht ſeine ſchrifft in haͤnden?
Hat er des fuͤrſten hoheit dadurch nicht beleidiget?
Her. Wir wollen doch das bekaͤndniß aus ſeinem
munde haben.
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/573>, abgerufen am 29.06.2024. |