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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Erste Handlung.
Flav. Jch habe noch nie an der Affection gezwei-
felt/ allein - -
Cam. Allein/ allein/ wie soll ich diß verstehn?
Flav. Jch sage nochmahls/ ich zweifle nicht an der
freundschaft/ allein ich fürchte mich vor der ausländi-
schen lufft.
Cam. Vielleicht daß ich daran sterben werde?
Flav. So unbarmhertzig wird der himmel nicht
seyn.
Cam. Oder daß ich meine gesundheit forciren werde?
Flav. Ach nein/ ich weiß wie der bruder nach der
gesundheit leben kan.
Cam. Was ist denn sonst/ da mir die ausländische
lufft solte schaden thun?
Flav. Man kan ausländische gedancken schöpfen.
Cam. Wie geht diß zu?
Flav. Daß man der einheimischen vergist.
Cam. Was in das hertze gepregt ist/ wird durch kei-
ne vergessenheit heraus gerissen.
Flav. Doch ist die vergessenheit angenehm/ wo
man etwas belieblichers antrifft.
Cam. Und hingegen ist sie unmöglich/ wo man
nichts belieblichers antreffen kan.
Flav. Die frembden sachen sind allzeit schöner.
Cam. Die tugend ist am allerschönsten.
Flav. Jn fremden orten wohnet die tugend auch.
Cam. Doch ist sie nicht so bekandt.
Flav. Desto weniger mängel kan man ihr ansehen.
Cam. Desto mehr mängel muß man ihr zutrauen.
Flav. Jch weiß viel/ welche der alten freunde ver-
gessen haben.
Cam.
Erſte Handlung.
Flav. Jch habe noch nie an der Affection gezwei-
felt/ allein ‒ ‒
Cam. Allein/ allein/ wie ſoll ich diß verſtehn?
Flav. Jch ſage nochmahls/ ich zweifle nicht an der
freundſchaft/ allein ich fuͤrchte mich vor der auslaͤndi-
ſchen lufft.
Cam. Vielleicht daß ich daran ſterben werde?
Flav. So unbarmhertzig wird der himmel nicht
ſeyn.
Cam. Oder daß ich meine geſundheit foꝛcirẽ werde?
Flav. Ach nein/ ich weiß wie der bruder nach der
geſundheit leben kan.
Cam. Was iſt denn ſonſt/ da mir die auslaͤndiſche
lufft ſolte ſchaden thun?
Flav. Man kan auslaͤndiſche gedancken ſchoͤpfen.
Cam. Wie geht diß zu?
Flav. Daß man der einheimiſchen vergiſt.
Cam. Was in das hertze gepregt iſt/ wird durch kei-
ne vergeſſenheit heraus geriſſen.
Flav. Doch iſt die vergeſſenheit angenehm/ wo
man etwas belieblichers antrifft.
Cam. Und hingegen iſt ſie unmoͤglich/ wo man
nichts belieblichers antreffen kan.
Flav. Die frembden ſachen ſind allzeit ſchoͤner.
Cam. Die tugend iſt am allerſchoͤnſten.
Flav. Jn fremden orten wohnet die tugend auch.
Cam. Doch iſt ſie nicht ſo bekandt.
Flav. Deſto weniger maͤngel kan man ihr anſehen.
Cam. Deſto mehr maͤngel muß man ihr zutrauen.
Flav. Jch weiß viel/ welche der alten freunde ver-
geſſen haben.
Cam.
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[475/0491] Erſte Handlung. Flav. Jch habe noch nie an der Affection gezwei- felt/ allein ‒ ‒ Cam. Allein/ allein/ wie ſoll ich diß verſtehn? Flav. Jch ſage nochmahls/ ich zweifle nicht an der freundſchaft/ allein ich fuͤrchte mich vor der auslaͤndi- ſchen lufft. Cam. Vielleicht daß ich daran ſterben werde? Flav. So unbarmhertzig wird der himmel nicht ſeyn. Cam. Oder daß ich meine geſundheit foꝛcirẽ werde? Flav. Ach nein/ ich weiß wie der bruder nach der geſundheit leben kan. Cam. Was iſt denn ſonſt/ da mir die auslaͤndiſche lufft ſolte ſchaden thun? Flav. Man kan auslaͤndiſche gedancken ſchoͤpfen. Cam. Wie geht diß zu? Flav. Daß man der einheimiſchen vergiſt. Cam. Was in das hertze gepregt iſt/ wird durch kei- ne vergeſſenheit heraus geriſſen. Flav. Doch iſt die vergeſſenheit angenehm/ wo man etwas belieblichers antrifft. Cam. Und hingegen iſt ſie unmoͤglich/ wo man nichts belieblichers antreffen kan. Flav. Die frembden ſachen ſind allzeit ſchoͤner. Cam. Die tugend iſt am allerſchoͤnſten. Flav. Jn fremden orten wohnet die tugend auch. Cam. Doch iſt ſie nicht ſo bekandt. Flav. Deſto weniger maͤngel kan man ihr anſehen. Cam. Deſto mehr maͤngel muß man ihr zutrauen. Flav. Jch weiß viel/ welche der alten freunde ver- geſſen haben. Cam.

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/491>, abgerufen am 18.06.2024.