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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Der beschützten Unschuld
Cam. Drumb soll unsere freundschafft unvergleich-
lich seyn.
Flav. Und in solcher versicherung verspreche ich
mich zu ewiger beständigkeit.
Cam. Wenn das Adriatische meer keinen sturm-
wind empfinden wird/ alsdenn wil ich unbeständig
werden.
Flav. Wenn der berg Aetna nicht mehr brennen wird/
so wird meine liebe auch verleschen.
Cam. Wenn der Padus wird auf das Alp-gebirge
zurücke lauffen/ so wird sich mein gemüth verwandeln.
Flav. Wenn die granat-äpffel werden auff den
ölbäumen wachsen/ alsdenn wird die falschheit in
meine seele einwurtzeln.
(Sie geben einander die hände.)
Cam. Und also lebt unsere freundschafft.
Flav. Und sol ewig nicht sterben.
Cam. Der himmel straffe die falschheit!
Flav. Und entzieh ihr allen segen!
Cam. Und beschütte sie mit betrübnüß!
Flav. Und mache sie vor aller welt zu schanden.
Leonore/ Sylvie/ Poncinello/ treten auff.
Cam. Mein Flavio ich habe vielfältige ursachen
den abschied mit nassen augen zu nehmen. Jndem ich
von einem gnädigsten fürsten/ und von einem unschätz-
baren freunde mich entfernen sol. Doch wenn ich dort-
hin sehe/ und die standhafftige tugend der höchstgelieb-
ten Leonore betrachte/ so weiß ich nicht/ mit was vor
worten ich zum abschied kommen sol.
Flav. Sie gehen auff uns zu. Seine beywohnen-
de tapfferkeit wird der ungefärbten liebe die handbie-
ten/ theils die verliebte ungedult zu besänfftigen/ theils
die
Der beſchuͤtzten Unſchuld
Cam. Drumb ſoll unſere freundſchafft unvergleich-
lich ſeyn.
Flav. Und in ſolcher verſicherung verſpreche ich
mich zu ewiger beſtaͤndigkeit.
Cam. Wenn das Adriatiſche meer keinen ſturm-
wind empfinden wird/ alsdenn wil ich unbeſtaͤndig
werden.
Flav. Weñ der berg Aetna nicht mehr brennẽ wird/
ſo wiꝛd meine liebe auch verleſchen.
Cam. Wenn der Padus wird auf das Alp-gebirge
zuruͤcke lauffen/ ſo wiꝛd ſich mein gemuͤth verwandeln.
Flav. Wenn die granat-aͤpffel werden auff den
oͤlbaͤumen wachſen/ alsdenn wird die falſchheit in
meine ſeele einwurtzeln.
(Sie geben einander die haͤnde.)
Cam. Und alſo lebt unſere freundſchafft.
Flav. Und ſol ewig nicht ſterben.
Cam. Der himmel ſtraffe die falſchheit!
Flav. Und entzieh ihr allen ſegen!
Cam. Und beſchuͤtte ſie mit betruͤbnuͤß!
Flav. Und mache ſie vor aller welt zu ſchanden.
Leonore/ Sylvie/ Poncinello/ treten auff.
Cam. Mein Flavio ich habe vielfaͤltige urſachen
den abſchied mit naſſen augen zu nehmen. Jndem ich
von einem gnaͤdigſten fuͤrſten/ und von einem unſchaͤtz-
baren freunde mich entfernen ſol. Doch wenn ich dort-
hin ſehe/ und die ſtandhafftige tugend der hoͤchſtgelieb-
ten Leonore betrachte/ ſo weiß ich nicht/ mit was vor
worten ich zum abſchied kommen ſol.
Flav. Sie gehen auff uns zu. Seine beywohnen-
de tapfferkeit wird der ungefaͤrbten liebe die handbie-
ten/ theils die verliebte ungedult zu beſaͤnfftigen/ theils
die
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[476/0492] Der beſchuͤtzten Unſchuld Cam. Drumb ſoll unſere freundſchafft unvergleich- lich ſeyn. Flav. Und in ſolcher verſicherung verſpreche ich mich zu ewiger beſtaͤndigkeit. Cam. Wenn das Adriatiſche meer keinen ſturm- wind empfinden wird/ alsdenn wil ich unbeſtaͤndig werden. Flav. Weñ der berg Aetna nicht mehr brennẽ wird/ ſo wiꝛd meine liebe auch verleſchen. Cam. Wenn der Padus wird auf das Alp-gebirge zuruͤcke lauffen/ ſo wiꝛd ſich mein gemuͤth verwandeln. Flav. Wenn die granat-aͤpffel werden auff den oͤlbaͤumen wachſen/ alsdenn wird die falſchheit in meine ſeele einwurtzeln. (Sie geben einander die haͤnde.) Cam. Und alſo lebt unſere freundſchafft. Flav. Und ſol ewig nicht ſterben. Cam. Der himmel ſtraffe die falſchheit! Flav. Und entzieh ihr allen ſegen! Cam. Und beſchuͤtte ſie mit betruͤbnuͤß! Flav. Und mache ſie vor aller welt zu ſchanden. Leonore/ Sylvie/ Poncinello/ treten auff. Cam. Mein Flavio ich habe vielfaͤltige urſachen den abſchied mit naſſen augen zu nehmen. Jndem ich von einem gnaͤdigſten fuͤrſten/ und von einem unſchaͤtz- baren freunde mich entfernen ſol. Doch wenn ich dort- hin ſehe/ und die ſtandhafftige tugend der hoͤchſtgelieb- ten Leonore betrachte/ ſo weiß ich nicht/ mit was vor worten ich zum abſchied kommen ſol. Flav. Sie gehen auff uns zu. Seine beywohnen- de tapfferkeit wird der ungefaͤrbten liebe die handbie- ten/ theils die verliebte ungedult zu beſaͤnfftigen/ theils die

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/492>, abgerufen am 18.06.2024.