Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701. St. So ist der kluge mensch nicht besser als ein thier. Am. Das folget nicht darauß: das glücke zeucht uns für. St. Ein unvernünfftig thier begehrt auch wol zu leben Am. Doch weiß es die manier der sache nicht zu geben. St. Camillo wird nunmehr der tugend zeuge seyn. Am. Mich düncket Borgia trifft etwas klüger ein. St. Es sey darauff gewagt/ wir beyde wollen wetten. Am. Camillo sol dich nicht von meiner schuld erretten. (Strephon geht ab) Am. Es ist nur eitelkeit/ wer gar zu ehrlich ist. Wer auf das glücke sieht/ Und alles was geschieht Zu seinem nutzen kehrt/ Der hat was er begehrt/ Die tugend wil ich jenen gerne gönnen/ Die sich vielleicht Nicht in das glücke finden können. Mich dünckt wenn sie die wege wüsten/ Wie sie das glücke suchen müsten/ Sie würden sich gar bald darzu verstehn/ Und aller frömmigkeit mit freuden müssig gehn. (Ein engel zeiget sich in wolcken und singet diß) Du weltkind schäme dich den geifer auszuschütten/ Davor der himmel selbst erschrickt: Du hast die tugend zwar bestritten/ Doch niemand hat dir schon den sieges krantz geschickt/ Die tugend lebt: die sterne sind ihr hauß/ Da theilen sie den segen aus. Gott selbst hat sie gezeugt: Darumb wer ihren ruhm verschweigt Muß seinen schöpffer selbst verachten; Doch geh du welt-kind geh/ Du wirst des glückes weh/ So
St. So iſt der kluge menſch nicht beſſer als ein thier. Am. Das folget nicht darauß: das gluͤcke zeucht uns fuͤr. St. Ein unvernuͤnfftig thier begehrt auch wol zu leben Am. Doch weiß es die manier der ſache nicht zu geben. St. Camillo wird nunmehr der tugend zeuge ſeyn. Am. Mich duͤncket Borgia trifft etwas kluͤger ein. St. Es ſey darauff gewagt/ wir beyde wollen wetten. Am. Camillo ſol dich nicht von meiner ſchuld erretten. (Strephon geht ab) Am. Es iſt nur eitelkeit/ wer gar zu ehrlich iſt. Wer auf das gluͤcke ſieht/ Und alles was geſchieht Zu ſeinem nutzen kehrt/ Der hat was er begehrt/ Die tugend wil ich jenen gerne goͤnnen/ Die ſich vielleicht Nicht in das gluͤcke finden koͤnnen. Mich duͤnckt wenn ſie die wege wuͤſten/ Wie ſie das gluͤcke ſuchen muͤſten/ Sie wuͤrden ſich gar bald darzu verſtehn/ Und aller froͤmmigkeit mit freuden muͤſſig gehn. (Ein engel zeiget ſich in wolckẽ und ſinget diß) Du weltkind ſchaͤme dich den geifer auszuſchuͤtten/ Davor der himmel ſelbſt erſchrickt: Du haſt die tugend zwar beſtritten/ Doch niemand hat dir ſchon den ſieges krantz geſchickt/ Die tugend lebt: die ſterne ſind ihr hauß/ Da theilen ſie den ſegen aus. Gott ſelbſt hat ſie gezeugt: Darumb wer ihren ruhm verſchweigt Muß ſeinen ſchoͤpffer ſelbſt verachten; Doch geh du welt-kind geh/ Du wirſt des gluͤckes weh/ So
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0479" n="463"/> <sp> <speaker>St.</speaker> <p>So iſt der kluge menſch nicht beſſer als ein thier.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>Am.</speaker> <p>Das folget nicht darauß: das gluͤcke zeucht uns fuͤr.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>St.</speaker> <p>Ein unvernuͤnfftig thier begehrt auch wol zu leben</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>Am.</speaker> <p>Doch weiß es die manier der ſache nicht zu geben.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>St.</speaker> <p>Camillo wird nunmehr der tugend zeuge ſeyn.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>Am.</speaker> <p>Mich duͤncket Borgia trifft etwas kluͤger ein.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>St.</speaker> <p>Es ſey darauff gewagt/ wir beyde wollen wetten.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>Am.</speaker> <p>Camillo ſol dich nicht von meiner ſchuld erretten.</p> </sp><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(Strephon geht ab)</hi> </stage><lb/> <sp> <speaker>Am.</speaker> <p> Es iſt nur eitelkeit/ wer gar zu ehrlich iſt.<lb/> Wer auf das gluͤcke ſieht/<lb/> Und alles was geſchieht<lb/> Zu ſeinem nutzen kehrt/<lb/><hi rendition="#fr">D</hi>er hat was er begehrt/<lb/> Die tugend wil ich jenen gerne goͤnnen/<lb/> Die ſich vielleicht<lb/> Nicht in das gluͤcke finden koͤnnen.<lb/> Mich duͤnckt wenn ſie die wege wuͤſten/<lb/> Wie ſie das gluͤcke ſuchen muͤſten/<lb/> Sie wuͤrden ſich gar bald darzu verſtehn/<lb/> Und aller froͤmmigkeit mit freuden muͤſſig gehn.</p><lb/> <stage>(Ein engel zeiget ſich in wolckẽ und ſinget diß)</stage><lb/> <p>Du weltkind ſchaͤme dich den geifer auszuſchuͤtten/<lb/> Davor der himmel ſelbſt erſchrickt:<lb/><hi rendition="#fr">D</hi>u haſt die tugend zwar beſtritten/<lb/><hi rendition="#fr">D</hi>och niemand hat dir ſchon den ſieges krantz geſchickt/<lb/> Die tugend lebt: die ſterne ſind ihr hauß/<lb/><hi rendition="#fr">D</hi>a theilen ſie den ſegen aus.<lb/> Gott ſelbſt hat ſie gezeugt:<lb/> Darumb wer ihren ruhm verſchweigt<lb/> Muß ſeinen ſchoͤpffer ſelbſt verachten;<lb/> Doch geh du welt-kind geh/<lb/><hi rendition="#fr">D</hi>u wirſt des gluͤckes weh/<lb/> <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [463/0479]
St. So iſt der kluge menſch nicht beſſer als ein thier.
Am. Das folget nicht darauß: das gluͤcke zeucht uns fuͤr.
St. Ein unvernuͤnfftig thier begehrt auch wol zu leben
Am. Doch weiß es die manier der ſache nicht zu geben.
St. Camillo wird nunmehr der tugend zeuge ſeyn.
Am. Mich duͤncket Borgia trifft etwas kluͤger ein.
St. Es ſey darauff gewagt/ wir beyde wollen wetten.
Am. Camillo ſol dich nicht von meiner ſchuld erretten.
(Strephon geht ab)
Am. Es iſt nur eitelkeit/ wer gar zu ehrlich iſt.
Wer auf das gluͤcke ſieht/
Und alles was geſchieht
Zu ſeinem nutzen kehrt/
Der hat was er begehrt/
Die tugend wil ich jenen gerne goͤnnen/
Die ſich vielleicht
Nicht in das gluͤcke finden koͤnnen.
Mich duͤnckt wenn ſie die wege wuͤſten/
Wie ſie das gluͤcke ſuchen muͤſten/
Sie wuͤrden ſich gar bald darzu verſtehn/
Und aller froͤmmigkeit mit freuden muͤſſig gehn.
(Ein engel zeiget ſich in wolckẽ und ſinget diß)
Du weltkind ſchaͤme dich den geifer auszuſchuͤtten/
Davor der himmel ſelbſt erſchrickt:
Du haſt die tugend zwar beſtritten/
Doch niemand hat dir ſchon den ſieges krantz geſchickt/
Die tugend lebt: die ſterne ſind ihr hauß/
Da theilen ſie den ſegen aus.
Gott ſelbſt hat ſie gezeugt:
Darumb wer ihren ruhm verſchweigt
Muß ſeinen ſchoͤpffer ſelbſt verachten;
Doch geh du welt-kind geh/
Du wirſt des gluͤckes weh/
So
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/479 |
Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/479>, abgerufen am 18.06.2024. |