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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Jch lobe die tugend und hasse das glücke.

Amyntas ein ander Schäfer kömmt ihm ent-
gegen und singt dieses:
Jch lobe das glücke/ was nutzet die tugend?
Dieweil das glücke stets
Mit süsser freude lacht;
Die tugend aber nicht
Viel gute tage macht.
Das glücke macht mich groß; die tugend ist ein licht
Das wenig glantz ertheilt;
Drum selig ist der mann/
Der das gute glück ereilt
Und in warheit sprechen kan:
Jch lobe das glück/ was nutzet die tugend?
(Sie treten zusammen.)
St. Amyntas schämstu dich vor diesen reden nicht?
Am. Nein/ weil die warheit selbst auf meine seite spricht.
St. So sol die tugend nicht wie vormahls triumphiren?
Am. Das glücke sol vielmehr den krantz im siege führen?
St. Die tugend bleibet stehn/ wenn auch der himmel fällt.
Am. Der himmel bleibet wohl das glücke ziert die welt.
St. Das glücke lässt sich leicht von ihrem diener spalten.
Am. Wer klüglich leben will der kan es leicht erhalten.
St. Was auf der kugel sitzt/ das eilet und vergeht:
Am. Vor dem der seinen Nutz im leben nicht versteht.
St. Wo kanstu sicher seyn? wer giebt dir brief und siegel:
Am. Das glücke fleugt davon/ und leiht mir seine flügel.
St. Wenn aber carus sich nicht mehr regieren kan;
Am. So klag' er also denn sein' eigne thorheit an.
St. Pompejus hatte sich dem glücke schön ergeben!
Am. So schön als Socrates bey tugend kunte leben.
St. Doch wird der Socrates von allen hochgeschätzt?
Am. Wird denn Pompejus nicht den heiden beygesetzt?
St. Wie lachte Socrates auch mitten im verderben.
Am. Gesetzt wir leben wohl wer acht es wie wir sterben:
St. So

Jch lobe die tugend und haſſe das gluͤcke.

Amyntas ein ander Schaͤfer koͤmmt ihm ent-
gegen und ſingt dieſes:
Jch lobe das gluͤcke/ was nutzet die tugend?
Dieweil das gluͤcke ſtets
Mit ſuͤſſer freude lacht;
Die tugend aber nicht
Viel gute tage macht.
Das gluͤcke macht mich groß; die tugend iſt ein licht
Das wenig glantz ertheilt;
Drum ſelig iſt der mann/
Der das gute gluͤck ereilt
Und in warheit ſprechen kan:
Jch lobe das gluͤck/ was nutzet die tugend?
(Sie treten zuſammen.)
St. Amyntas ſchaͤmſtu dich vor dieſen reden nicht?
Am. Nein/ weil die warheit ſelbſt auf meine ſeite ſpricht.
St. So ſol die tugend nicht wie vormahls triumphiren?
Am. Das gluͤcke ſol vielmehr den krantz im ſiege fuͤhren?
St. Die tugend bleibet ſtehn/ wenn auch der himmel faͤllt.
Am. Der himmel bleibet wohl das gluͤcke ziert die welt.
St. Das gluͤcke laͤſſt ſich leicht von ihrem diener ſpalten.
Am. Wer kluͤglich leben will der kan es leicht erhalten.
St. Was auf der kugel ſitzt/ das eilet und vergeht:
Am. Vor dem der ſeinen Nutz im leben nicht verſteht.
St. Wo kanſtu ſicher ſeyn? wer giebt dir brief und ſiegel:
Am. Das gluͤcke fleugt davon/ und leiht mir ſeine fluͤgel.
St. Wenn aber carus ſich nicht mehr regieren kan;
Am. So klag’ er alſo denn ſein’ eigne thorheit an.
St. Pompejus hatte ſich dem gluͤcke ſchoͤn ergeben!
Am. So ſchoͤn als Socrates bey tugend kunte leben.
St. Doch wird der Socrates von allen hochgeſchaͤtzt?
Am. Wird denn Pompejus nicht den heiden beygeſetzt?
St. Wie lachte Socrates auch mitten im verderben.
Am. Geſetzt wir leben wohl wer acht es wie wir ſterben:
St. So
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[462/0478] Jch lobe die tugend und haſſe das gluͤcke. Amyntas ein ander Schaͤfer koͤmmt ihm ent- gegen und ſingt dieſes: Jch lobe das gluͤcke/ was nutzet die tugend? Dieweil das gluͤcke ſtets Mit ſuͤſſer freude lacht; Die tugend aber nicht Viel gute tage macht. Das gluͤcke macht mich groß; die tugend iſt ein licht Das wenig glantz ertheilt; Drum ſelig iſt der mann/ Der das gute gluͤck ereilt Und in warheit ſprechen kan: Jch lobe das gluͤck/ was nutzet die tugend? (Sie treten zuſammen.) St. Amyntas ſchaͤmſtu dich vor dieſen reden nicht? Am. Nein/ weil die warheit ſelbſt auf meine ſeite ſpricht. St. So ſol die tugend nicht wie vormahls triumphiren? Am. Das gluͤcke ſol vielmehr den krantz im ſiege fuͤhren? St. Die tugend bleibet ſtehn/ wenn auch der himmel faͤllt. Am. Der himmel bleibet wohl das gluͤcke ziert die welt. St. Das gluͤcke laͤſſt ſich leicht von ihrem diener ſpalten. Am. Wer kluͤglich leben will der kan es leicht erhalten. St. Was auf der kugel ſitzt/ das eilet und vergeht: Am. Vor dem der ſeinen Nutz im leben nicht verſteht. St. Wo kanſtu ſicher ſeyn? wer giebt dir brief und ſiegel: Am. Das gluͤcke fleugt davon/ und leiht mir ſeine fluͤgel. St. Wenn aber carus ſich nicht mehr regieren kan; Am. So klag’ er alſo denn ſein’ eigne thorheit an. St. Pompejus hatte ſich dem gluͤcke ſchoͤn ergeben! Am. So ſchoͤn als Socrates bey tugend kunte leben. St. Doch wird der Socrates von allen hochgeſchaͤtzt? Am. Wird denn Pompejus nicht den heiden beygeſetzt? St. Wie lachte Socrates auch mitten im verderben. Am. Geſetzt wir leben wohl wer acht es wie wir ſterben: St. So

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/478>, abgerufen am 18.06.2024.