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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Geneigter Leser.

DJeses lust-spiel ist so abgefasset/ daß man es auch an
orten präsentiren kan/ wo keine sonderliche machinen/
auch kein übrig kostbahr theatrum zu finden ist. Es hat auch
gantz kurtze handlungen/ also daß in wenig stunden alles
kan verbracht werden. Jnzwischen weil etliche leute gerne
commödien sehen/ die fein lang sind/ über diß bey der heu-
tigen welt nichts mehr ästimiret wird/ als wo vielfältige
auffzüge und veränderungen mit unterlauffen. Als habe ich
etwas beygefüget/ daß man so wol aussen lassen/ als auch
entweder halb oder gantz mit nehmen kan. Ein ieder kunst-
verständiger wird seiner beywohnenden geschickligkeit
nach/ alles füglich anzubringen/ oder auch zu ändern wissen.
Jm übrigen solte diese invention beliebt werden/ würde ich
desto mehr gelegenheit haben/ andere dergleichen sachen
auß den alten brieffen hervor zu suchen/ und guten freunden
zn communiciren. Lebe wohl.



Nach der ersten handlung/ wenn Poncinel-
lo abgehet/ so tritt Strephon ein schäfer auff
und singet folgendes:
JCh lobe die tugend/ und hasse das glücke:
Dieweil die tugend bloß
Jn frommen hertzen wohnt/
Das glück hingegen auch
Die bösen wohl belohnt.
Die tugend stehet fest: das glück ist wie ein rauch
Der in der lufft vergeht;
Drum selig ist der mann/
Welcher auff der tugend steht/
Und in der warheit sprechen kan:
Jch


Geneigter Leſer.

DJeſes luſt-ſpiel iſt ſo abgefaſſet/ daß man es auch an
orten praͤſentiren kan/ wo keine ſonderliche machinen/
auch kein uͤbrig koſtbahr theatrum zu finden iſt. Es hat auch
gantz kurtze handlungen/ alſo daß in wenig ſtunden alles
kan verbracht werden. Jnzwiſchen weil etliche leute gerne
commoͤdien ſehen/ die fein lang ſind/ uͤber diß bey der heu-
tigen welt nichts mehr aͤſtimiret wird/ als wo vielfaͤltige
auffzuͤge und veraͤnderungen mit unterlauffen. Als habe ich
etwas beygefuͤget/ daß man ſo wol auſſen laſſen/ als auch
entweder halb oder gantz mit nehmen kan. Ein ieder kunſt-
verſtaͤndiger wird ſeiner beywohnenden geſchickligkeit
nach/ alles fuͤglich anzubringen/ oder auch zu aͤndern wiſſen.
Jm uͤbrigen ſolte dieſe invention beliebt werden/ wuͤrde ich
deſto mehr gelegenheit haben/ andere dergleichen ſachen
auß den alten brieffen hervor zu ſuchen/ und guten freunden
zn communiciren. Lebe wohl.



Nach der erſten handlung/ wenn Poncinel-
lo abgehet/ ſo tritt Strephon ein ſchaͤfer auff
und ſinget folgendes:
JCh lobe die tugend/ und haſſe das gluͤcke:
Dieweil die tugend bloß
Jn frommen hertzen wohnt/
Das gluͤck hingegen auch
Die boͤſen wohl belohnt.
Die tugend ſtehet feſt: das gluͤck iſt wie ein rauch
Der in der lufft vergeht;
Drum ſelig iſt der mann/
Welcher auff der tugend ſteht/
Und in der warheit ſprechen kan:
Jch
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[461/0477] Geneigter Leſer. DJeſes luſt-ſpiel iſt ſo abgefaſſet/ daß man es auch an orten praͤſentiren kan/ wo keine ſonderliche machinen/ auch kein uͤbrig koſtbahr theatrum zu finden iſt. Es hat auch gantz kurtze handlungen/ alſo daß in wenig ſtunden alles kan verbracht werden. Jnzwiſchen weil etliche leute gerne commoͤdien ſehen/ die fein lang ſind/ uͤber diß bey der heu- tigen welt nichts mehr aͤſtimiret wird/ als wo vielfaͤltige auffzuͤge und veraͤnderungen mit unterlauffen. Als habe ich etwas beygefuͤget/ daß man ſo wol auſſen laſſen/ als auch entweder halb oder gantz mit nehmen kan. Ein ieder kunſt- verſtaͤndiger wird ſeiner beywohnenden geſchickligkeit nach/ alles fuͤglich anzubringen/ oder auch zu aͤndern wiſſen. Jm uͤbrigen ſolte dieſe invention beliebt werden/ wuͤrde ich deſto mehr gelegenheit haben/ andere dergleichen ſachen auß den alten brieffen hervor zu ſuchen/ und guten freunden zn communiciren. Lebe wohl. Nach der erſten handlung/ wenn Poncinel- lo abgehet/ ſo tritt Strephon ein ſchaͤfer auff und ſinget folgendes: JCh lobe die tugend/ und haſſe das gluͤcke: Dieweil die tugend bloß Jn frommen hertzen wohnt/ Das gluͤck hingegen auch Die boͤſen wohl belohnt. Die tugend ſtehet feſt: das gluͤck iſt wie ein rauch Der in der lufft vergeht; Drum ſelig iſt der mann/ Welcher auff der tugend ſteht/ Und in der warheit ſprechen kan: Jch

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/477>, abgerufen am 18.06.2024.