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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Uberfl. gedancken andere gattung
Ein ander geh die spur der eitlen liebes-strassen/
Mein hertz ist doch allein in einen freund entbrant.
Zwar wo ich bitten darff/ so seh er nicht die worte/
Den ungeschickten reim die schlechten zeilen an/
Jtz an der messe liegt nichts an dem rechten orte:
Kaum daß ich so viel zeit zum schreiben stehlen kan:
Wenn es zu schmeicheln komt/ so bin ich sonst verdorben/
Jch führ in meiner haut den alten teutschen sinn/
Und wär die redligkeit gleich überall verdorben/
So bleibt es noch darbey/ daß ich noch ehrlich bin.
Doch wil er einen schertz von meiner feder fodern/
Jch weiß nicht ob die lust mich gantz verlassen hat/
Der grüne myrtenstrauch will allgemach verlodern/
Und mein betrübter geist ist fast des lachens satt/
Er frage nicht warum? er schaue nur die sachen
Der jungen erden an/ wie itzo wald und feld/
Fisch/ vögel/ thier und alls mit freuden hochzeit machen/
Nur ich bekomme nichts ich arme kleine welt.
Jch soll mich um die frau noch gar zu tode grämen.
Denn wo ein guter freund zur hochzeit blasen läßt/
So muß ich mich fürwar vor meinem barte schämen
Der wol so stachlicht ist als manches schwalben-nest.
Der schwartzdorn blüth nunmehr/ der kützel sticht die leute/
Das alte winterblut wil zu den adern auß/
Der kühle rosenthal trägt schon die frühlings-beute/
Und führet zwey hinein und dreye wieder nauß/
Jch habe nichts zu thun ich sehe nur zu zeiten
Wie durch den grünen strauch ein buntes röckgen blickt/
Ein ander läst sich gar in das gerüsche leiten/
Wo der das grüne graß in seiner ruh zerdrückt.
Jch bleibe nach wie vor ein alter junggeselle/
Und das versteh ich nicht was doch ein sperling weiß.
Jch dichte zwar bey mir auff unterschiedne fälle/
Wiewohl mein unstern haßt den wol bedachten fleiß.
Mein allerliebster freund/ in allen meinen trauren/
Jst dieses noch mein trost/ daß er in gleicher last
Durch müh und einsamkeit kan steiff und tapfer tauren/
Und daß er keinen sinn auff weiber-liebe fast.

Drum

Uberfl. gedancken andere gattung
Ein ander geh die ſpur der eitlen liebes-ſtraſſen/
Mein hertz iſt doch allein in einen freund entbrant.
Zwar wo ich bitten darff/ ſo ſeh er nicht die worte/
Den ungeſchickten reim die ſchlechten zeilen an/
Jtz an der meſſe liegt nichts an dem rechten orte:
Kaum daß ich ſo viel zeit zum ſchreiben ſtehlen kan:
Wenn es zu ſchmeicheln komt/ ſo bin ich ſonſt verdorben/
Jch fuͤhr in meiner haut den alten teutſchen ſinn/
Und waͤr die redligkeit gleich uͤberall verdorben/
So bleibt es noch darbey/ daß ich noch ehrlich bin.
Doch wil er einen ſchertz von meiner feder fodern/
Jch weiß nicht ob die luſt mich gantz verlaſſen hat/
Der gruͤne myrtenſtrauch will allgemach verlodern/
Und mein betruͤbter geiſt iſt faſt des lachens ſatt/
Er frage nicht warum? er ſchaue nur die ſachen
Der jungen erden an/ wie itzo wald und feld/
Fiſch/ voͤgel/ thier und alls mit freuden hochzeit machen/
Nur ich bekomme nichts ich arme kleine welt.
Jch ſoll mich um die frau noch gar zu tode graͤmen.
Denn wo ein guter freund zur hochzeit blaſen laͤßt/
So muß ich mich fuͤrwar vor meinem barte ſchaͤmen
Der wol ſo ſtachlicht iſt als manches ſchwalben-neſt.
Der ſchwartzdorn bluͤth nunmehr/ der kuͤtzel ſticht die leute/
Das alte winterblut wil zu den adern auß/
Der kuͤhle roſenthal traͤgt ſchon die fruͤhlings-beute/
Und fuͤhret zwey hinein und dreye wieder nauß/
Jch habe nichts zu thun ich ſehe nur zu zeiten
Wie durch den gruͤnen ſtrauch ein buntes roͤckgen blickt/
Ein ander laͤſt ſich gar in das geruͤſche leiten/
Wo der das gruͤne graß in ſeiner ruh zerdruͤckt.
Jch bleibe nach wie vor ein alter junggeſelle/
Und das verſteh ich nicht was doch ein ſperling weiß.
Jch dichte zwar bey mir auff unterſchiedne faͤlle/
Wiewohl mein unſtern haßt den wol bedachten fleiß.
Mein allerliebſter freund/ in allen meinen trauren/
Jſt dieſes noch mein troſt/ daß er in gleicher laſt
Durch muͤh und einſamkeit kan ſteiff und tapfer tauren/
Und daß er keinen ſinn auff weiber-liebe faſt.

Drum
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[354/0370] Uberfl. gedancken andere gattung Ein ander geh die ſpur der eitlen liebes-ſtraſſen/ Mein hertz iſt doch allein in einen freund entbrant. Zwar wo ich bitten darff/ ſo ſeh er nicht die worte/ Den ungeſchickten reim die ſchlechten zeilen an/ Jtz an der meſſe liegt nichts an dem rechten orte: Kaum daß ich ſo viel zeit zum ſchreiben ſtehlen kan: Wenn es zu ſchmeicheln komt/ ſo bin ich ſonſt verdorben/ Jch fuͤhr in meiner haut den alten teutſchen ſinn/ Und waͤr die redligkeit gleich uͤberall verdorben/ So bleibt es noch darbey/ daß ich noch ehrlich bin. Doch wil er einen ſchertz von meiner feder fodern/ Jch weiß nicht ob die luſt mich gantz verlaſſen hat/ Der gruͤne myrtenſtrauch will allgemach verlodern/ Und mein betruͤbter geiſt iſt faſt des lachens ſatt/ Er frage nicht warum? er ſchaue nur die ſachen Der jungen erden an/ wie itzo wald und feld/ Fiſch/ voͤgel/ thier und alls mit freuden hochzeit machen/ Nur ich bekomme nichts ich arme kleine welt. Jch ſoll mich um die frau noch gar zu tode graͤmen. Denn wo ein guter freund zur hochzeit blaſen laͤßt/ So muß ich mich fuͤrwar vor meinem barte ſchaͤmen Der wol ſo ſtachlicht iſt als manches ſchwalben-neſt. Der ſchwartzdorn bluͤth nunmehr/ der kuͤtzel ſticht die leute/ Das alte winterblut wil zu den adern auß/ Der kuͤhle roſenthal traͤgt ſchon die fruͤhlings-beute/ Und fuͤhret zwey hinein und dreye wieder nauß/ Jch habe nichts zu thun ich ſehe nur zu zeiten Wie durch den gruͤnen ſtrauch ein buntes roͤckgen blickt/ Ein ander laͤſt ſich gar in das geruͤſche leiten/ Wo der das gruͤne graß in ſeiner ruh zerdruͤckt. Jch bleibe nach wie vor ein alter junggeſelle/ Und das verſteh ich nicht was doch ein ſperling weiß. Jch dichte zwar bey mir auff unterſchiedne faͤlle/ Wiewohl mein unſtern haßt den wol bedachten fleiß. Mein allerliebſter freund/ in allen meinen trauren/ Jſt dieſes noch mein troſt/ daß er in gleicher laſt Durch muͤh und einſamkeit kan ſteiff und tapfer tauren/ Und daß er keinen ſinn auff weiber-liebe faſt. Drum

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/370>, abgerufen am 11.06.2024.