Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Anderes Gespräch. Jndem er an ein volck die läster-zunge setzt/Wer weiß wer seinen zahn hingegen wieder wetzt Der ihn bezahlen kan. Jn unserm Teutschen glase Steht nicht nur bier und wein/ es quillt der tapffre muth Der andre schamroth macht/ und rechte thaten thut. Fill. Das ist stattlich gemacht/ es solte dir ein jed- weder Deutscher in specie zur danckbarkeit einen be- cher wein zutrincken. Gil. Eh ich allen bescheid thäte/ eh wolt ich revociren. Fill. Das wäre eine schande. Gil. Nun so müsten sie mir zeit lassen/ alle mahlzei- ten etliche becher nach meiner nothdurfft. Mel. Ach was vor vergnügliche leute wären wir/ wann wir allen überfluß so einzutheilen wüsten. Fill. Jhr Herren/ der discurs wird uns zu ernsthaf- tig/ ich hörte lieber etwas lustiges. Gil. Wann mir kein lustiges papier in die hände kömmt/ so bin ich entschuldigt. Fill. Da seh ich etwas/ das wird sich brave schicken. Gil. Jch muß aber viel umstände dabey erzehlen. Jch war vor etlichen jahren mit einer stattlichen com- pagnie auf einer frühlings-lust/ da ward allerhand kurtzweil vorgenommen. Doch als wir abends in dem kühlen in das angelegene lustwäldgen spatzieren wolten/ traffen wir einen aus unsern mittel hinter ei- nem strauche an/ der vor zorn und boßheit außsah/ als ein erstochner bock. Wir wolten wissen/ wer ihm zu- wider gelebt/ oder wer ihm in der compagnie mißfal- len/ doch er wolte nicht mit heraus. Endlich vertrau- te er mir den gantzen handel/ ein mädgen wäre auff ihn zugelauffen/ und hätte ihm die barücke von dem kopffe gerissen. Nun wäre er dessentwegen nicht heraus ge- zogen/
Anderes Geſpraͤch. Jndem er an ein volck die laͤſter-zunge ſetzt/Wer weiß wer ſeinen zahn hingegen wieder wetzt Der ihn bezahlen kan. Jn unſerm Teutſchen glaſe Steht nicht nur bier und wein/ es quillt der tapffre muth Der andre ſchamroth macht/ und rechte thaten thut. Fill. Das iſt ſtattlich gemacht/ es ſolte dir ein jed- weder Deutſcher in ſpecie zur danckbarkeit einen be- cher wein zutrincken. Gil. Eh ich allen beſcheid thaͤte/ eh wolt ich revocirẽ. Fill. Das waͤre eine ſchande. Gil. Nun ſo muͤſten ſie mir zeit laſſen/ alle mahlzei- ten etliche becher nach meiner nothdurfft. Mel. Ach was vor vergnuͤgliche leute waͤren wir/ wann wir allen uͤberfluß ſo einzutheilen wuͤſten. Fill. Jhr Herren/ der diſcurs wird uns zu ernſthaf- tig/ ich hoͤrte lieber etwas luſtiges. Gil. Wann mir kein luſtiges papier in die haͤnde koͤmmt/ ſo bin ich entſchuldigt. Fill. Da ſeh ich etwas/ das wird ſich brave ſchicken. Gil. Jch muß aber viel umſtaͤnde dabey erzehlen. Jch war vor etlichen jahren mit einer ſtattlichen com- pagnie auf einer fruͤhlings-luſt/ da ward allerhand kurtzweil vorgenommen. Doch als wir abends in dem kuͤhlen in das angelegene luſtwaͤldgen ſpatzieren wolten/ traffen wir einen aus unſern mittel hinter ei- nem ſtrauche an/ der vor zorn und boßheit außſah/ als ein erſtochner bock. Wir wolten wiſſen/ wer ihm zu- wider gelebt/ oder wer ihm in der compagnie mißfal- len/ doch er wolte nicht mit heraus. Endlich vertrau- te er mir den gantzen handel/ ein maͤdgen waͤre auff ihn zugelauffen/ und haͤtte ihm die baruͤcke von dem kopffe geriſſen. Nun waͤre er deſſentwegen nicht heraus ge- zogen/
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Anderes Geſpraͤch.
Jndem er an ein volck die laͤſter-zunge ſetzt/
Wer weiß wer ſeinen zahn hingegen wieder wetzt
Der ihn bezahlen kan. Jn unſerm Teutſchen glaſe
Steht nicht nur bier und wein/ es quillt der tapffre muth
Der andre ſchamroth macht/ und rechte thaten thut.
Fill. Das iſt ſtattlich gemacht/ es ſolte dir ein jed-
weder Deutſcher in ſpecie zur danckbarkeit einen be-
cher wein zutrincken.
Gil. Eh ich allen beſcheid thaͤte/ eh wolt ich revocirẽ.
Fill. Das waͤre eine ſchande.
Gil. Nun ſo muͤſten ſie mir zeit laſſen/ alle mahlzei-
ten etliche becher nach meiner nothdurfft.
Mel. Ach was vor vergnuͤgliche leute waͤren wir/
wann wir allen uͤberfluß ſo einzutheilen wuͤſten.
Fill. Jhr Herren/ der diſcurs wird uns zu ernſthaf-
tig/ ich hoͤrte lieber etwas luſtiges.
Gil. Wann mir kein luſtiges papier in die haͤnde
koͤmmt/ ſo bin ich entſchuldigt.
Fill. Da ſeh ich etwas/ das wird ſich brave ſchicken.
Gil. Jch muß aber viel umſtaͤnde dabey erzehlen.
Jch war vor etlichen jahren mit einer ſtattlichen com-
pagnie auf einer fruͤhlings-luſt/ da ward allerhand
kurtzweil vorgenommen. Doch als wir abends in
dem kuͤhlen in das angelegene luſtwaͤldgen ſpatzieren
wolten/ traffen wir einen aus unſern mittel hinter ei-
nem ſtrauche an/ der vor zorn und boßheit außſah/ als
ein erſtochner bock. Wir wolten wiſſen/ wer ihm zu-
wider gelebt/ oder wer ihm in der compagnie mißfal-
len/ doch er wolte nicht mit heraus. Endlich vertrau-
te er mir den gantzen handel/ ein maͤdgen waͤre auff ihn
zugelauffen/ und haͤtte ihm die baruͤcke von dem kopffe
geriſſen. Nun waͤre er deſſentwegen nicht heraus ge-
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/335>, abgerufen am 22.07.2024. |