Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Erstes Gespräch, 6. Das soll die losung seyn/ indem ich scheide Ein übrigs trauren hilfft nicht viel/ Weil ich in kurtzen dich mit grosser freude Gesund und froh umbfangen wil. Du bist mein leben Bleib mir ergeben Liebste so leb ich vor mich und dich. Fill. Wo es der bräutgam recht gemeint hat/ so ist es gut gnug gegeben. Gil. Da laß ich ihn darvor sorgen. Fill. Aber er gehört auch in Gleichviels freund- schafft? Gil. Wie anders? und wem wäre mitgedient/ wenn ich die leuthe verrathen wolte/ die ihre liebes-gedan- cken auff mein gewissen gebunden haben. Mel. Wir sind mit der blossen auslegung zu frie- den. Nur diß befinde ich/ der bräutigam hat seine lieb- ste an einen fremden orte gesucht/ da er nach gehalte- nem verlöbniß wieder fort gemust. Gil. Ja freylich geht es wunderlich zu/ wenn eine jungfrau viel freyer hat/ und ein fremder soll sich un- ter den einheimischen herumb beissen. Mel. Es gehört ein bißgen courage/ und denn ein bißgen patientia darzu. Gil. Du redest davon nicht anders als ein alter Practicus. Fill. Mich dünckt es judicirt ein Practicus von dem andern. Gil. Ey wir wollen nicht höhnisch seyn. Hier hab ich ein schön stückgen auff einen bräutigam/ der an- derswo was liebers hatte/ und doch gunst und beför- derung halben sich mit einer unannehmlichen person ver- U
Erſtes Geſpraͤch, 6. Das ſoll die loſung ſeyn/ indem ich ſcheide Ein uͤbrigs trauren hilfft nicht viel/ Weil ich in kurtzen dich mit groſſer freude Geſund und froh umbfangen wil. Du biſt mein leben Bleib mir ergeben Liebſte ſo leb ich vor mich und dich. Fill. Wo es der braͤutgam recht gemeint hat/ ſo iſt es gut gnug gegeben. Gil. Da laß ich ihn darvor ſorgen. Fill. Aber er gehoͤrt auch in Gleichviels freund- ſchafft? Gil. Wie anders? und wem waͤre mitgedient/ wenn ich die leuthe verrathen wolte/ die ihre liebes-gedan- cken auff mein gewiſſen gebunden haben. Mel. Wir ſind mit der bloſſen auslegung zu frie- den. Nur diß befinde ich/ der braͤutigam hat ſeine lieb- ſte an einen fremden orte geſucht/ da er nach gehalte- nem verloͤbniß wieder fort gemuſt. Gil. Ja freylich geht es wunderlich zu/ wenn eine jungfrau viel freyer hat/ und ein fremder ſoll ſich un- ter den einheimiſchen herumb beiſſen. Mel. Es gehoͤrt ein bißgen courage/ und denn ein bißgen patientia darzu. Gil. Du redeſt davon nicht anders als ein alter Practicus. Fill. Mich duͤnckt es judicirt ein Practicus von dem andern. Gil. Ey wir wollen nicht hoͤhniſch ſeyn. Hier hab ich ein ſchoͤn ſtuͤckgen auff einen braͤutigam/ der an- derswo was liebers hatte/ und doch gunſt und befoͤr- derung halben ſich mit einer unannehmlichen perſon ver- U
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Erſtes Geſpraͤch,
6. Das ſoll die loſung ſeyn/ indem ich ſcheide
Ein uͤbrigs trauren hilfft nicht viel/
Weil ich in kurtzen dich mit groſſer freude
Geſund und froh umbfangen wil.
Du biſt mein leben
Bleib mir ergeben
Liebſte ſo leb ich vor mich und dich.
Fill. Wo es der braͤutgam recht gemeint hat/ ſo iſt
es gut gnug gegeben.
Gil. Da laß ich ihn darvor ſorgen.
Fill. Aber er gehoͤrt auch in Gleichviels freund-
ſchafft?
Gil. Wie anders? und wem waͤre mitgedient/ wenn
ich die leuthe verrathen wolte/ die ihre liebes-gedan-
cken auff mein gewiſſen gebunden haben.
Mel. Wir ſind mit der bloſſen auslegung zu frie-
den. Nur diß befinde ich/ der braͤutigam hat ſeine lieb-
ſte an einen fremden orte geſucht/ da er nach gehalte-
nem verloͤbniß wieder fort gemuſt.
Gil. Ja freylich geht es wunderlich zu/ wenn eine
jungfrau viel freyer hat/ und ein fremder ſoll ſich un-
ter den einheimiſchen herumb beiſſen.
Mel. Es gehoͤrt ein bißgen courage/ und denn ein
bißgen patientia darzu.
Gil. Du redeſt davon nicht anders als ein alter
Practicus.
Fill. Mich duͤnckt es judicirt ein Practicus von
dem andern.
Gil. Ey wir wollen nicht hoͤhniſch ſeyn. Hier hab
ich ein ſchoͤn ſtuͤckgen auff einen braͤutigam/ der an-
derswo was liebers hatte/ und doch gunſt und befoͤr-
derung halben ſich mit einer unannehmlichen perſon
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